Prozess gegen Ex-ABDA-Sprecher

Nur ein ABDA-Angestellter oder Lobbyist?

Berlin - 12.01.2018, 18:55 Uhr

Ex-ABDA-Sprecher Thomas Bellartz und ein IT-Experte müssen sich derzeit vor dem Landgericht Berlin verteidigen. (Foto: Külker)

Ex-ABDA-Sprecher Thomas Bellartz und ein IT-Experte müssen sich derzeit vor dem Landgericht Berlin verteidigen. (Foto: Külker)


Am zweiten Verhandlungstag im sogenannten Datenklau-Prozess gegen den Ex-ABDA-Sprecher Thomas Bellartz und einen IT-Spezialisten wurde am heutigen Freitag die Anklage verlesen. Nach einigen gescheiterten Manövern der Verteidigung holte Bellartz' Verteidiger zum Rundumschlag aus: Sein Klient sei kein Lobbyist, sondern ein ganz normaler Angestellter der ABDA gewesen.

Nachdem der erste Prozesstag in der vergangenen Woche vor Verlesung der Anklageschrift unterbrochen wurde, weil die Verteidigung die Zuständigkeit des Gerichts und die Schöffenauswahl gerügt hatte, ging es am heutigen Freitag weiter im Prozess gegen Thomas Bellartz und Christoph H. – den beiden Männern, den untzer anderem ein Ausspähen von Daten im Bundesgesundheitsministerium (BMG) vorgeworfen wird. 

Carsten Wegner, der Anwalt von Bellartz, hatte auch am zweiten Prozesstag weitere Anträge in petto, die das Verfahren als solches in Frage stellten. Er beantragte erneut, die Hauptverhandlung zu unterbrechen, weil er den Staatsanwalt Roland Hennicke sowie die Pressesprecherin am Landgericht, Lisa Jani, als Zeugen laden wollte. Und Zeugen dürfen nicht an der Verhandlung teilnehmen, um nicht beeinflusst zu werden. Wegners Vorwurf: Der Staatsanwalt habe nach dem ersten Prozesstag den Medien zu viele Informationen aus der noch nicht verlesenen Anklageschrift preisgegeben. Tatsächlich macht sich strafbar, wer die Anklageschrift „ganz oder in wesentlichen Teilen, im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden“ ist – und aus Wegners Sicht, war das hier Fall. Auch in anderen Medien hat es seines Erachtens zu detaillierte Berichte gegeben. So mutmaßt er, dass auch Jani Informationen in unzulässiger Weise an Journalisten weiteregegeben habe. 

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Der Staatsanwalt habe sich zum „willfährigen Instrument der Presse“ gemacht, indem er nach dem ersten Prozesstag gegenüber Journalisten medienwirksame und skandalisierende Ausdrücke benutzt habe, so Wegner. Er bemängelte zudem, dass der Staatsanwalt die Akte wohl gar nicht kenne. Denn er habe gegenüber der Presse auch behauptet, Bellartz habe sich zu den Vorwürfen nicht eingelassen. Tastächlich sei dieser den Vorhaltungen sehr wohl entgegengetreten. Letztlich sei zu besorgen, dass die Schöffen etwas von dem Gespräch des Staatsanwalts mit den Journalisten mitbekommen haben und diese damit unzulässig beeinflusst wurden.

Hat das Gericht Informationen an die Presse durchgesteckt?

Zudem verwies der Anwalt auf die Beiträge des Journalisten Markus Grill zur Causa Bellartz für die Süddeutsche Zeitung und die Tagesthemen. Auch hier habe es Zitate aus der Anklage gegeben – es bestehe der Verdacht, dass die Pressesprecherin Jani möglicherweise gar die Anklageschrift an Medienvertreter übergeben habe – für Wegner ein Fall von „Durchstecherei“. Die Verteidigung wolle wissen, ob es beim Informationsfluss an Journalisten zwei unterschiedliche Rechtskreise gebe: Ob für Informationen der Staatsanwaltschaft und Gerichte an Journalisten etablierter Medien andere Maßstäbe gälten als für Informationen, die von Ministerien zu Journalisten kleinerer Online-Medien?

