Gepanschte Krebsmittel?

Verteidigung will Zyto-Prozess neu aufrollen

Essen - 06.02.2018, 07:00 Uhr

Die Verteidigung will den Prozess gegen den Bottroper Zyto-Apotheker komplett neu aufrollen, weil Journalisten Teile der Ermittlungsakte im Internet veröfentlicht hatten. (Foto: hfd)

Die Verteidigung will den Prozess gegen den Bottroper Zyto-Apotheker komplett neu aufrollen, weil Journalisten Teile der Ermittlungsakte im Internet veröfentlicht hatten. (Foto: hfd)


Nur ein Zeuge musste aussagen

Anschließend kam es gleich zur nächsten Überraschung: Eigentlich sollte ein Finanzermittler verhört werden, doch kritisierten Nebenklagevertreter, dass sie nicht ausreichend Zeit zur Einsichtnahme in Unterlagen gehabt hätten. Einen Antrag auf Unterbrechung der Hauptverhandlung wies der Vorsitzende Richter zwar zurück, doch entließ er den Finanzbeamten ohne Vernehmung: Er soll zu einem späteren Termin gehört werden.

Auch die nächste Zeugenvernehmung war schnell beendet: Geladen war eine 48-jährige PTA. Das sie im früheren Zyto-Labor von Peter S. gearbeitet haben soll, räumte Richter Hidding ihr ein umfassendes Aussageverweigerungsrecht ein – da sie sich durch ihre Aussage womöglich selbst belasten könnte. Hiervon machte die PTA daraufhin Gebrauch, während Nebenklagevertreter das Vorgehend von Hidding beanstandeten.

Der anschließend geladene Anfang-40-jährige Apotheker Henrik M. wurde von Hidding hingegen zur Aussage verpflichtet, da seine Mitarbeit im Zyto-Labor außerhalb der Verjährungszeit liegt. Der sichtlich nervöse promovierte Pharmazeut erklärte, dass er nach seiner Tätigkeit in einer Apothekerkammer gerne praktische Erfahrungen sammeln wollte und so im Jahr 2011 ins Gespräch mit Peter S. gekommen sei. Dieser habe ihm verschiedenste Aufgabenfelder in Aussicht gestellt – so die Leitung des Zyto-Labors oder auch die Gründung einer Filialapotheke. „Deswegen bin ich dorthin gewechselt“, erklärte der Zeuge.

„Viele der Dinge“ habe S. aber nicht realisiert, erklärte M. Er habe anders als vorab suggeriert auch keinen Kontakt zu Ärzten gehabt. „Ich habe dann in dem Labor hergestellt wie auch die pharmazeutisch-technischen Angestellten“, erklärte der Apotheke: Im Labor seien täglich 100 bis 150 Zytostatika hergestellt worden, was rund 90 Prozent seiner Arbeitszeit ausgemacht hab – inklusive der Kontrolle von Therapieschemata und dem Bedrucken von Herstellanweisungen auf Etiketten.

6000 Euro brutto für den angestellten Apotheker

Zur Warenwirtschaft habe er keinen Zugang gehabt und sei auch über „Verbräuche des Lagers“ nicht informiert gewesen, erklärte M., der über eine „hohe Intransparenz“ in der Zyto-Apotheke sprach. „Das ist kein guter Arbeitsplatz für mich“, erklärte er seine Motivation, am Ende der Probezeit von einem Tag auf den anderen seine Vollzeitstelle beendete – für die er 6000 Euro brutto erhielt. Doch habe sich „wirklich gar nichts“ in seinem Sinne getan, erklärte der Apotheker, der auch über mangelnde Einweisungen und fehlende Schulungen sprach.

Hidding frage, ob im Labor immer nach dem vier-Augen-Prinzip hergestellt wurde. „Soweit wie es nur irgendwie ging“, erklärte M. – bei Krankheitsfällen sei es vielleicht zu Abstrichen gekommen. Mit S. habe er selbst nie zusammen hergestellt, auch habe er ihn nie herstellen sehen. Er habe wie auch seine Kollegen die nötige Schutzkleidung getragen. Doch kritisierte er vor Gericht einen „Mangel an Datenintegrität“, da nicht alle Schritte nachvollziehbar dokumentiert worden seien: So hätten die Kollegen nicht mit Unterschriften auf den Etiketten die Herstellung dokumentiert.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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