WHO-Warnung

Geringe Impfbereitschaft bei Grippe gefährdet Menschen bei Pandemie

Stuttgart - 09.02.2018, 13:10 Uhr

Die Impfmüdigkeit bei der Grippeimpfung könnte bei einer Pandemie fatale Folgen haben. (Foto: imago)

Die Impfmüdigkeit bei der Grippeimpfung könnte bei einer Pandemie fatale Folgen haben. (Foto: imago)


Es hapert beim Impfschutz, und zwar bei dem der Grippe. Trotz intensiver Kampagnen nimmt die Impfrate seit Jahren ab. Jetzt äußert die Weltgesundheitsorganisation WHO Sorgen: Die geringe Impfbereitschaft gefährde im Falle einer Pandemie die Bevölkerung. Wo rangieren die Deutschen bei der Grippeimpfung? Eines ist klar: Aufs olympische Impf-Treppchen schaffen sie es nicht.

„Impfungen sind die wirksamste Maßnahme zur Verhinderung schwerer Krankheitsverläufe bei Influenza“, schreibt die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Dennoch nehmen laut der WHO nur wenige Menschen diesen Grippeschutz in Anspruch. Dieser Trend kristallisiert sich nicht erst seit der vergangenen Grippesaison 2015/16 heraus: Bereits seit sieben Jahren verzeichnet die Weltgesundheitsorganisation rückläufige Impfquoten bei den Risikogruppen. Die Folgen zeigen sich nach Ansicht der WHO bereits: In der aktuellen Grippesaison 2017/18 meldeten einige europäische Länder eine massive Zunahme schwerer Grippefälle, darüber hinaus beobachteten sie ein erhöhte Mortalität vor allem bei älteren Menschen.

Mehr zur aktuellen Grippesaison 2017/18

Influenzasaison 2017/18

Wirkt die aktuelle Grippeimpfung?

Die beiden Organisationen warnen, dass die geringe Bereitschaft zur saisonalen Influenza-Impfung im Falle einer Pandemie den Schutz der Bevölkerung gefährde. Zusätzlich könne sich eine stark rückläufige Nachfrage bei Grippeimpfstoffen negativ auf die weltweiten Produktionskapazitäten auswirken, sodass im tatsächlichen Pandemie-Fall nicht ausreichend Grippeimpfstoff verfügbar sei. Diese Bedenken äußern Wissenschaftler, die im Auftrag des WHO-Regionalbüros für Europa und des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) die Impfaktivität der vergangenen Grippesaisons auswerteten.

EU-Vorgabe 75 Prozent Durchimpfung 

Wie schlimm steht es um die Impfmüdigkeit tatsächlich? In einer aufwendigen Untersuchung haben das WHO-Regionalbüro und das ECDC die Grippesaisons beginnend mit 2008/09 bis einschließlich 2014/15 analysiert.

EU-weit steht der Plan, bei  älteren Patienten und Risikogruppen eine Durchimpfung von 75 Prozent zu erreichen. Bei anderen Risikogruppen – Schwangere oder medizinisches Personal – regeln die einzelnen europäischen Länder ihre Empfehlungen nicht einheitlich. Nur knapp die Hälfte aller Länder spricht sich für eine Impfung von Kleinkindern aus, Deutschland gehört hier auch dazu.

Wer lässt sich nicht gegen Grippe impfen?

Sowohl für ältere Menschen, wie auch für chronisch Kranke lag die Durchimpfung in den meisten Ländern unter 40 Prozent. Beim medizinischen Personal sieht es nicht besser aus: 40 Prozent. Erschreckenderweise sind diese schon recht mageren Impfquoten jedoch noch die Elite bei den Durchimpfungen: Obwohl mittlerweile 90 Prozent der Europäischen Region auch Schwangeren Grippeimpfungen empfehlen, ließen sich im betrachteten Zeitraum von sieben Jahren durchschnittlich gerad einmal 10 Prozent der schwangeren Frauen gegen Grippe schützen.

In welchen europäischen Ländern sind die Impflücken am heftigsten? Wo rangiert Deutschland?

Nur Schottland erreicht EU-Ziel bei Grippeimpfung

Nur ein einziges Land erreichte in der Grippesaison 2014/15 die 2010 von der EU festgelegten Impfziele, eine Durchimpfung von 75 Prozent bei über 65-Jährigen: Schottland, Weißrußland, Nordirland, England und Wales kratzen zumindest am zu erreichenden Horizont. Von den 36 europäischen Ländern, die Impfdaten zur Verfügung stellten, liegt Deutschland mit knapp 40 Prozent Durchimpfung im Impfranking auf Platz 17 – hinter Spanien und Portugal, Italien und Frankreich. Der Impftrend für die Bundesrepublik stimmt nicht gerade hoffnungsfroh: Ließen sich 2008/09 noch 59 Prozent der über 60-jährigen Senioren gegen Influenza schützen, waren es 2014/15 nur noch 37 Prozent.

Laut Epidemiologischem Bulletin des Robert-Koch-Instituts lag in der vergangen Saison 2016/17 die Impfquote bundesweit bei 34,8 Prozent. Sie zeigt jedoch eine breite Diskrepanz zwischen den einzelnen Ländern (19,9 Prozent in Baden-Württemberg; 55,2 Prozent in Sachsen-Anhalt). Für die aktuelle Grippesaison hat das RKI bislang keine Impfdaten veröffentlicht.