Nachdem sich das Gericht dann für eine Weile zurückgezogen hatte, verkündete der Vorsitzende Richter, dass die Hauptverhandlung nicht unterbrochen werde. Auch den Antrag auf Ablösung des Staatsanwalts wies er zurück. Zwar seien dessen „vorschnelle Einschätzungen“ gegenüber der Presse „unsensibel und der Situation nicht angemessen“ gewesen. Dies reiche jedoch nicht, um ihn von seiner Funktion zu entbinden. Nach einer weiteren Unterbrechung lehnte das Gericht auch die Vernehmung des Staatsanwalts und der Pressesprecherin als Zeugen ab. Es sei nicht anzunehmen, dass durch ihre Vernehmung bedeutsame Erkenntnisse für den Prozess gezogen werden könnten.

Inhalte der Anklage

Damit war es endlich Zeit für Verlesung der Anklageschrift durch den Staatsanwalt. Laut Anklage haben sich Bellartz und H. im März 2006 kennengelernt. In der Folge hätten sie verabredet, sich gemeinsam vertrauliche Daten aus den für Apotheken und Arzneimittel zuständigen Fachreferaten des BMG zu verschaffen, um durch deren Verbreitung finanziell zu profitieren. Hierzu soll H. seine Stellung als Systemadministrator des BMG ausgenutzt haben, um bestimmte, kennwortgeschützte E-Mail-Postfächer auszuspähen, die ihm zuvor durch Bellartz  benannt wurden.

Dabei soll es etwa um Vorlagen für die Hausleitung, Sprechzettel, Eckpunkte zu Gesetz- und Verordnungsvorhaben und Vermerke zur Vorbereitung von Besprechungen mit Interessenverbänden gegangen sein. Diese Daten habe H. auf CD gebrannt, die er Bellartz gegen Zahlung von Geldbeträgen (insgesamt 26.550,- Euro) übergeben haben soll. Mit den ausgespähten Daten habe sich Bellartz einen Informationsvorsprung in Bezug auf aktuelle Gesetz- und Verordnungsentwürfe des BMG mit Bezug zur Apothekerschaft verschaffen wollen.

Vorwurf: Daten ausgespäht für die ABDA und Apotheke Adhoc

Zum einen für die ABDA, zum anderen für sein Nachrichtenportal Apotheke Adhoc. Dabei habe er sich auch einen finanziellen Vorteil erhofft: Mehr Nutzer sollten Apotheken Adhoc lesen, mehr Newsletter versendet werden und die Werbeeinahmen steigen. Auch sei es ihm darauf angekommen, durch die Streuung exklusiver Insiderinformationen die Zahlungen der ABDA an ihn in beträchtlicher Höhe zu rechtfertigen.

Dann folgte eine Aufzählung der 40 angeklagten Taten. Die letzten angeklagten Tathandlungen sollen am 5. bzw. 6. November 2012 erfolgt sein. Kurz darauf kam es zu Durchsuchungen – DAZ.online berichtete im Dezember 2012 erstmals von dem Fall. Laut Anklage wurde damit der Straftatbestand des Ausspähens von Daten (§ 202a StGB) erfüllt und es liegt ein strafbewehrter Verstoß gegen das Bundestatenschutzgesetz vor (§ 44 BDSG). 

Verteidigung: Beschuldigtenrechte verletzt

Die Angeklagten äußeren sich auch nach Verlesung der Anklage nicht persönlich, sondern ließen Statements ihrer Anwälte verlesen. Wegner untermauerte nochmals seine Auffassung, dass hier mit zweierlei Maß gemessen werde. Nikolai Venn, der Anwalt des Systemadministrators, konzentrierte sich auf dagegen auf rechtliche Aspekte. Er beschwerte sich etwa darüber, dass im Dezember 2013 die Anklage erhoben wurde, ohne zuvor den Abschluss der Ermittlungen abzuwarten. Es sei auch nach der Anklageerhebung weiter ermittelt worden – und das, ohne dass die Verteidigung hinzugezogen wurde.

