Koalitionsvertrag

Gröhe entfacht Debatte über Rx-Versandverbot und Digitalisierung

Berlin - 14.02.2018, 16:00 Uhr

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) wirbt derzeit mit mehreren PR-Werbepostings für die gesundheitspolitischen Errungenschaften seiner Partei im Koalitionsvertrag, darunter auch das Rx-Versandverbot. (Foto: Gröhe / CDU)

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) wirbt derzeit mit mehreren PR-Werbepostings für die gesundheitspolitischen Errungenschaften seiner Partei im Koalitionsvertrag, darunter auch das Rx-Versandverbot. (Foto: Gröhe / CDU)


Der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) wirbt in den sozialen Netzwerken derzeit verstärkt für die gesundheitspolitischen Errungenschaften der Union im Koalitionsvertrag. Insbesondere zwei Aussagen von Gröhe zum Rx-Versandverbot und zur Digitalisierung im Gesundheitswesen sorgen derzeit für Diskussionen auf Twitter und Facebook.

Union und SPD hatten in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, sich für ein Rx-Versandverbot stark zu machen, um die Apotheken vor Ort zu unterstützen. Die SPD hatte zumindest in diesem Punkt dem Willen der Union nachgeben müssen. Sollte es nach einem Mitgliedervotum der Sozialdemokraten zu einer Großen Koalition kommen, könnte das Rx-Versandverbot zu einer der umstrittensten gesundheitspolitischen Vorhaben von Union und SPD in dieser Legislaturperiode werden. Das zeigt eine Internet-Debatte, die der noch amtierende Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) derzeit auf Twitter und Facebook losgetreten hat.

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Konkret hat Gröhe kleine PR-Poster entwerfen lassen, auf denen jeweils eine gesundheitspolitische Forderung der Union – die vor der Wahl gestellt wurde – mit den Formulierungen im Koalitionsvertrag vergleicht. Mit Blick auf den Apothekenmarkt teilt Gröhe auf Twitter mit: „Zur Stärkung der Apotheken vor Ort haben wir in den Koalitionsverhandlungen das durchgesetzt, was wir in unserem Wahlprogramm versprochen haben!“ Auf dem Poster sieht man den Slogan „Versprochen. Durchgesetzt.“ Sowie die beiden Formulierungen zum Versandverbot, die sich nur gering voneinander unterscheiden. Im CDU-Wahlprogramm hatte es geheißen, dass man ein „ortsnahes Apothekenangebot“ mit dem Verbot sichern will. Im Koalitionsvertrag heißt es, dass sich Union und SPD dafür „einsetzen“ wollen.

Einige Internetnutzer reagierten verärgert über das Posting. Ein Twitter-User erklärte dazu beispielsweise: „Denn wenn man eines aus der jüngeren Geschichte lernt, ist das, dass sich ausnahmslose Verbote im Bereich der Digitalisierung richtig gut machen.“ Ein anderer kommentierte: „Eine planwirtschaftliche Forderung wird als Erfolg der Koalitionsverhandlungen gefeiert. Schamlos.“

Und auch prominente Gegner des Rx-Versandverbotes melden sich zu Wort. Ein Nutzer wirft in den Raum: „Wer sich immer noch fragt, warum es eine/n Digitalminister/in braucht? Weil jemand seinen Kollegen am Kabinettstisch energisch widersprechen muss, wenn sie mal wieder solch einen Unsinn planen." Daraufhin meldet sich die amtierende Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) zu Wort und schreibt: „Das habe ich nun wirklich getan...“ Zypries hat in der vergangenen Legislaturperiode mehrfach erklärt, dass sie den Versandhandel begrüße. Sie war gegen das Rx-Versandverbot und besuchte als erste Wirtschaftsministerin die DocMorris-Zentrale in den Niederlanden.

Gröhe: Anstellung im Apothekerverband?

Auf Facebook ist die Reaktion auf das Gröhe-Posting ebenfalls größtenteils negativ. Bislang haben nur wenige User das Verbot begrüßt, einer hat es als „richtigen Schritt“ bezeichnet, woraufhin sich gleich eine heftige Kritikwelle entwickelte. Unter anderem heißt es von einem Nutzer: „Selten so ein Blödsinn gelesen, wir brauchen in diesem Bereich dringendst einen ordentlichen Wettbewerb. Sonst zwingen uns die stationären Apotheken ihre überzogene Preise auf.“ Eine andere Diskussionsteilnehmerin führt an: „Lieber Herr Gröhe, haben Sie schon mal einen Kinderwagen in einen Bus gebuckelt??? Vielleicht noch Zwillinge? Und 3x umsteigen? Meine Güte, wie fern vom 'normalen' Leben ...“ Ähnlich heißt es in einem anderen Kommentar: „Was ist eigentlich mit Leuten, die aufgrund von Gebrechen, Wohnort und ausgedünntem sozialen Netz nur mit Mühe zur Apotheke kommen?“

Auch vom Hinweis eines Diskutanten auf die Apotheken-Botendienste lässt sich die Facebook-Gemeinde nicht überzeugen. Gegen den Vorwurf, dass mit dem Gesetz die Apothekerlobby gesiegt habe, wehrt sich ein Nutzer: „Es gibt in Deutschland eine Pharmalobby und eine Krankenkassenlobby, aber ganz gewiss keine Apothekenlobby ; das weiß, wer die Einschnitte der Apotheken über die letzten 15 Jahre verfolgt hat! Hier hat endlich mal die Vernunft gesiegt!“ Aber auch das scheint die Kritiker nicht zu überzeugen – ein Kommentator schreibt sogar davon, dass Gröhe „Anschlussverwendung im Apothekerverband“ finden könne.

