Forschung

Arzneimittel gegen den Tuberkulose-Schutzschild?

Düsseldorf - 15.01.2018, 08:40 Uhr

Forscher der TU München und der Texas A&M University haben einen Wirkstoffmechanimus entdeckt, mit dem der Schutzschild der Tuberkulose geknackt werden könnte. (Foto: Picture Alliance)

Forscher der TU München und der Texas A&M University haben einen Wirkstoffmechanimus entdeckt, mit dem der Schutzschild der Tuberkulose geknackt werden könnte. (Foto: Picture Alliance)


EZ120 wirkt direkt in der Biosynthese der Mykolsäure-Schicht

Wissenschaftler der Technischen Universität (TU) München haben nun eine Arbeit publiziert, in der sie eine Substanz vorstellen, die anscheinend mit nur geringer Toxizität für humane Zellen effektiv den Aufbau der Mykolschicht in der Zellwand der Mykobakterien unterbinden kann. Anders als Isoniazid, dass in den auch in vielen anderen zellulären Stoffwechsel-Prozessen beteiligten Mechanismus des Coenzyms NADH (Nicotinamidadenindinucleotid) eingreift, wirkt „EZ120“ als Analogon der Mykolsäure wesentlich spezifischer. „Wir haben uns sehr fokussiert für die Strukturklasse der beta-Lactone aufgrund ihrer strukturellen Ähnlichkeit zu den Mykolsäuren interessiert. Die gespannten Ringsysteme der Lactone mit der langen hydrophoben Kette werden durch Enzyme die für die Mykolschicht-Synthese zuständig sind, fälschlicherweise für das natürliche Substrat gehalten, angegriffen und dann aber irreversibel blockiert“, erklärt Stephan Sieber, Professor am Lehrstuhl für Organische Chemie II der TU München, in dessen Forschungsgruppe die Arbeiten unter Mitwirkung von Wissenschaftlern der Texas A&M University entstanden.

„EZ 120“ steht dabei für die Initialen einer der Ko-Autorinnen der Studie, Evelyn Zeiler. „Sie hat die Verbindung hergestellt. 120 steht für die laufende Versuchsnummer“, sagt Sieber. In Kombination mit dem bislang nicht gegen Mykobakterien eingesetzten Reserveantibiotikum Vancomycin beobachteten die Forscher eine deutliche Wirkungssteigerung. „Vancomycin und EZ120 arbeiten hervorragend zusammen“, sagt Sieber. Bei gemeinsamer Anwendung ließe sich laut der Arbeiten die eingesetzte Dosis um mehr als das 100-fache reduzieren, sagt der Forscher. Vancomycin gilt als Reserveantibiotikum der sogenannten dritten Linie und wird unter anderem gegen multiresistente Staphylokokken wie MRSA eingesetzt. Es hemmt die Zellwand-Synthese grampositiver Bakterien, indem es durch Komplexierung die Quervernetzung des Mureins hemmt.

Stabilität der Verbindung ist noch ein Problem

Die Forscher der TU München vermuten, dass durch die Hemmung der Ausbildung der Mykolsäure-Schicht das Antibiotikum erst effektiv in die tieferliegende Zellwand eindringen kann. Den Wirkmechanismus des EZ 120 konnte Siebers Mitarbeiter Johannes Lehmann im Rahmen seiner Promotion aufklären. Er zeigte, dass die an der Mykolschicht-Synthese beteiligten Enzyme Pks13 und Ag85 blockiert werden.

EZ120 wirke dabei bereits in geringer Dosis, könne die Mykolschicht gut überwinden und töte durch die Hemmung der Zellwand-Biosynthese Mykobakterien effektiv ab, zeigten die Forscher. Hinsichtlich der möglichen Wirtschaftlichkeit bei einer zukünftigen Anwendung der Substanz als Arzneimittel macht sich Sieber keine Sorgen: „Die Verbindung ist ein kleines Molekül und lässt sich synthetisch-chemisch in nur wenigen Stufen ökonomisch herstellen“, sagt der Professor.

Allerdings gebe es noch ein paar Fragen zu klären. „Beta-Lactone haben den Nachteil, dass ihre Stabilität limitiert ist. Im nächsten Schritt müsste man testen, on die Verbindung über längere Zeit die Wirkung behält. Dafür wäre ein Tiermodell geeignet. Weiter müsste man dann sehen, ob die Grundstruktur weiter verbessert und stabilisiert werden kann“, sagt Sieber. Daneben müsse die geringe Toxizität verifiziert werden. „Wir haben zwar zeigen können, dass die Verbindung in humanen Zellen nur wenig toxisch ist, für ein Arzneimittel muss dies aber noch mit weiteren Modellen bestätigt werden“, sagt der Forscher.

Alles in allem sei dies aber ein möglicher vielversprechender neuer Ansatzpunkt für künftige Tuberkulose-Therapien, konstatieren die Forscher.



Volker Budinger, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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