Antibiotikaresistenzen

Antibiotischer Wirkstoff aus Körperflüssigkeiten entdeckt

Remagen - 17.01.2018, 09:00 Uhr

Forscher haben gezeigt, dass Peptide, die zum Beispiel in menschlichem Speichel vorhanden sind, antibiotisch wirken. (Foto: Picture Alliance)

Forscher haben gezeigt, dass Peptide, die zum Beispiel in menschlichem Speichel vorhanden sind, antibiotisch wirken. (Foto: Picture Alliance)


Forscher an der Universität Graz haben gemeinsam mit niederländischen Kollegen einen erfolgsversprechenden antibiotischen Wirkstoff gefunden. Er basiert auf Peptiden, die in ihrer ursprünglichen Form auch im menschlichen Körper vorkommen.

Im Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen ist es Wissenschaftlern von der Karl-Franzens-Universität Graz in Kooperation mit Kollegen von den Universitäten in Leiden und Amsterdam gelungen, einen antibakteriellen Wirkstoff aus menschlichen Substanzen zu erforschen und auch schon für die medizinische Anwendung vorzubereiten. Die Ergebnisse ihrer Studie, die im Rahmen eines EU-Projektes gewonnen werden konnten, wurden im Fachjournal Science Translational Medicine veröffentlicht.

Vorkommen im Speichel

Am Institut für Molekulare Biowissenschaften der Uni Graz erforscht die Arbeitsgruppe um Karl Lohner natürlich vorkommende Peptide, die als Grundlage zur Entwicklung von neuen Wirkstoffen gegen multiresistente Keime dienen sollen. Diese Abwehrpeptide kommen in der Natur häufig vor, wie Lohner erklärt. Im menschlichen Körper seien sie zum Beispiel nicht nur im Speichel, sondern auch in Tränenflüssigkeiten und in weißen Blutkörperchen oder auf der Haut vorhanden. Dass viele Menschen, wenn sie eine kleine Verletzung am Finger haben, diesen reflexartig direkt zum Mund führen und ihn mit Speichel benetzen, sei demzufolge auch sinnvoll, sagt Lohner.

SAAP-148 besonders wirksam

Ein prominenter Vertreter solcher Abwehrpeptide ist LL-37. Das Eiweißmolekül aus der Gruppe der Cathelicidine wird hauptsächlich in Immunzellen produziert und ist Teil der angeborenen Immunantwort. Es richtet sich direkt gegen die Zellmembran der spezifischen Keime und kann deren mechanische Eigenschaften verändern, wie Lohner erklärt. LL-37 bildete den Ausgangspunkt für die gemeinsame Studie der Forscher. Anna de Brej von der Universität Leiden stellte ausgehend von diesem Peptid neue synthetische Derivate (Synthetic antimicrobial and antibiofilm peptides, SAAP) her und testete sie im Labor gegen Keime. Dabei zeigte eine Verbindung namens SAAP-148 besondere Wirksamkeit.

Effizienter als viele andere antimikrobielle Peptide

Nermina Malanovic aus Lohners Grazer Arbeitsgruppe untersuchte den Wirkmechanismus der Substanz an künstlichen Zellmembranen und fand heraus, dass das positiv geladene Peptid die bakteriellen Zellmembranen, die aus negativ geladenen Phospholipiden bestehen, gleichsam auflöst. „Dadurch werden die Bakterien zerstört“, erklärt Malanovic. Die Autoren heben zusammenfassend hervor, dass SAAP-148 beim Abtöten von Bakterien unter physiologischen Bedingungen im Labor effizienter war als viele aus präklinischen und klinischen Testphasen bekannte antimikrobielle Peptide. Es habe die multiresistenten Erreger getötet, ohne eine Resistenz hervorzurufen.

Salbe ebenfalls effektiv

Es soll auch Bakterieneliminiert haben, die bereits besonders widerstandsfähige Biofilme gebildet hatten, sowie sogenannte persistierende Zellen. „Wir haben festgestellt, dass dieses Peptid auch bei jenen Bakteriengruppen eine effiziente Wirkung hat, die unter der Abkürzung ESKAPE besonders geläufig und massiv für die steigenden Antibiotika-Resistenzen verantwortlich ist“, schildert Lohner. Auch in fertigen Arzneiform erwies sich das Peptid als wirksam. Nach einer vierstündigen Einwirkzeit einer SAAP-148-haltigen Salbe seien die gefürchteten MRSA-Keime und Acinetobacter baumannii in menschlichen und tierischen Gewebeproben „vollständig vernichtet worden, fassen die Autoren zusammen.

Klinische Entwicklung geplant

Nach Meinung des Forscherteams könnte SAAP-148 ein vielversprechender Wirkstoff-Kandidat im Kampf gegen antibiotika-resistente Bakterien sein, die eine große Gefahr für die Menschheit darstellen. Ein weiteres Positivum: Die Peptide lassen sich nach Angaben der Wissenschaftler leicht und kostengünstig synthetisch herstellen. In Zusammenarbeit mit einem an dem EU-Projekt beteiligten Pharmaunternehmen sollen nun weitere Untersuchungen vorgenommen werden, um den Wirkungsgrad zu optimieren und das Peptid in Zukunft auch für resistente Biofilme auf Implantaten, wie zum Beispiel in Hüfte und Knie, anwenden zu können.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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