Medizinalhanf-Versorgung

Mehr Cannabis-Rezepte als erwartet

Stuttgart - 10.01.2018, 16:00 Uhr

Die wachsende Nachfrage sorgt für ständig angespannte Liefersituation (Bild: stock.adobe.com)

Die wachsende Nachfrage sorgt für ständig angespannte Liefersituation (Bild: stock.adobe.com)


AOKs, Techniker und Barmer haben seit der Gesetzesänderung im März 2017 rund 13.000 Anträge auf Kostenerstattung für medizinisches Cannabis erhalten. Nach anfänglichen Schwierigkeiten ist die Genehmigungsquote der Kostenträger inzwischen auf über 60 Prozent angestiegen. Die erhöhte Nachfrage nach Medizinhanf führt für Apotheken immer wieder zu Lieferschwierigkeiten. Anbieter Cannamedical Pharma GmbH arbeitet an einer Lösung, um die Versorgungssituation in Deutschland zu verbessern.

Immer mehr Menschen erhalten Cannabis auf Rezept und stellen bei ihrer Krankenkasse einen Antrag auf Kostenübernahme. Das geht aus einer Umfrage „Rheinischen Post” bei der Techniker Krankenkasse (TK), der Barmer und dem AOK-Bundesverband hervor. Demnach gingen in den vergangenen zehn Monaten mehr als 13.000 Anträge bei den beiden Ersatzkassen und den Ortskrankenkassen ein, was die Erwartungen weit übertraf.

Vor dem Inkrafttreten des sogenannten Cannabisgesetzes hatten lediglich rund 1000 Menschen in Deutschland eine Ausnahmegenehmigung für die medizinische Anwendung. Laut Gesetzentwurf hatte man mit knapp 700 Patienten pro Jahr gerechnet, die Cannabis auf Rezept benötigen.

Kassen genehmigen inzwischen zwei Drittel der Anträge

Die meisten Anträge gingen der Umfrage zufolge bei den AOKs ein. Sie erhielten 7600 Anträge, 64 Prozent davon wurden genehmigt. Laut AOK-Bundesverband hat die Genehmigungsquote nach anfänglichen Schwierigkeiten in der Tat über die Monate leicht zugenommen. „Sicherlich spielen unter anderem die Qualität der Antragstellung und die Erfahrung seitens der Kassen dabei eine Rolle“ sagt die AOK. Ähnlich sieht es bei der Barmer-Ersatzkasse aus, die knapp 62 Prozent der insgesamt eingegangenen 3262 Anträge bewilligt hatte. „An der Verbesserung des Antrags- und Prüfverfahrens haben alle Beteiligten mitgewirkt und zwar Ärzte, Versicherte, der MDK und die Krankenkassen.“ erläutert die Barmer. Die TK hat bis Ende November rund 2200 Anträge auf Kostenerstattung erhalten. Auch dort lag die Genehmigungsquote ähnlich hoch bei 64 Prozent.

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), bewertete die hohe Zahl der Anträge positiv. „Die steigende Zahl der Genehmigungen zeigt, wie wichtig es war, dieses Gesetz im letzten Jahr auf den Weg zu bringen“, sagte sie gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Cannabis sei ihrer Meinung nach aber kein Allheilmittel.

Wiederholte Lieferengpässe bei Bedrocan

Seit im März 2017 Cannabis gesetzlich auf Rezept erhältlich ist, wächst die Nachfrage enorm. Dies hat im vergangenen Jahr in ganz Deutschland immer wieder zu Lieferengpässen geführt. Ein Anbieter für medizinisches Cannabis, die Cannamedical Pharma GmbH, räumt ein, dass die Lieferfähigkeit seines Partners Bedrocan, einem niederländischen Cannabisproduzenten, auch weiterhin begrenzt ist. „Dennoch haben wir es als einer der wenigen Großhändler für Medizinalcannabis geschafft, unsere Kunden konstant mindestens einmal pro Monat zu beliefern“, erklärt Vertriebsdirektor Niklas Kouparanis. 

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Das Cannabis von Bedrocan ist ausschließlich per Direktbestellung erhältlich. Ist, wie so häufig, der Hanf knapp, werden die Vorbestellungen auf eine Art Warteliste gesetzt und die Apotheken der Reihenfolge nach beliefert. Dabei kann es zu mehrwöchigen Verzögerungen kommen. Der erfahrene Apotheker Hendrik Wehling von der Pauly von Buttlar Apotheke im hessischen Rodgau kennt die Situation und geht pragmatisch vor: „Ich bestelle immer gleich mindestens zehn Dosen im voraus, damit meine Kunden, vorwiegend Schmerzpatienten, nicht auf ihre Therapie warten müssen“. 

Anbaukapazitäten in den Niederlanden bereits erhöht 

Obwohl die Anbaukapazitäten in den Niederlanden bereits erhöht wurden, werden nach Information von Cannamedical die Kapazitäten von Bedrocan alleine nicht ausreichen, um den gesamten deutschen Markt mit medizinischem Cannabis versorgen zu können. Der Medizinalhanf-Importeur arbeitet bereits an einer weiteren Lösung. „In wenigen Monaten werden wir von der Cannamedical Pharma GmbH in der Lage sein, den gesamten deutschen Bedarf an medizinischen Cannabis zu decken.“ prognostiziert Kouparanis.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Unwahrheiten

von Dom Lemcke am 14.03.2018 um 21:17 Uhr

Die Quote der Genehmigungen liegt nicht bei 60%, das wäre Schönfärberei. 50-55% ist realistischer, genaue Angaben will niemand machen.

Fakt ist, das CANNABIS GESETZ ist gescheitert!
Das sage ich als MS-Patient mit schwerem Verlauf, denn ich musste und muss noch immer um meine Cannabisblüten kämpfen!

Dabei haben sie mir erst neuen Lebensmut gegeben. Ich hatte schon aufgegeben. Jetzt, in nur 3 Monaten, Opioide um 66% reduziert, 2 weiter Medikamente abgesetzt, Schmerzen und Spastiken, abedr auch Fatigue läßt sich alles managen, sogar die Depression ist viel besser!

Cannabis kann Leben retten, aber die Ärzte müssen geschult werden, es ist noch viel zu schwer, einen Arzt zu finden, der NICHT total ANTI-Cannabis ist...Die Propaganda, der wir Jahrzehnte lang ausgesetzt wurden, wird nicht über Nacht vergessen, von denen, die daran geglaubt haben.

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