Kommentar

Überzogene Kritik am Erkältungsgeschäft

Berlin - 29.01.2018, 16:20 Uhr

Ist es Apothekern vorzuwerfen, an Erkältungsmitteln Geld zu verdienen? (Bild: Dan Race / stock.adobe.com)

Ist es Apothekern vorzuwerfen, an Erkältungsmitteln Geld zu verdienen? (Bild: Dan Race / stock.adobe.com)


 „Apotheken legen wenig Wert auf Wissenschaft“

Auffällig ist aber, dass der „Spiegel“ die Kritik der beiden Experten aufnimmt und sich so zu einem Grundsatzurteil über die Apotheken hinreißen lässt. Nachdem Glaeske und Becker-Brüser ihre Theorien zur Wirksamkeit von Algovir und Viru-Protect breit erklärt haben, heißt es als Schlussfolgerung in dem Beitrag: „Auf wissenschaftliche Wirksamkeitsbelege legt man in deutschen Apotheken offenbar wenig Wert." Zur „Begründung" zieht die Redaktion heran, dass die Sichtwahlregale voll mit Erkältungsmitteln seien, an denen die Apotheken zu viel Geld verdienen würden.

Doch damit nicht genug. Wie schon oft zuvor, erklärt Glaeske in dem Artikel auch noch, wie viel er vom unternehmerischen Handeln der Apotheker hält. „Apotheker sind dankbar, wenn Produkte stark beworben werden und so Kunden in die Apotheken treiben“. Damit beschreibt er zwar lehrbuchmäßig, wie Produktkommunikation in diesem Kanal der Gesundheitsbranche funktioniert. Doch handelt sich es dabei wirklich um ein „Spagat zwischen Ethik und Monetik“, wie er es beschreibt? 

Was der Wunsch des Kunden nach einem bestimmten Produkt für eine Rolle in der Apotheke spielt, darauf geht der Beitrag allerdings nicht ein.

Dauerthema Kombipräparate

Die Frage nach dem Kundenwunsch stellt sich auch bei den wiederholt von Glaeske kritisierten Kombinationspräparaten wie Wick MediNait und Grippostad C. Aus seiner Sicht sollten die einzelnen darin enthaltenen Wirkstoffe lieber getrennt verabreicht werden.

Pharmakologisch betrachtet wäre diese Vorgehensweise korrekt. Sicherlich ist es sinnvoller, Symptome einzeln und gezielt zu behandeln. Eine Wirkstoffmischung birgt oft die Gefahr einer Übertherapie. Wie so oft traut Glaeske den Apotheker an dieser Stelle aber zu wenig zu. Denn sie können sehr wohl einschätzen, in welchen Fällen man dem Kundenwunsch nach einem Kombinationspräparat nachkommen sollte und wann besser ein Monopräparat zu empfehlen ist. Doch die Beratungskompetenz in den Apotheken wird im Spiegel-Beitrag leider nicht thematisiert, denn sie ist wahrscheinlich zu selbstverständlich und daher nicht spektakulär genug.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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7 Kommentare

Wirksamkeit von ViruProtect

von Dr. Michael Gies am 25.02.2018 um 10:39 Uhr

Mit Verlaub - ich bin zwar "nur" Laie und Patient, aber als promovierter Physiker auch nicht ganz blöd. Als Gymnasiallehrer habe ich sehr unter unter Ansteckungen durch erkältete Schüler zu leiden, für die ich leider anfällig bin - ich habe sogar schon mit Mundschutz unterrichtet (übrigens mit gutem Erfolg).
Der beschriebene Wirkmechanismus von ViruProtekt schien mir plausibel, ich gönne mir jetzt regelmäßig vor Unterrichtsbeginn einen (!) Sprühstoß. Seither habe ich keinen einzigen Atemwegsinfekt mehr gehabt, selbst dann nicht, als ich in einer Konferenz eine halbe Stunde unmittelbar neben einer stark erkälteten Person sitzen mußte.
Ich habe im Verwandten- und Bekanntenkreis von meinen Erfahrungen berichtet und ausschließlich bestätigende Rückmeldungen erhalten.
Natürlich erfüllt das halbe Dutzend Fälle nicht die Kriterien einer "Studie", doch hat mich das Leben gelehrt, im Zweifel erst mal der eigenen Anschauung zu glauben. Insofern muß ich einigen hier (und in den "Systemmedien") gemachten Aussagen widersprechen.

