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Wann lohnt sich eine Direktbestellung?

Süsel - 11.01.2018, 07:00 Uhr

Wann lohnt es sich, direkt zu bestellen? Wirtschaftsexperte Dr. Thomas Müller-Bohn hat nachgerechnet. (Foto: Bodo Marks/dpa)

Wann lohnt es sich, direkt zu bestellen? Wirtschaftsexperte Dr. Thomas Müller-Bohn hat nachgerechnet. (Foto: Bodo Marks/dpa)


Direkt beim Hersteller bestellen oder besser beim Großhandel? Günstigere Einkaufskonditionen im Direktgeschäft gleichen den zusätzlichen Arbeitsaufwand im Vergleich zur Großhandelslieferung in vielen Fällen aus. Doch für eine Entscheidung können noch weitere Aspekte wichtig sein.

Was ist günstiger für Apotheken: Bestellung direkt beim Hersteller oder beim Großhandel? Direktbestellungen verursachen mehr Aufwand durch eine weitere Geschäftsbeziehung und zusätzliche Lieferungen. Doch je größer die Bestellmengen sind, um so eher können bessere Einkaufskonditionen der Hersteller diese Nachteile kompensieren und obendrein einen Einkaufsvorteil bieten.

Es geht hier also um Produkte, die in größeren Mengen eingekauft werden und dadurch günstige Konditionen versprechen. Für diese Fälle wird eine Entscheidungshilfe gesucht. Ein anderes Thema sind dagegen unvermeidbare Direktbestellungen von Kleinstmengen von Arzneimitteln, die (zeitweilig) nicht beim Großhandel erhältlich sind. Darum ging es in dem Beitrag  „Wie viel Mehrkosten verursacht eine Direktbestellung?“

Fall 1: Große Bestellmengen

In vielen Apotheken werden gängige OTC-Arzneimittel in der Sichtwahl in großen Mengen präsentiert. Die Packungen werben für sich selbst und sorgen für einen Wiedererkennungseffekt. Denn viele Kunden kennen die Produkte aus der Werbung oder aus eigener Erfahrung. Dies zu nutzen, gehört zu den einfachsten Ideen des Marketings. Auch für den Arbeitsablauf in der Apotheke ist eine solche Platzierung praktisch, denn so hat das Apothekenpersonal die oft abgegebenen Arzneimittel schnell im Griff. Insbesondere für die Marketingwirkung muss eine genügend große Menge an Packungen aufgebaut werden, die aus der Sichtwahlentfernung gut wahrgenommen wird. Darum müssen relativ große Mengen geordert werden. Es stellt sich also nur die Frage, ob diese eher seltenen großen Bestellungen beim Großhandel oder beim Hersteller erfolgen

Vergleichsrechnung: Großhandels- versus Direktbestellung 

In diesem Fall unterscheiden sich Großhandels- und Direktbestellung in logistischer Hinsicht nur durch den zusätzlichen Bestellvorgang, das Annehmen einer zusätzlichen Lieferung und die Verarbeitung eines zusätzlichen Lieferscheins und einer zusätzlichen Rechnung. Dagegen gibt es keinen Unterschied beim Handling der Ware. Als Kalkulationshilfe dient die Studie „Profil und Effizienz des vollversorgenden Großhandels“, die das Institut für Handelsforschung 2008 im Auftrag des Großhandelsverbands Phagro erstellt hat . Darin wird der Arzneimittelbezug in Apotheken in vier Schritte gegliedert. Die „Ermittlung des Bestellbedarfs“ unterscheidet sich hier nicht zwischen den Alternativen. Für das „Auslösen“ einer Direktbestellung werden 2 Minuten angesetzt, während beim Großhandel kein zusätzlicher Aufwand gegenüber den ohnehin stattfindenden Bestellungen entsteht.

