Abgesenktes Fixhonorar

Die Versandapotheken und das Honorar-Gutachten

Berlin/München - 25.01.2018, 11:05 Uhr

Wie würden sich die im Honorar-Gutachten vorgesehenen Maßnahmen auf die Versandapotheken auswirken? (Foto: Picture Alliance)

Wie würden sich die im Honorar-Gutachten vorgesehenen Maßnahmen auf die Versandapotheken auswirken? (Foto: Picture Alliance)


Mehr als 40.000 Euro würde jede Apotheke pro Jahr verlieren, würde man die Vorschläge der Honorar-Gutachter ungefiltert umsetzen. Aber wie würden sich die herben Einschnitte beim Fixhonorar eigentlich auf den Versandhandel auswirken? Viele Versender haben nach eigenem Bekunden schließlich hohe Rx-Anteile. Eine Umfrage von DAZ.online ergab, dass die Reaktionen je nach Rx-Anteil am Gesamtgeschäft gemischt ausfallen – von ziemlich besorgt bis gelassen.

Rund 30 Prozent – so hoch wäre die Reduzierung des Fixhonorars auf Rx-Arzneimittel, wenn die Vorstellungen der Autoren des Bundeswirtschaftsministerium (BMWi)-Honorargutachtens Wirklichkeit würden, die Apothekenvergütung pro abgegebener Packung von 8,35 Euro auf 5,84 Euro zu senken. Nach Abzug des Kassenabschlags würde das Fixum sogar von derzeit 6,86 Euro auf 4,35 Euro fallen. Was das für die Vor-Ort-Apotheken bedeuten würden, liefern die Gutachter in ihrer Analyse gleich mit: tausendfache Schließungen.

Völlig unerwähnt blieb bislang aber die Frage, was die Honorar-Einschnitte für den Versandhandel bedeuten würden. Weder der Bundesverband Deutscher Versandapotheken noch DocMorris wollten sich gegenüber DAZ.online zu solchen Fragen äußern. 2016 betrug der Rx-Umsatz der Versandapotheken rund 434 Millionen Euro. Anlass genug, bei den Versendern nachzufragen, wie stark dieser Effekt die Bilanzen belasten könnte. Das Ergebnis fällt gemischt aus: Während einige Unternehmen einen deutlichen Dämpfer ihres Umsatzes und ihrer Marge hinnehmen müssten, hält sich die Nervosität bei anderen in Grenzen. Was auch daran liegt, dass viele Versandapotheken das Gros ihres Geschäftes (noch) mit OTC-Präparaten und Gesundheitsprodukten machen.

Einer, der eine Umsetzung des Honorargutachtens deutlich spüren würde, ist Henning Fichter, Prokurist der Versandapotheke Shop Apotal mit Sitz in Bad Rothenfelde und Sohn des Inhabers Heinz-Peter Fichter. „Der Rx-Anteil an unserem Gesamtgeschäft beträgt 13 bis 14 Prozent. Eine Absenkung des Fixhonorars würde sich damit bei uns schon bemerkbar machen“, sagt er gegenüber DAZ.online. Allerdings würde er dies weniger beim Umsatz von jährlich 120 Millionen Euro spüren, da das Honorar ja pro Packung bezahlt werde, unabhängig wie groß und teuer die sei. Dagegen dürfte der Gewinn leiden, gibt Fichter zu verstehen; immerhin sei das Fixhonorar eine der wesentlichen Gewinnkomponenten für Apotheker. Gleichzeitig weist er darauf hin, dass sein Unternehmen mit ihrem vergleichsweise hohen Rx-Anteil „sicherlich eine Sonderstellung unter den Versandapotheken“ habe, die traditionell begründet sei. „Wir haben seit langem auch einen Versandhandel für Diabetikerbedarf“, so der Apotheker, der schätzt, dass die Wettberber hierzulande meist nur einen Rx-Anteil von ein bis zwei Prozent haben dürften.  

Sanicare würde sich über Fixum-Absenkung freuen

Auch Medikamente-per-Klick aus Selbitz würde die Auswirkungen einer Honorarabsenkung spüren. „Uns träfe das Vorhaben ebenso empfindlich wie viele andere Apotheker und deren Kollegen“, teilt das Unternehmen auf Anfrage von DAZ.online mit. „Wir gehören zu den Versandapotheken, deren Rx-Anteil einen wichtigen Geschäftsbereich bildet. Wir betreiben hierfür eine besondere Abteilung mit einem entsprechenden Anteil an qualifizierten Arbeitskräften und Apothekern.“ Genaue Angaben zur Höhe des Rx-Anteils macht Medikamente per Klick allerdings nicht. Auch bei Apo-rot ist man von den Ideen der Gutachter nicht begeistert: „Eine Senkung des Fixhonorars honoriert noch weniger die Beratungsleistung der pharmazeutischen Fachkräfte und ist selbstverständlich von uns nicht zu befürworten“, so eine Sprecherin des Apo-rot-Versandzentrums in Hamburg.

