IQWiG

Frühe Nutzenbewertungen: Klarer Schwerpunkt auf Krebsmitteln

Remagen - 25.01.2018, 13:00 Uhr

Das IQWiG bewertet im Auftrag des G-BA den Zusatznutzen neuer Arzneimittel. (Foto: IQWiG)

Das IQWiG bewertet im Auftrag des G-BA den Zusatznutzen neuer Arzneimittel. (Foto: IQWiG)


Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zieht in einer aktuellen Mitteilung Bilanz zum Verfahren der frühen Nutzenbewertung nach dem AMNOG. Im Fokus standen bisher die Onkologika, und die kommen laut IQWiG in vielen Fällen auch gut weg.

Im Jahr 2011 wurde mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) die frühe Nutzenbewertung eingeführt. Hiernach müssen alle neu zugelassenen Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen sofort nach Markteintritt auf Basis eines Herstellerdossiers eine (Zusatz-)Nutzenbewertung durchlaufen. Zuständig hierfür ist der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA). Er kann jedoch das IQWiG oder Dritte mit der Prüfung und Bewertung beauftragen. Das Ergebnis der Nutzenbewertung entscheidet schließlich über die Modalitäten der Kassenerstattung durch die GKV

Onkologie weiterhin mit großem Abstand häufigstes Indikationsgebiet 

Nach einer Auswertung über alle bis Ende 2017 abgeschlossenen Dossierbewertungen, die das IQWiG vorgenommen hat, nimmt die Onkologie im Vergleich der Indikationsgebiete hinsichtlich der Zahl der untersuchten Wirkstoffe bisher mit weitem Abstand den ersten Platz ein. Demgegenüber tauchten andere Erkrankungen, die in der Bevölkerung weit verbreitet sind und große Belastungen mit sich bringen, kaum einmal in einem Dossier auf, teilt das IQWiG weiter mit. Die neuen Wirkstoffe gegen Krebs wiesen auch die höchste Erfolgsquote auf: Nur für etwa 40 Prozent sei ein Zusatznutzen nicht belegt oder der Nutzen sogar geringer als bei der Vergleichstherapie. Noch besser falle die Bilanz bei neuen Arzneimitteln gegen Hepatitis C aus. Umgekehrt zeigten die Daten nur bei 20 Prozent der Antidiabetika und sogar nur bei gut 10 Prozent der Wirkstoffe aus der Psychiatrie und Neurologie einen Zusatznutzen.  

  Klinisch bedeutsame Überlebensvorteile

„In der Onkologie haben wir in den letzten Jahren einige neue Therapieansätze gesehen, unter anderem die Immuntherapien“, meint der Leiter des Ressorts Arzneimittelbewertung beim IQWiG Thomas Kaiser dazu. „Vor allem für einige fortgeschrittene Krebserkrankungen mit bisher schlechter Prognose konnten wir klinisch bedeutsame Überlebensvorteile feststellen.“ Für einzelne Indikationen sei die Datenlage aus den Zulassungsstudien allerdings sehr dünn, fügt Kaiser an. Zwar hätten die neuen Wirkstoffe überdies spürbare Nachteile, z. B. schwere Nebenwirkungen im Immunsystem, aber der Zugewinn an Lebenszeit oder Lebensqualität wiege in vielen Fällen schwerer. Gegenüber einigen Chemotherapien falle allerdings auch die Bilanz zu den Nebenwirkungen positiv aus. 

Sind sich das IQWiG und der G-BA einig?

In etwa 70 Prozent der Fälle sei der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in seinen Beschlüssen der Einschätzung des IQWiG zum Ausmaß des Zusatznutzens gefolgt, berichtet das IQWiG weiter. Bei den 30 Prozent, bei denen das nicht zutraf, habe der G-BA in der Hälfte der Fälle den Zusatznutzen höher eingeschätzt als das IQWiG, in der anderen Hälfte niedriger. Als wichtigster Grund für diese Abweichungen werden neue Informationen aus den Stellungnahmeverfahren zu den IQWiG-Bewertungen angeführt, die in die G-BA-Beschlüsse einfließen.

Nach nunmehr gut sechs Jahren habe sich das Bewertungsverfahren gut eingespielt, betont das IQWiG, doch den Wissenschaftlern fielen zunehmend auch die Schwächen des Prozederes ins Auge: So müßten das IQWiG und der G-BA immer häufiger denselben Wirkstoff erneut bewerten, zum Beispiel in einem neuen Anwendungsgebiet. Außerdem durchliefen immer öfter mehrere Wirkstoffe für dieselbe Indikation eine frühe Nutzenbewertung. Leider seien Vergleiche mit bereits erfolgten Bewertungen anderer Wirkstoffe im Verfahren nicht vorgesehen. Die IQWiG-Experten würden diese aber für sinnvoll halten, um die die aus der frühen Nutzenbewertung gewonnenen Erkenntnisse in der Praxis besser umsetzen zu können. Je öfter nacheinander mehrere Wirkstoffe aus demselben Indikationsgebiet bewertet würden, desto unübersichtlicher würden die Ergebnisse für die Nutzer, so die Kritik.

Bilanz nach fünf Jahren: 60-mal Zusatznutzen bescheinigt

Konkrete Zahlenangaben macht das IQWiG an dieser Stelle nicht. DAZ.online hat hierzu einen Blick in die Jahresberichte des Instituts geworfen. Dort finden sich weitere Details. So hatte das Institut im Jahresbericht 2015 Bilanz über fünf Jahre frühe Nutzenbewertung (2011 bis Dezember 2015) gezogen. Hiernach waren in diesem Zeitraum anhand von 127 Dossiers insgesamt 135 Bewertungen (teilweise mehr als eine Indikation) abgeschlossen worden, davon 60 mit und 74 ohne Zusatznutzen sowie eine (Pertuzumab) mit geringerem Nutzen (Anhaltspunkt). Das maximale Ausmaß des Zusatznutzens für mindestens eine Personengruppe wurde bei 15 Bewertungen als erheblich, bei 21 als beträchtlich, für 13 als gering und für 11 als nicht quantifizierbar erachtet. Die Ergebnisse beinhalten auch die Bewertungen von „Addenda“, die das Institut bis zum 17. März 2016 abgeschlossen hatte. Solche Addenda werden erarbeitet, wenn der pharmazeutische Unternehmer im Stellungnahmeverfahren ergänzende Unterlagen nachreicht und das IQWiG diese zusätzlich zu bewerten hat. Im fünften AMNOG-Jahr geschah dies bei jeder zweiten Dossierbewertung. Durch knapp ein Viertel der Addenda änderte sich das Ergebnis der frühen Nutzenbewertung, in der Regel zum Besseren hin.  

47 Bewertungen in 2016

Im Jahr 2016 legte das IQWiG dann weitere 47 Bewertungen zu 44 Dossiers nach (ohne Orphan Drugs), darunter 29 mit Addendum (27 in 2016 und 2 in 2017). Dabei bescheinigte das Institut 16-mal einen Zusatznutzen (3-mal erheblich, 8-mal beträchtlich und 5-mal gering) und 31-mal keinen. Die wesentlichen Ergebnisse der Dossierbewertungen, die das IQWiG seit 2017 veröffentlicht hat, sind in einer Tabelle auf der Webseite des Instituts aufgelistet. Zum Jahreswechsel hatte das IQWiG die Ergebnisse der 216. bis 220. frühen Nutzenbewertung veröffentlicht. 

Informationen des G-BA zum Verfahren der frühen Nutzenbewertung finden Sie hier.

Dort gibt es auch eine anschauliche Grafik zum Verfahrensablauf.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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