Bundesgesundheitsministerium

Cannabis: Nutzen und Risiken

Berlin - 30.01.2018, 11:45 Uhr

in der CaPRis-Studie des Bundesgesundheitsministeriums geht es sowohl um die Risiken als auch um den medizinischen Nutzen von Cannabis. (Bild: eight8 / stock.adobe.com)

in der CaPRis-Studie des Bundesgesundheitsministeriums geht es sowohl um die Risiken als auch um den medizinischen Nutzen von Cannabis. (Bild: eight8 / stock.adobe.com)


Das Bundesministerium für Gesundheit hat eine Auswertung von über 2000 wissenschaftlichen Publikationen zu Cannabis veröffentlicht. Die Autoren beleuchten darin sowohl die Risiken des Marihuana-Freizeitgebrauchs als auch das klinische Potenzial von Cannabis als Medikament. Nach diesem Review sind die antiemetischen und analgetischen Wirkungen von Medizinal-Hanf am besten belegt.

Über 2000 wissenschaftliche Cannabis-Publikationen haben Experten unter Projektleitung der Ludwig Maximilian Universität München im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums ausgewertet. Die Ergebnisse wurde bereits im vergangenen November vom BMG veröffentlicht: Der Review „Cannabis: Potenzial und Risiken. Eine wissenschaftliche Analyse“ (CaPRis) gliedert sich in zwei Teile: Im ersten Teil stehen die Risiken der Freizeitanwendung von Marihuana im Vordergrund. Der zweite Teil widmet sich der Evidenz zu den verschiedenen Anwendungsgebieten von medizinischem Cannabis.

Die Autoren schlossen in ihren Review kontrollierte Vergleichsstudien, Metaanalysen, Fallberichte und Kohortenstudien der letzten zehn Jahre ein. Das heterogene Datenmaterial umfasste nicht nur Publikationen zu Cannabis-Blüten, sondern auch zu Fertigarzneimitteln aus Cannabisextrakten sowie zu synthetischen Derivaten. Die Zusammenfassung der medizinischen Evidenz könnte aus Sicht der Autoren eine Grundlage für Behandlungsempfehlungen medizinischer Fachgesellschaften bilden.

Risiken für Minderjährige

Im ersten Teil stehen die Auswirkungen des freizeitmäßigen Cannabiskonsums auf die Kognition, Fahrsicherheit, soziale Entwicklung, Psyche und die Organe im Vordergrund. Dabei differenzieren die Autoren zwischen den akuten Folgen des kurzfristigen Konsums und den langfristigen Konsequenzen des chronischen Gebrauchs.

Die Studie zeigt eindeutig, dass Kiffen kurzfristig die Psychomotorik, Gedächtnisleistung und Aufmerksamkeit einschränkt. Für den regelmäßigen Cannabis-Konsum sind die Ergebnisse bezüglich der kognitiven Auswirkungen inkonsistent und scheinen reversibel zu sein. Auch bezüglich der organischen Folgen gibt es Unterschiede zwischen kurzfristigem Kiffen und Dauergebrauch. So bewirkt die Cannabisinhalation eine akute Steigerung des Blutdrucks, der Pulsfrequenz und eine Erweiterung der Blutgefäße. Die vorliegende Evidenz erlaubt jedoch keine eindeutigen Rückschlüsse, ob chronischer Cannabiskonsum Herzinfarkte, Vorhofflimmern oder weitere kardiovaskuläre Ereignisse auslösen kann.

Was die psychosozialen Folgen des Kiffens im Jugendalter angeht, dazu ist die Datenlage wiederum eindeutig. Ein Einstieg in den Cannabiskonsum vor dem 15. Lebensjahr ist mit geringem Bildungserfolg assoziiert. Auch das Risiko für psychische Störungen wie Depression und Angststörungen ist bei jugendlichen Konsumenten genauso wie bei Erwachsenen erhöht. Bemerkenswert ist zudem, dass zusätzlicher Alkohol- und Tabakkonsum die in den Daten beschriebenen schädlichen Effekte in einigen Fällen verstärken kann.

Antiemetische und analgetische Wirkung am besten belegt

Neben den Risiken der Freizeitanwendung gibt die Studie auch Aufschluss über die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Cannabis-Arzneimitteln bei chronischen Schmerzen, Spasitzität, Übelkeit, gastrointestinalen und neurologischen Erkrankungen. Da nicht zu allen Anwendungsgebieten randomisiert-kontrollierte Studien oder konsistente Daten vorliegen, waren nicht zu allen Indikationen eindeutige Schlussfolgerungen möglich.

Die Evidenz zu der antiemetischen Wirkung von Cannabisarzneien ist relativ eindeutig. Cannabis-basierte Arzneimittel wie Nabilon oder Dronabinol können das Erbrechen im Rahmen von Chemotherapien signifikant besser als Placebo verhindern. Ihre antiemetische Wirkung zeigt sich in einer kontrollierten Vergleichsstudie vergleichbar zu der von Ondansetron. Dronabinol und Cannabiszigaretten haben bei palliativen HIV und Krebspatienten mit Kachexie einen gewichtssteigernden Effekt.