Einen anderen Blick auf das Papier aus dem Bundeswirtschaftsministerium hat hingegen der Versandhändler Sanicare aus Bad Laer. Zum einen macht nach Angaben einer Sprecherin der OTC-Bereich den weitaus überwiegenden Anteil des Geschäftes aus, entsprechend unterrepräsentiert ist das Rx-Geschäft. Dieses drehe sich „inhaltlich eher um Dauermedikationen“. Zum anderen sei die Absenkung des Fixhonorars für das Unternehmen kein Problem, „da wir durch effiziente Prozesse auch mit dieser Vergütung auskömmlich arbeiten werden.“ Bemerkenswert ist, dass Sanicare durch eine Umsetzung des Honorargutachtens sogar „eher eine Geschäftsbelebung“ erwarten würde. Begründung: „Durch verstärkten Leistungswettbewerb würden ineffiziente und die Patienten wie auch die Kassen übermäßig kostenbelastende Distributionsprozesse zurückgeführt werden.“

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DocMorris: Fixhonorar-Absenkung könnte schmerzhaft sein

Der niederländische Versandhändler DocMorris sieht hingegen offenbar keine Notwendigkeit, sich derzeit intensiver mit dem Thema zu beschäftigen. Auf Anfrage von DAZ.online teilte ein Sprecher mit, dass „wir das Gutachten mit seinen 370 Seiten noch gar nicht vollständig ausgewertet haben.“ Zudem sehe man gegenwärtig keine Veranlassung, sich öffentlich zu dem Sachverhalt zu äußern. Auch mit Aussagen zum Rx-Umsatzanteil hält sich DocMorris beziehungsweise die Schweizer Muttergesellschaft Zur Rose Group zurück. 

Seit dem gestrigen Mittwoch ist bekannt, dass Zur Rose mit DocMorris in Deutschland im Jahr 2017 einen Gesamtumsatz von rund 483 Millionen Schweizer Franken machte. Etwa 55 Prozent dieses Umsatzes entfallen dem Mutterkonzern Zur Rose zufolge auf Rx-Medikamente. In absoluten Zahlen heißt das: 267 Millionen Franken setzten die Niederländer mit Rx in Deutschland um, also umgerechnet 230 Millionen Euro. Da es sich hierbei um den Umsatz und nicht den Rohertrag handelt, lässt sich nicht errechnen, wie groß der Einfluss einer 30-prozentigen Absenkung des Fixums auf die Finanzen von DocMorris genau wäre. Klar ist aber: Es wäre eine spürbare Veränderung für die Niederländer.

Shop Apotheke: Wenig Rx-Anteil

Auch bei Shop Apotheke Europe, dem zweitgrößten Versandhändler auf dem deutschen Markt, will man sich zu dem Thema nicht äußern. Allerdings geht aus dem Geschäftsbericht für das Jahr 2016 hervor, dass von dem Gesamtumsatz in Höhe von 177,4 Millionen Euro knapp 173 Millionen Euro auf OTC-Produkte sowie Gesundheits- und Schönheitsmittel entfielen, während nur drei Millionen Euro mit Rx-Präparaten erwirtschaftet worden sind. Auch hier lässt sich nur schwer feststellen, auf wie viel Geld die Shop Apotheke wirklich verzichten müsste im Falle eines niedrigeren Fixhonorars.

Zu berücksichtigen ist aber, dass das Unternehmen 2016 ohnehin tief in der Verlustzone steckte – das operative Minus betrug 11,6 Millionen Euro, der operative Verlust lag damit um 2,8 Millionen Euro höher als noch im Jahr zuvor. Da der Rx-Umsatzanteil bei der Shop Apotheke geringer ist als bei DocMorris, wären aber auch die Auswirkungen dementsprechend geringer.

Tatsächlich könnten die Maßnahmen aus dem Gutachten das Unternehmen aber weitaus härter treffen, denn Ende 2017 hat Shop Apotheke Europe die ebenfalls in den Niederlanden beheimatete Europa Apotheek übernommen. Im Gegensatz zu Shop Apotheke erzielt Europa Apotheek den überwiegenden Teil der Einnahmen aus dem Online-Verkauf von Rx-Produkten. Anlässlich der Übernahme teilten die Unternehmen im Herbst vergangenen Jahres mit, dass der Rx-Anteil bei rund 80 Prozent des 2016er-Gesamterlöses von 144 Millionen Euro lag. Das wären demnach rund 115 Millionen Euro.



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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