Kanada

Ärzte loben „Apotheker-Klinik“

Remagen - 31.01.2018, 07:00 Uhr

An
der Universität von British Columbia in Kanada gibt es jetzt eine „Apotheker-Klinik“. (Foto: Picture Alliance)

An der Universität von British Columbia in Kanada gibt es jetzt eine „Apotheker-Klinik“. (Foto: Picture Alliance)


Apotheker sollen in vielen Ländern eine größere Rolle in der medizinischen Grundversorgung spielen. Dafür müssen sie aber auch ausgebildet werden. Die kanadische University of British Columbia (UBC) hat hierfür eine Beratungsklinik eröffnet. Sie erfüllt schon jetzt eine wichtige Aufgabe im Gesundheitssystem, denn sie betreut „echte“ Patienten.

An der Universität von British Columbia in Kanada gibt es jetzt eine „Apotheker-Klinik“. Was es damit auf sich hat, ist im britischen Pharmaceutical Journal nachzulesen. „Die Klinik verfolgt drei Ziele“, erklärt deren Direktorin Barbara Gobis: „Erstens möchten wir zeigen, was Apotheker können und Best Practice-Modelle erproben. Zweitens möchten wir einen Ort zu haben, an dem die Pharmaziestudenten der Universität ausgebildet werden können, und zu guter Letzt soll die Apotheker-Klinik ein 'lebendiges Labor' sein, das die Universität zu Forschungszwecken nutzen kann.“

Arzneimittel werden nicht abgegeben

Die Idee für die Klinik wurde im Jahr 2010 von einigen Mitgliedern der Fakultät für Pharmazeutische Wissenschaften an der UBC geboren, zeitglich mit der Verschiebung des Schwerpunkts auf die klinisch-pharmazeutische Betreuung in Kanada. Sie wurde schließlich im April 2014 offiziell eröffnet. Im ersten Jahr kamen insgesamt 1460 Patienten dorthin. Nun betreut die Einrichtung mit einer Belegschaft von vier Apothekern mehr als 2000 Personen pro Jahr und bildet mehr als 100 Studierende aus. Arzneimittel werden dort nicht abgegeben. Die Pharmazeuten versorgen die Patienten mit kostenlosen Beratungen, die bis zu einer Stunde dauern können. Dabei wird die vorhandene Medikation überprüft und sie bekommen Hinweise zum richtigen Umgang damit.

Ein Novum im kanadischen Gesundheitssystem

Auch in Kanada sei die Rolle der medikamentösen Therapie eine „äußerst prominente", sagt Gobis. Medikamente seien der zweitgrößte Kostenfaktor im kanadischen Gesundheitssystem. Sie ist froh, dass nun anerkannt wird, wie notwendig Apotheker für die Verwaltung komplexer Arzneimitteltherapien sind. Larry Leung, Dozent an der UBC und Angehöriger des Leitungsteams der Apotheker-Klinik berichtet: „Viele Patienten in der Klinik leiden an chronischen Schmerzen und müssen stark wirksame Medikamente nehmen. Bei uns bekommen sie einen Plan, wie sie diese schrittweise reduzieren können, zusammen mit einer Telefonberatung für die fortlaufende Betreuung.“ Diese Art der Unterstützung gebe es bislang weit und breit nicht im Gesundheitssystem, fügt Leung an.

Zwei Drittel werden vom Arzt überwiesen

In der Beratung bemühen sich die Apotheker mit den Patienten um eine „gemeinsame, informierte Entscheidungsfindung", wobei den Betroffenen oft verschiedene Optionen angeboten werden. Zwei Drittel der Patienten, die in die Klinik kommen, werden von einem Arzt überwiesen. Das restliche Drittel kommt aus eigenem Antrieb oder auf Empfehlung einer Apotheke oder eines Krankenhauses. Über besonders positive Effekte der Beratung bei Kopfschmerpatienten berichtet die Pharmacists Clinic auf der Universitäts-Webseite.

Zuerst zum Apotheker, dann zum Arzt

Auf einen Termin in der Kopfschmerzklinik müssten die Betroffenen meist ewig lange warten, wird dort geschildert. Eine Partnerschaft mit der Fakultät für Pharmazie an der UBC habe diese Situation erheblich entspannt: Nun starten die Kopfschmerzpatienten ihre Behandlung mit einem Besuch in der Apotheker-Klinik, wo ihre Arzneimittel gecheckt werden und sie eine ausführliche Beratung erhalten. Erst danach gehen sie mit einer ausgearbeiteten Liste mit der gesamten Medikation zum Arzt.

„In einigen Fällen hatten sich die Symptome der Patienten schon erheblich gebessert, bevor sie überhaupt zu mir kamen“, sagt der Neurologe Sian Spacey von der medizinischen Fakultät der UBC. „Nur weil sie von den Apothekern beraten worden waren, wie sie die Arzneimittel richtig einnehmen. Die Erstberatung durch die Apotheker macht den nachfolgenden Termin bei mir um einiges effektiver.“



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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