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„Das Direktgeschäft hat spürbar zugelegt“

 Zum Arbeitsschritt „Empfang und Einlagerung der Lieferungen“ werden anders als in der damaligen Studie nur 3 Minuten für das Annehmen, Auspacken und Verarbeiten eines Paketes kalkuliert. Denn alle anderen Schritte fallen bei einer Lieferung großer Mengen vom Großhandel ebenfalls an. Für das „Prüfen der Lieferscheine“ und das „Prüfen/Begleichen der Rechnungen“ wurden damals 6 Minuten angesetzt. Als zusätzlicher Aufwand zum Großhandel werden hier 4 Minuten veranschlagt. Das ergibt insgesamt 9 zusätzliche Arbeitsminuten für eine PKA bei einer Direktbestellung mehrerer Artikel eines Herstellers im Vergleich zur Großhandelslieferung. Bei einem Tarifgehalt von 1886 Euro für PKA (mittlere Tarifgruppe, 7. bis 9. Berufsjahr), 13 Monatsgehältern, 22 Prozent Sozialabgaben und Beiträgen sowie 1653 jährlichen Arbeitsstunden betragen die Personalkosten 30 Cent pro Minute. Für 9 Minuten sind also 2,70 Euro zu kalkulieren. 

Direktbestellung mit Vorteilen

Daher muss in der Apotheke beantwortet werden, ob die Konditionen einer Direktbestellung für alle erfassten Artikel zusammen einen Vorteil von 2,70 Euro gegenüber der Großhandelsbestellung bieten. Das wäre schon bei einer Bestellsumme von 270 Euro und einem zusätzlichen Einkaufsvorteil von 1 Prozentpunkt erfüllt. In den meisten realistischen Fällen dürften bei den hier relevanten großen Bestellmengen die Beträge und die Einkaufsvorteile größer sein. Dann erscheint die Direktbestellung vorteilhaft.

Lohnt es sich bei variablen Bestellmengen?

Etwas schwieriger ist eine andere Konstellation. Wenn die Apotheke nicht unbedingt große Mengen einzelner Artikel benötigt, verbinden sich die Bestellmengenentscheidung und die Auswahl zwischen Großhandel und Direktbestellung zu einer gemeinsamen Frage: Soll einmal eine große Menge direkt oder sollen öfter nicht ganz so große Mengen beim Großhandel geordert werden? Dies betrifft alle häufig abgegebenen Produkte, die nicht in größeren Mengen in der Sicht- oder Freiwahl gezeigt werden, also verschreibungspflichtige Arzneimittel, extrem große sperrige oder extrem kleine, optisch nicht wirksame Packungen und Apotheken mit virtueller oder zu kleiner Sichtwahl. 

Kalkulation für Modellfall

Zur Orientierung wird ein typischer Modellfall angenommen: Von 5 Artikeln eines Herstellers sollen entweder einmal jeweils 50 Packungen direkt oder 5 Mal im Laufe einiger Monate jeweils 10 Packungen beim Großhandel geordert werden. Mit der Zehner-Bestellung sollen auch beim Großhandel günstige Konditionen erreicht werden. Dagegen könnte eine noch kleinere Bestellmenge die Lieferfähigkeit der Apotheke gefährden oder der Verpflichtung der Apothekenbetriebsordnung zur Lagerhaltung zuwiderlaufen.

Die „Ermittlung des Bestellbedarfs“ bei einer einmaligen Direktbestellung dauert nach der oben erwähnten Studie 7 Minuten, während dies bei den häufigeren Großhandelsbestellungen automatisch von der EDV erledigt wird. Für das „Auslösen der Bestellung“ kommen 2 Minuten hinzu. „Empfang und Einlagerung der Lieferungen“ erfordern nach der damaligen Studie 32 Minuten bei einer Direktbestellung gegenüber etwa 1 Minute pro Bestellzeile beim Großhandel. Bei jeweils 5 Lieferungen für 5 Artikel wären das 25 Minuten, also 7 Minuten mehr als bei der Direktbestellung. Für das „Prüfen der Lieferscheine“ und das „Prüfen/Begleichen der Rechnungen“ veranschlagte die Studie bei der Direktbestellung 6 Minuten. Da die sonstigen Großhandelsbestellungen weiterhin stattfänden, gäbe es dort keine Einsparung. Das ergibt 22 zusätzliche Arbeitsminuten für eine PKA und damit zusätzliche Kosten von 6,60 Euro bei der einmaligen Direktbestellung. Die Unterschiede in der Finanzierung durch die verschiedenen Lagerdauern werden in der andauernden Niedrigzinsphase vernachlässigt.

Welche Parameter sprechen für einen Direktbezug? 

