„Zeit Campus“

Apotheker-Ärzte-Streit um die Pille danach lebt wieder auf

Stuttgart - 08.02.2018, 14:30 Uhr

Seit März 2015 rezeptfrei in Deutschland: Die Pille danach mit Levonorgestrel oder Ulipristalacetat. (Foto: imago)

Seit März 2015 rezeptfrei in Deutschland: Die Pille danach mit Levonorgestrel oder Ulipristalacetat. (Foto: imago)


„20 Euro. Danke. Wiedersehen“ – läuft es so in deutschen Apotheken bei der Abgabe der Pille danach? Laut dem Magazin „Zeit Campus“ offenbar schon. Der alt bekannte Vorwurf vieler Gynäkologen blüht im Zeit-Feature wieder auf: Apotheker missachteten ihre Beratungspflicht bei der Abgabe der Pille danach. Nur: Welche Frau schwört auf ihren regelmäßigen Zyklus – und riskiert eine ungewollte Schwangerschaft?

Die Pille danach: Unterlag sie bis März 2015 der ärztlichen Verschreibungspflicht, können Frauen – oder auch die beteiligten Männer – das Hormonpräparat seit knapp drei Jahren auch rezeptfrei in der Apotheke kaufen. Seither ist der Absatz der postkoitalen Rescue-Pille gestiegen. Um ein Resumé zu ziehen, ist es wohl etwas früh. Trotzdem stehen viele Fragen nach wie vor im Raum: Nehmen Frauen die Pille danach zu leichtfertig ein? Nutzen sie den niederschwelligen Zugang aus oder sind sie dankbar dafür? Geben Apotheker die Pille danach leichtfertiger ab, als Gynäkologen sie verordnen – und beraten auch weniger zu dem Arzneimittel als ihre ärztlichen Kollegen?

Mit diesem Vorwurf konfrontiert der Berufsverband der Frauenärzte (BVF) die Apotheker seit Entlassung der Pille danach aus der Rezeptpflicht: Apotheker missachteten ihre Beratungspflicht bei der Abgabe der Pille danach. Das Magazin „Zeit Campus“ hat jüngst ein Pille-Danach-Apotheken-Szenario anhand der 21-jährigen Lea gefeatured: „20 Euro. Danke. Wiedersehen“ – lautete die Schlagzeile. In dem Beitrag fragte der Apotheker lediglich, wie lange der ungeschützte Geschlechtsverkehr zurückliege, dann war die Beratung erledigt. Solch ein Szenario ist natürlich Wasser auf die Mühlen des BVF, der dies nicht unkommentiert ließ.

Wie genau wünschen Frauen eine Beratung bei der Pille danach?

Der Vorwurf: „Somit ist die Beratung in der Apotheke nicht nur fachlich ungenügend, sondern führt sicherlich öfter zu unnötiger Abgabe der Pille danach beziehungsweise in anderen Fällen zu einer Unterversorgung“, sagt Christian Albring, Präsident des BVF. Der Apotheker hätte also beispielsweise nach dem aktuellen Zyklus-Stand fragen müssen.

Erfahrungsgemäß empfindet ein Gros der Patientinnen den Gang zur Pille danach eher als „walk-of-shame“ und möchte es eher schnell, ohne große Worte, einfach hinter sich haben. Das entbindet keinesfalls von der Beratungspflicht, und es entschuldigt auch nicht, dass die Apotheke im Zeit-Beitrag wohl nicht nach dem Zyklus-Stand gefragt hat oder nach zusätzlichen Arzneimitteln, die mit Levonorgestrel oder Ulipristalacetat wechselwirken. Und dann ist das mit dem Zyklus so eine Sache.

Das kleine 1 x 1 des weiblichen Zyklus

Der Zyklus beginnt mit dem ersten Tag der Blutung, er endet einen Tag, bevor die nächste Blutung wieder einsetzt. Die Länge eines Zyklus unterscheidet sich individuell, und zwar interindividuell und intraindividuell. Der weibliche Zyklus schwankt also nicht nur von Frau zu Frau, sondern auch innerhalb der gleichen Frau. Im Durchschnitt dauert ein Zyklus 28 Tage, schwankt jedoch zwischen 21 und 35 Tagen. Die größte Varianz zeigt sich in der Zeit vor dem Eisprung, während nach dem Eisprung und der nächsten Blutung 14 Tage (12 bis 16 ) liegen. Somit hat eine Frau mit regelmäßig sehr kurzem Zyklus von 21 Tagen, unter Umständen ihren Eisprung bereits zwischen Tag 5 und 9 des Zyklus – das heißt, sie hat unter Umständen sogar noch ihre aktuelle Blutung, wenn bereits das nächste Ei springt und zur Befruchtung bereit steht.

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Nicht alle Ärzte sind Weltmeister bei Wechselwirkungen

Doch die Apotheker bekommen beim Zeit-Pille-danach-Feature auch Unterstützung. Petra Thürmann, Direktorin des Philipp-Klee-Instituts für klinische Pharmakologie am Helios Klinikum Wuppertal, kritisiert zwar auch die fehlende Information des Apothekers zu Wechselwirkungen und Nebenwirkungen bei der Einnahme von Levonorgestrel oder Ulipristalacetat. Doch auch die bloße Existenz einer ärztlichen Approbation gewährleistet wohl eine fundierte Arzneimittelberatung auch nicht. „Woher wissen wir denn, dass die Patientin nicht vielleicht einfach in der Sprechstunde ein Rezept am Tresen rübergeschoben bekommt? Und auch bei der Aufklärung über Wirkung und Nebenwirkung des Präparats sind schließlich nicht alle Ärzte Weltmeister," sagt Thürmann in Zeit Campus.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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