Die Impfbereitschaft unter medizinischem Personal hat sich hingegen in den Grippesaisons 2007/08 von 20 Prozent auf 26 Prozent in den Jahren 2010/11 positiv in Deutschland entwickelt.

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Gründe für die Impfnachlässigkeit

Als Gründe, warum die Europäer die Grippeimpfung so wenig nutzen, nennen die ECDC und das WHO Regionalbüro Europa ein „mangelndes Vertrauen in Impfstoffe und Gesundheitsbehörden bis zu fehlenden Empfehlungen der Gesundheitsfachkräfte oder zugangsbedingte Barrieren“. Teilweise könnten auch die Kosten, wenn Patienten die Impfung selbst bezahlen müssen, sie am Impfen hindern.

Außerdem schätzt die WHO – gerade für ärmere europäische Länder – dass Influenza nicht als vorrangige schwere Erkrankung eingestuft werde und so auch die Impfstoffbeschaffung unzureichend sei.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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5 Kommentare

Durchimpfung 75%

von Argay Karoly, Apotheker am 13.02.2018 um 11:41 Uhr

Ich frage mich schon immer, wie die WHO bzw. die Gesundheitsämter auf die wirksamen Durchimpfungsraten kommen, als Beispiel von erwünschten 75% bei der Grippeimpfung. Wie werden diese Daten ermittelt? Wurde jemals untersucht, was für eine Auswirkung diese 75% Durchimpfungsrate hätte? Schottland hatte diese Rate im Jahr 2014/2015. Hat es dadurch weniger Grippefälle bzw. Todesfälle gegeben (im Vergleich zu anderen Länder)? Sind andere Todesarten dafür gestiegen? Und ist es nicht so, dass die Impfungen praktisch als einziges Medikament zur Wirksamkeit keine wie immer gearteten Studien brauchen? Ein erreichter Titter im Blut genügt als Wirksamkeitsnachweis. Die Frage ist: reicht ein erreichter Titter als Schutz in der Praxis? Wie die Impfung gegen Hepatitis B zeigt, keinesfalls. Menschen erkranken trotz erreichtem Titter an dieser Krankheit. Ausserdem schützt sogar eine Durchimpfungsrate von 99% (Beispiel China mit Zwangsimpfung gegen z.B. Masern) nicht gegen Pandemien, wie die Praxis zeigt. Also, woher nehmen die WHO und die Gesundheitsämter diese Zahlen für die Durchimpfung? Studien? Untersuchungen?
K. Argay, Apotheker

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Grippeschutzimpfung

von Bibaer am 12.02.2018 um 18:51 Uhr

Ich habe mich im Oktober impfen lassen und bin vor 10 Tagen erkrankt und immer noch nicht fit. Mein Mann und ich arbeiten im Gesundheitswesen und dort habe ich mich wahrscheinlich angesteckt. Bishwr habebich den Impfstoff immer vertragen. Mein Mann war nach der Impfung immer sehr krank. Dieses Jahr hat er sich nicht impfen lassen, weil er ständig erkältet war und lag über Weihnachten flach. Die Chance, dass die Impfung hilft ist 50/50. Es kann einen mit und ohne Impfschutz erwischen. Das trägt sicher nicht dazu bei die Impfrate zu erhöhen. Ich bin wahrlich ein Impf-Befürworter, aber gute Manieren bei der (Hände) Hygiene sollten den Menschen noch dringender nahegelegt werden!

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Pflicht sich selbst und eigener Umgebung gegenüber

von Dr. S. Jensen am 12.02.2018 um 10:29 Uhr

Zur Grippeimpfung, paar Fakten: man muss (1) zum Zeitpunkt der Impfung und (2) nächsten 3 Wochen gesund bleiben (in kommenden 3 Wochen baut sich die Immunität, anhand der Impfung). Falls man in diesen ersten kritischen 3 Wochen angesteckt wird, ist das klinische Bild stärker und man ist nicht mehr geschützt; nach der Genesung muss man die Impfung wiederholen.

Des Weiteren:
Gut, dass dies veröffentlicht wird. Spätestens wenn die Arbeitgeber anfangen, gestützt auf die vorhandenen Epidemiegesetzen, sowohl in der Schweiz, als auch in Deutschland, konsequent die Anstellung den Mitarbeitern von der Impfung abhängig zu machen und Impfpflicht konsequent umzusetzen, wird sich die Lage ändern. So weit findet dies nur in einigen Spitälern statt und sorgt für heftige Debatten...

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Grippe Impfmüdigkeit

von Schneidi am 12.02.2018 um 10:16 Uhr

Erst gestern wieder, und das war nicht das erste Mal, dass ich davon hörte, erzählte mir eine Bekannte von einem Fall einer Grippeerkrankung eines Jungen trotz erhaltener Grippeimfung.

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Grippe-Impfmüdigkeit

von Baron am 12.02.2018 um 10:05 Uhr

Wenn es so pressiert, dann aber bitte auch tetravalente Impfstoffe in der GKV bezahlen! Ich kenne einige, die nach der diesjährigen Posse, bei der der wirklich wirksame Stoff wegen Kostenbedenken nicht erstattet wurde, in Ihrer Ablehnung der Grippeimpfung bestärkt worden sind.

Grundsätzlich befürworte ich das Impfen.

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