Venn sprach von einer „eklatanten Verletzung von Beschuldigtenrechten“. Überdies führte er aus, warum seines Erachtens die angeblichen Taten nicht unter die Straftatbestände zu subsumieren sind. Beispielsweise müsste es sich bei § 202a StGB um Daten handeln, die nicht für den Täter bestimmt sind – als Systemadministrator habe H. jedoch berechtigt Zugang gehabt.

Wegner kam dann nochmals auf die angeblichen „Durchstechereien“ der Justizbehörden zu sprechen. Die Staatsanwaltschaft habe auch Ende 2013 das BMG und Journalisten eher über die bevorstehende Anklage informiert als die Verteidigung. Er monierte zudem, dass Bellartz immer als „angeblicher Lobbyist“ dargestellt werde. Die ABDA sei dem Vorwurf, er sei hier für sie tätig geworden immer entgegengetreten. Bellartz sei lediglich ein „Angestellter in der Kommunikationsabteilung der ABDA“ gewesen – „Wie kann man da von einem Lobbyisten sprechen?“, so Wegner.

Legten die Ermittler Apotheke Adhoc lahm?

Sein Anwalt stellte Bellartz dagegen in seiner Eigenschaft als Journalist hervor. Während auch die Ermittlungsbehörden zunächst die ABDA im Visier hatten, habe man später Apotheke Adhoc in den Mittelpunkt gerückt – ein „unabhängiges Portal“, dessen Server laut Wegner damals von den Ermittlern lahmgelegt worden sei. Offenbar habe man hier kritischen Journalismus unterbinden wollen. Auch hätten die Ermittlungsbehörden etablierte Medien gezielt mit Informationen zum Verfahren versorgt – zum Nachteil von Bellartz. Dem BMG habe die möglichst hohe Skandalisierung seinerzeit offenbar gut gepasst, so Wegner. Es habe die Apotheker kleinhalten wollen – ebenso ein Online-Medium, das negative Schlagzeilen über die BMG-Arbeit brachte.

Wegner relativierte zudem die Relevanz der angeblich von Bellartz gekauften internen Informationen. Es habe sich ganz einfach um journalistische Quellen gehandelt. Auch andere Medien – zum Beispiel DAZ.online – hätten etwa vom Referentenentwurf zur Apothekenbetriebsordnung berichtet. Unerwähnt ließ er allerdings den sehr viel eher ins Spiel gebrachten „Arbeitsentwurf“, über den nur Apotheke Adhoc berichtet hatte – angeblich bereits bevor der damalige Gesundheitsminister ihn kannte.

Wegner deutete zudem an, dass das BMG Zeugen durch Geldzahlungen habe beeinflussen wollen – Näheres dazu werde die Zeugenbefragung ergeben. So etwas habe sein Mandant nie getan. Am Freitag, dem 19. Januar wird der Prozess fortgesetzt. Nach den anfänglichen Störfeuern und Verzögerungen werden dann die Zeugen vernommen. 



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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4 Kommentare

Nebelkerze cash burning ...

von Christian Timme am 13.01.2018 um 7:21 Uhr

Alimente zahlt höchstens Herr Seehofer ...

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AW: Nebelkerze cash burning

von Wagner am 16.01.2018 um 0:32 Uhr

Vielleicht hat die ABDA Bellartz ja als ihr Baby angesehen? Oder war‘s umgekehrt?

AW: Wagners Nebelkerze ...

von Christian Timme am 16.01.2018 um 1:08 Uhr

Das Baby hieß anders ...

Nebelkerzen

von Wagner am 12.01.2018 um 21:38 Uhr

Man muss sich über die Verteidigerstrategie ders Bellartz-Anwalts wirklich wundern: Ob die Nebelkerzen und Ablenkungsmanöver im Interesse seines (schweigenden) Mandanten liegen? Interessant wird, wie es die ABDA begründet, ihrem Pressesprecher zu erlauben, ein eigenes Online-Portal zu gründen und dieses Portal dann auch noch mit mindestens 2,5 Mio. Euro ABDA-Geldern zu alimentieren.

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