Doch damit noch nicht genug. Gröhe erntet in den gleichen Netzwerken derzeit heftige Kritik für ein anderes Werbe-Posting, das sich um die Digitalisierung im Gesundheitswesen dreht. Hier hieß es im CDU-Wahlprogramm, dass man die „Möglichkeiten der Digitalisierung (…) entschlossen nutzen“ werde. Im Koalitionsvertrag heißt es etwas konkreter, dass man die Telematikinfratstruktur weiter ausbauen möchte und eine elektronische Patientenakte noch in dieser Legislaturperiode einführen möchte.

(Foto: Gröhe / CDU)

Auch darauf sind die Reaktionen der Nutzer größtenteils kritisch. Die Krankenkasse Siemens BKK postet beispielsweise auf Twitter: „Infrastruktur weiter ausbauen – das hört sich nicht nach Entschlossenheit an, sondern nach einem ‚Weiter so‘. Wir wünschen uns zeitnah echte Ergebnisse für unsere Versicherten. EPA ist nur der Anfang.“ Ein weiterer Nutzer weist daraufhin, dass eine ähnliche Aussage schon im letzten Koalitionsvertrag aufgeführt gewesen sei. Oftmals sind die Diskutanten aber auch nicht gerade gut informiert, wie ein Kommentar zum Apothekenmarkt zeigt: „Ist es wirklich Digitalisierung in Gesundheitswesen, wenn wir Online-Apotheken wieder verbieten? Ist meines Erachtens ein abstruser Weg zurück in die digitale Steinzeit. Und was ist mit älteren Leuten auf dem Land, die es schon heute zu weit bis zur nächsten Apotheke haben?“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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3 Kommentare

Aufklärung tut not

von Apotheker am 14.02.2018 um 18:45 Uhr

Aufklärung tut not. Was auf Twitter zu lesen ist, ist Stammtisch-Gefasel.
Fakten, warum ein Versandverbot notwendig ist sollten erläutert werden. In einfachen Worten, dann verstehen es vermutlich die Meisten. Vielleicht auch Frau Asche-Schulz und Frau Zypries. Und auch in den Twitter-Kommentaren kommt das Geblödel "Digitalisierung" vor. Nichts am Versand ist digital. Auch das sollte man mal erläutern. Und letztlich kommt immer das Argument Geld. Auch hier wird nichts teurer oder billiger. Im Übrigen zahlen die Kassen die Medikamente und der "CashBack" ist ein Rechtsbruch.
Was finden die Leute gut daran die heimische Wirtschaft zu zerstören, ausländischen Kapitalgesellschaften ihr Geld in den Rachen zu werfen und am Ende nichts davon zu haben. Abgesehen davon, dass der Staat Steuern verliert und auf dem Transportweg so einiges mit den Medikamenten passieren kann (Lager-Temperatur)

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AW: Aufklärung tut not

von Heiko Barz am 17.02.2018 um 12:50 Uhr

Wir schreiben das Jahr 14 nach Abschluß der ominösen "Rabattverträge" aus 2004. es ist mehr als deutlich geworden, dass die KKassen über diese vielen Jahre nicht in der Lage waren, ( aus bestimmten Gründen auch nicht wollten, denn so konnte der Apotheker als "schwarzer Peter" immer als Preis Provokateur gegenwehrlos vorgeführt werden) ihre Versicherten von den Tatsachen der Verträgen grundsätzlich in ihren Gazetten zu informieren.
In diesen Tagen informierten einige Dritte Programme über die tatsächlichen Zuzahlungskriterien der Patienten.
Erschreckend war dabei auch nach diesen vielen Jahren die breite Unkenntnis der Befragten, die eben eine Apotheke verlassen hatten. Auch was die "Rabattverträge" eigentlich zu bedeuten haben, war den Meisten unbekannt. Diesen Zustand zu erhalten, scheint die oberste Maxime der KKassen und der meisten Medien zu sein.
Es ist nun ein desaströses Fehlverhalten unserer Verbände, diesen doch offensichtlichen apothekerfeindlichen Medien aufklärungstechnisch entgegenzutreten.
Das grundsätzliche Problem dabei ist nur, dass sich diese Medien in ihrer festgefahrenen Apothekenabneigung argumentativ verschlossen haben.
Das ewig gleiche Statement : Die Politik ist wieder einmal vor der "Apothekenlobby" eingebrochen. Ich frag mich immer: Welche Lobby?
Es ist der totale Schwachsinn!!

AfD

von Landapotheker am 14.02.2018 um 18:30 Uhr

Interessant ist der Post der MdB Joana Cotar der AfD.
Die hier gegen eine vermeintliche Apothekerlobby und für DocMorris spricht !!
Die AfD erscheint auch nicht trotz Nachfrage zum Apothekertag ?
Hier war doch mal ein Kollege Witzmann ? AfD aktiv. Wie passt das zusammen ?

Ansonsten nur Kollegen, Anwälte, MaxMüller und die DocMorris Sockenpuppenbrigade .

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