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Wirksamkeitsnachweise bei Medizinprodukten

von Dr. Iris Hinneburg am 30.01.2018 um 11:57 Uhr

Dass für Medizinprodukte nicht die gleichen Wirksamkeitsnachweise notwendig sind wie für Arzneimittel, ist juristisch korrekt. Wenn Hersteller aber mit therapeutischen Aussagen werben (z.B. Verkürzung der Erkältungsdauer), müssen sie sich schon mit den entsprechenden wissenschaftlichen Kriterien messen lassen. Pikanterweise wurden für die hier angesprochenen Präparate tatsächlich Studien durchgeführt, deren Methodik und Ergebnisse aber alles andere als überzeugend sind. Diese Studien werden im arznei-telegramm beschrieben und sind darüber hinaus auch frei zugänglich, so dass sich jeder selbst davon ein Bild machen kann. https://www.arznei-telegramm.de/html/htmlcontainer.php3?produktid=116_01&artikel=1712116_01k (für den Volltext der Studien die Referenzen einfach in PubMed eingeben).

Wenn sich nun die Werbeaussagen nicht mit den Ergebnissen der klinischen Studien belegen lassen, warum greift der Kommentar dann die Überbringer der Nachricht persönlich an? Solche "ad hominem"- Attacken stehen einer Zeitschrift schlecht an, die sich selbst immer als seriös und unabhängig bezeichnet. Oder geht es doch wieder nur darum, die Interessen der Leserschaft zu bedienen, unabhängig vom Gemeinwohl? Das wäre in der Tat sehr bedauerlich.

Transparenzhinweis: Ich bin mit beiden genannten Personen persönlich bekannt.

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Evidenznachweis

von Michael Mischer am 30.01.2018 um 11:56 Uhr

"Dass aber Medizinprodukte gar keinen Wirksamkeitsnachweis erbringen müssen, wird in dem Beitrag nicht erwähnt."

An dieser Stelle fragte ich mich: Macht es das besser? Macht das die Präparate besser? Bedeutet das Versagen Europas, relevante Marktzugangsregularien für Medizinprodukte zu schaffen, dass Evidenz hier irrelevant ist? Ist nicht vielmehr gerade jetzt, wo man sich nicht auf die Bewertung einer Zulassungsbehörde stützen kann, der Apotheker umso mehr gefragt? Gefragt, auf diesen Mangel an Evidenz hinzuweisen und gegen die Werbung zu beraten?

Aus der Anwesenheit dieser Produkte in Apotheken für alle Apotheker einen Mangel an Interesse an Evidenz abzuleiten, das geht sicher zu weit. Aber ein Beleg für das offensichtliche Spannungsverhältnis zwischen Ethik und Monetik ist die Platzierung dieser Produkte doch allemal.

Es sei denn, es gäbe entgegen der Analyse des arznei-telegramm einen schlüssigen Wirksamkeitsbeleg. Das wäre dann für uns Apotheker und unsere Beratung sicher interessant - für den oben stehenden Artikel aber offenbar nicht.