Bei chronischen Schmerzen zeigen Cannabisarzneimittel im Mittel eine Schmerzreduktion um 30 Prozent gegenüber Placebo. Da Placebo bekanntlich ebenfalls eine analgetische Wirkung entfaltet, ist die zusätzliche Schmerzlinderung durch Cannabis für die Lebensqualität von Chronikern durchaus therapierelevant. Bezüglich der Spastizität bei Multipler Sklerose oder Rückenmarksverletzungen zeigt sich die Datenlage insgesamt zwar inkonsistent, jedoch gibt es Berichte über eine subjektiv empfundene Besserung der Beschwerden.

Bezüglich der anderen Indikationen ist die vorliegende Datenlage ebenfalls nicht eindeutig. Die Behandlung mit Cannabidiol zeigt eine partielle Symptomreduktion bei therapieresistenten Epilepsie-Formen. Eine Untersuchung zur Begleittherapie mit Nabilon bei Parkinson-bedingten Bewegungsstörungen weist auf eine Verbesserung der Dyskinesien hin, jedoch können andere Studien diesen Effekt wiederum nicht bestätigen. Beim Glaukom existiert eine Studie, welche eine Senkung des Augeninnendrucks durch ein cannabis-basiertes Arzneimittel beschreibt.

Die Autoren merken in ihrer Schlussfolgerung an, dass die vorhandene, heterogene und teilweise inkonsistente Datenlage zur medizinischen Cannabisanwendung für einige Indikationen noch keine eindeutigen Aussagen zulässt. Sie empfehlen daher in ihrem Fazit, weitere Datenerhebungen, insbesondere Verum-kontrollierte Vergleichsstudien, durchzuführen.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Unglaublich

von Samuel Lechner am 31.01.2018 um 12:10 Uhr

"Bemerkenswert ist zudem, dass zusätzlicher Alkohol- und Tabakkonsum die in den Daten beschriebenen schädlichen Effekte in einigen Fällen verstärken kann."
Eben genau das ist es nicht.
Man bekommt das Ergebnis das mann möchte...
Alles positiv ist nicht konstant nachweisbar,deshalb vorsicht.
Hätte man das bei Tabak und Alkohol genauso gemacht.....

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Zeitraum der einbezogenen Studien

von Hans am 30.01.2018 um 17:06 Uhr

Ich frage mich warum der Zeitraum auf die letzten 10 Jahre begrenzt wurde. Kann es sein dass in den letzten 10 Jahren eher Studien geführt wurden, die die Risiken und nagativen Seiten des Freizeitgebrauchs unterlegen sollten? Wo es doch schon Studien aus den 50er Jahren gibt... Schliesslich gibt es ja auch bestreben der Pharmaindustrie, sich das THC + CBD in verschiedenster Form als Medikament anzueignen, bzw. abzuändern, um es dann überteuert an den Patienten abzugeben. Kleines Beispiel: Während das THC in Dronabinol den Patienten 88€ kosten, wäre die gleiche Menge THC in Blütenform, damals eig. etwas um die 6,50€ . Nach diesem seltsamen Gesetz seit letztem März, hat sich der Preis teilweise vervierfacht. Apothekerfreund Gröhe, hat mal wieder zugeschlagen :) Obendrein kommt diese Münchner Studien Zusammenfassung der letzten 10 Jahre, gefühlt zu einem Zeitpunkt in dem man für Evidenzbasierte Medizin wie Dronabinol Werbung machen möchte. Das Gesetz ist m.E. sowieso darauf ausgelegt, dass Ärzte eher Fertigarzneien verschreiben , als Blüten. Regress, preisanstieg usw. Appropo Blüten: Wer auch immer auf die geniale Idee kam, diese für 100% Aufschlag zerkleinern zu lassen, gehört gefeuert. Denn eig. sollte dieser Mensch wissen, dass dadurch wichtige inhaltsstoffe verloren gehen, bzw. dies die Qualität der eigentlichen Medizin, stark mindert. Je größer die Menge die zerkleinert wurde, desto länger die Lagerung, was sich dann nochmals negativ auf Qualität auswirkt. Feinwaage, Kräutermühle mit 2mm Sieb, kann sich jeder Patient zulegen. Für etwa 20€. KEIN Grund unnötig den Preis zu verdoppeln, bzw. zu vervierfachen. Das Gesetzt ist bewusst schlecht ausgearbeitet und keinsesfalls zum Wohl der Patienten gedacht. Eher zur Gewinnmaximierung der Pharmaindustrie. Die beste Frage aber ist, Warum ist Dronabinol so teuer? und noch Interessanter, warum wurde erst 2015, unter Gröhe die Zulassung beantragt? Obwohl es doch schon um die 20 Jahre Patentiert ist... Und warum will Bionorica (NUR) Dronabinol herstellen und keine Blüten? Wo der Herr Popp doch schon seit Jahren daran forscht? Gerade Er müsste doch wissen, dass es auch Inhalatoren gibt. Und wie der Inhalierte Dampf wirkt... wie schnell, wie lange. usw. Und statt dass er sich bei der Ausschreibung zum Anbau bewirbt, um den Patienten in Deutschland Linderung zu verschaffen, macht er plötzlich einen Rückzieher. Scheint wohl im Vergleich zu Dronabinol keine so gute Verdienstmöglichkeit zu sein. http://alternative-drogenpolitik.de/2016/11/12/preis-fuer-100-mg-thc-je-nach-produkt/ Tja, da hat Herr Seehofer damals, einmal die volle Wahrheit gesagt. In Deutschland, bestimmt die Pharmalobby, nicht die Politk.

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