Bei einer Bestellsumme von 660 Euro (was für die unterstellten 250 Packungen wenig ist) würde also bereits wieder 1 Prozentpunkt mehr als Einkaufsvergünstigung ausreichen, damit die Direktbestellung vorteilhaft ist. Das Rechenmodell zeigt auch die kritischen Einflussgrößen. Wenn es um nur 1 oder 2 Artikel geht, könnte der zusätzliche Aufwand einer eigenen Lieferung zu groß werden. Bei Artikeln mit sehr geringen Einkaufswerten bringen auch hohe prozentuale Vergünstigungen wenig ein. Umgekehrt sprechen mehr Artikel bei einem Hersteller, große Bestellmengen und hohe Auftragswerte eher für den Direktbezug. Allerdings setzt dies alles voraus, dass der Hersteller wirklich bessere Konditionen als der Großhandel bietet. Dies bleibt entscheidend für alle bis hierhin angestellten Vergleiche.

Vielschichtige Entscheidung

Außerdem muss die Aussagekraft dieser Vergleiche beachtet werden: Sie reduzieren die Betrachtung auf die Logistikkosten und die Einkaufskonditionen. Das ist zwar der betriebswirtschaftliche Kern der gestellten Frage. Doch es kann durchaus triftige Entscheidungsgründe geben, die solche Abwägungen erübrigen. So scheidet eine große Direktbestellung aus, wenn Personal im Backoffice fehlt, der Lagerraum nicht ausreicht, die Nachfrage nach dem Produkt schwer vorhersehbar ist, das Verfallrisiko inakzeptabel erscheint oder die Apotheke Finanzierungsprobleme hat. Für eine Großhandelsbestellung kann auch sprechen, dass dort größere Bestellmengen für eine günstigere Rabattstaffel erreicht werden sollen. Dann sind ganz andere Rechnungen nötig als im obigen Modell. Für Direktbestellungen können dagegen günstige Rückgabemöglichkeiten, lange Valuta oder zusätzliche Marketinghilfen sprechen. Darum können Berechnung zwar bei vielen Fragen helfen, aber die Wahl zwischen Direkt- und Großhandelsbestellung bleibt immer eine vielschichtige unternehmerische Entscheidung.

 



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Direktgeschäft

von Wilfried Hollmann am 22.01.2018 um 22:48 Uhr

Die Berechnung der Arbeitszeiten sind in der Tat zu bezweifeln, auch wenn es ich um "zusätzliche" Minuten handelt. Kritisieren möchte ich aber in erster Linie, dass sich der Artikel nur mit den vordergründigen monetären Vorteile das Direktgeschäft beschäftigt. Es mag im Einzelfall richtig sein, dass ein Direktgeschäft günstiger ist als der Bezug beim Großhandel. Tatsache ist aber, dass mit dem Direktgeschäft dem Großhandel interessante Artikel entzogen werden. Ein zunehmendes Direktgeschäft muss unweigerlich Konsequenzen haben - bei den Leistungen und/oder bei den Vergütungen. Direktgeschäft ist Rosinenpickerei, die der Großhandel ebenso wenig mag wie die Apotheke (Stichwort: Versandhandel). Was wäre wohl, wenn der Großhandel im Gegenzuge für alle bisherigen kostenfreien Leistungen Rechnungen ausstellt.
Der Großhandel ist der wichtigste Partner der Apotheke, weil er allumfassende Leistungen bietet, die für eine Apotheke sehr hilfreich sind. Ein Direktgeschäft, zumal es oftmals nur um geringfügige monetäre Vorteile geht, passt nicht in das Bild einer guten Partnerschaft.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Berechnung der Arbeitszeiten

von Thomas Moucha am 11.01.2018 um 9:48 Uhr

Ich möchte meine PKA einmal sehen, wenn Sie eine Direktbestellung in 3 Minuten vom Empfang bis zur Einlagerung bearbeitet hat. Da fehlt eine Null hinter der 3.
Ausserdem fehlen die Zeiten für das Auslagern aus dem Übervorrat und die Organisation des Vorrates. Schlecht
gemachter Artikel, meiner Meinung ohne Bezug zu einer realen Apotheke.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Berechnung der Arbeitszeiten

von Frau Richter am 11.01.2018 um 20:25 Uhr

Bitte lesen Sie den Artikel doch noch einmal. Es geht um 3 ZUSÄTZLICHE Minuten, die veranschlagt werden im Vergleich zu einer Bestellung beim Großhändler.

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