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Who is who?

von Dr. Elke Brüser am 30.01.2018 um 9:50 Uhr

Das spricht für sich oder gegen Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online:
In ihrem Beitrag spricht die Autorin von dem Pharma-Ökonom Gerd Glaeske, eine Berufsbezeichnung, die mir unbekannt ist. - Er ist studierter und promovierter Pharmazeut - auch Prof. Und wenn Sie doch bitte das arznei-telegramm® auch arznei-telegramm® nennen und nicht eine falsche und unvollständige Wortschöpfung anbieten. Dass Wolfgang Becker-Brüser als Herausgeber auch Arzt und Apotheker ist, haben Sie leider auch unterschlagen, Frau Dr. Jung
(Die Familienverhältnisse können Sie den Namen entnehmen.)
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Elke Brüser (www.gutepillen-schlechtepillen.de)

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AW: Who is who

von florian becker am 30.01.2018 um 11:25 Uhr

Liebe Frau Dr. Brüser, Sie können ruhig ein wenig gelassener mit der Begriffsverwirrung umgehen. Das arznei-telegramm (das R finde ich grad nicht, sorry) ist in Fachkreisen so bekannt, dass man auch verfälscht sofort weiß, worum es sich handelt (was ja durchaus für Ihren geschätzten Gatten spricht).

Was Herrn Gläeske angeht - er ist approbierter (und natürlich auch promovierter) Apotheker, das ist richtig.
Meiner Kenntnis nach, hat er sich bis 1999 wohl auch kontinuierlich mit Pharmakologie beschäftigt, zuletzt in Beratungsdiensten.
Seitdem beschäftigt er sich aber mit Versorgungsforschung und Gesundheitsökonomie, insofern scheint mir die Bezeigung als "Gesundheitsökonom" nicht wirklich unzutreffend zu sein.
Sollte es Herrn Glaeske tatsächlich gelingen, sich parallel zu seiner Tätigkeit als Professor für Arzneimittelversorgungsforschung auch noch auf dem Wissensstand des Jahres 2017 eines anerkannten Pharmakologen zu halten, dann hat er meinen uneingeschränkten Respekt.
Anderenfalls ist die Bezeichnung "Apotheker und Professor" bei allem Respekt für mich persönlich zu wenig, um als "Arzneimittelexperte" zu gelten.

Immer wieder der sog. Experte Glaeske

von Ratatosk am 29.01.2018 um 18:33 Uhr

Zu diesem ist sog. Experten ist schon viel gesagt worden, aber lernen tut ers wohl nicht mehr.
Die Apotheken legen keinen Wert auf Wissenschaft ? dies kann dieser Mensch noch nicht mal beurteilen.
Hat er eigentlich schon mal überrissen, daß wir einen riesiges Ministerium haben mit unzählichen Beamten, die solche Dinge für die Zulassung zu prüfen haben ?
Aber für eine schlechte Meldung in den allzubekannten Postillen sind solche grundlegenden Fakten offensichtlich nicht interessant genug, oder er hat es eben nicht überrissen.
Das mit den Medizinprodukten ist wohl auch zu neu, er kaut ja nur die immerselben Kalauer aus seiner Jugendzeit wieder. Leider auch keine praktische Erfahrung sondern eben vom Staat alimentiert, muß sein Geld nicht wirklich erarbeiten. Er sollte mal versuchen, die Patienten wirklich mit 4 oder 5 Einzelpräparaten anstatt mit einem Kombi einzustellen.
P.s wann kämpft der Spiegel endlich gegen die Buchpreisbindung ?!

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AW: Immer wieder der sog. Experte Glaeske

von Bernd Jas am 30.01.2018 um 16:24 Uhr

Tja, ich habe weiß auch immer wer, was gegen Glaeske-Mobbing, aber er ist nun mal (bei den? Medien) anerkennt und auch noch anerkannter Experte; wat willse maache?
Wir haben genügend Verräter in den eigenen Reihen, die sind viel schlimmer.
Diese angeblichen Vierenburner von wem auch immer kommen bei mir auf jeden Fall nicht hinter den HV.

Und (Entschuldigung) was soll die Scheiße mit der Buchpreisbindung; das war echt mega krass überflüssig.

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