Reaktion auf Gutachten

VdPP: Apothekenhonorar neu denken

Berlin - 09.01.2018, 09:00 Uhr

Der VdPP will in eine breite gesellschaftliche Diskussion über das Apothekenhonorar einsteigen.  (Foto: Robert Kneschke/ stock.adobe.com)

Der VdPP will in eine breite gesellschaftliche Diskussion über das Apothekenhonorar einsteigen.  (Foto: Robert Kneschke/ stock.adobe.com)


Das Gutachten zum Apothekenhonorar sorgt für Unruhe in der Branche. Der Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten kann das verstehen. Allerdings sieht er in dem Gutachten sowie der holpernden Regierungsbildung auch eine Chance: Erstmals seit Langem könne man wieder grundsätzlich über die Zukunft der Apotheke und der pharmazeutischen Arbeitsfelder diskutieren – und das nicht nur innerhalb der Apothekerschaft.

Das Gutachten, das die 2HM & Associates GmbH für das Bundeswirtschaftsministerium erstellt hat, hat sich die Arzneimittelpreisverordnung vorgenommen und auf ihren Änderungsbedarf abgeklopft. Im Ergebnis hat die Beraterfirma vielfältige und erstaunliche Änderungsvorschläge für das Apothekenhonorar unterbreitet. Während die ABDA sich bislang mit einer Kommentierung zurückhält, haben andere die Untersuchung bereits scharf kritisiert – so etwa die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg oder der Marketingverein Deutscher Apotheker (MVDA). Auch der Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP) hat sich jetzt positioniert.

„Sollte die neue Bundesregierung die Vorschläge der Kommission umsetzen, droht vielen Apotheken das Aus“, heißt es in einer Pressemitteilung des Vereins. Und weiter: „Das wäre eine Katastrophe für diejenigen, die als Apothekenbesitzer ihre Existenz aufgeben müssen, die als Angestellte ihren Arbeitsplatz verlieren, aber auch für diejenigen, die ‚ihre‘ Apotheke als Anlaufstelle für Arzneimittel und dies und das wertschätzen“.

Versäumnisse der Apotheker

Der VdPP sieht durchaus Ursachen, dass es so weit kommen konnte: „Wir haben uns als Apothekerinnen und Apotheker zu wenig darum gekümmert, nachzuweisen, an welcher Stelle Apotheken mit welchem Leistungsangebot welche Gesundheitsgewinne für die Vorort-Bevölkerung liefern. Damit fehlen entscheidende Argumente für ein ‚Weiter so‘ wie bisher.“ Auch habe man sich zu wenig um die Weiterentwicklung der pharmazeutischen Arbeitsfelder gekümmert, wie es in anderen Ländern durchaus geschehen sei. Das Gleiche gelte für die Aus-, Fort- und Weiterbildung. So habe man nicht überzeugend darstellen können, dass Gesundheitsförderung, Patientenversorgung und vor allem Arzneimitteltherapiesicherheit zentrale Säulen der Existenzberechtigung von Apotheken sind. Nicht zuletzt hätten die Apotheken mit falschen Bündnispartnern zusammengearbeitet: Diese sollten nicht aus der pharmazeutischen Industrie kommen, sondern unabhängige Patientenorganisationen, Kostenträger, Gesundheitswissenschaftler und (Lokal-)Politiker sein.

Gegen die „planlose Zerstörung des bestehenden Systems”

Aus Sicht des VdPP ist es jedoch interessant, dass die Gutachter die Existenz von Apotheken nicht infrage stellen. Man hätte schließlich auch auf die Idee kommen können, in Zukunft rezeptpflichtige Arzneimittel in Arztpraxen abgeben zu lassen und verschreibungsfreie Arzneimittel im Mass-Market. Doch so weit geht die Agentur nicht. Ihre Vorschläge zielen auf eine Umstrukturierung der Honorierung. Und der VdPP ist überzeugt, dass sie in dieser Form „sicherlich nicht umgesetzt“ werden. Dennoch böten das Gutachten und die fehlende Regierung die Chance, in den nächsten Monaten erstmals seit Langem wieder grundsätzlich über die Zukunft der Apotheke und der pharmazeutischen Arbeitsfelder in der ambulanten Versorgung zu diskutieren – und das nicht nur innerhalb der Apothekerschaft.

Aus Sicht des VdPP muss die Zukunft der Honorierung pharmazeutischer Leistungen ernsthaft diskutiert werden. „Es geht hierbei nicht nur um die Existenz von Apotheken, sondern auch um die Art und Weise, ob und wie demokratisch die Akteure im Gesundheitswesen agieren“. Zu lange schon hätten Deregulierer und Privatisierer das Sagen gehabt, zu wenig würden Interessen der Patienten und der Beitragszahler berücksichtigt, zu selten rechtliche Änderungen auf ihre Folgen wissenschaftlich untersucht und daraufhin gegebenenfalls korrigiert.

Diskussionsgremium im Sinne der Patienten und Beitragszahler

Bevor sich eine neue Regierung die Arzneimittelpreisverordnung vornimmt wünscht sich der VdPP ein Diskussionsgremium, das auf der Grundlage von Fakten und in anderen Ländern gesammelten Erfahrungen Eckpunkte erarbeitet. Dieses Gremium müsse in erster Linie die Interessen der Patienten und Beitragszahler widerspiegeln und insofern demokratisch legitimiert sein. Die Frage sei: Was erwarte die Gesellschaft eigentlich von Apothekern im zukünftigen Gesundheitswesen– und zwar in den Städten und auf dem Land? Auch andere Eigentumsformen von Apotheken müssten berücksichtigt werden. Diese müssten aus VdPP-Sicht allerdings „gemeinwesen- und patientenorientiert“ sein. Sodann seien die Gesetze und Verordnungen „Stück für Stück so zu verändern, dass das pharmazeutische Potential besser als bisher und im Sinne der Gesundheit der Bevölkerung zur Geltung kommt“. Erst dann sollten das 2HM-Gutachten sowie andere Berechnungsmodelle hinzugezogen werden.

Keine Lösung ist für VdPP jedenfalls „eine planlose Zerstörung des bestehenden Systems, damit sich auf den Trümmern im freien Spiel der Marktkräfte neue Strukturen etablieren, wie es sich viele Ökonomen vielleicht vorstellen“. Vielmehr müsse die Pharmazie in einem patientenorientierten Gesundheitswesen weiterentwickelt werden und die Politik die Rahmenbedingungen und Anreize so setzen, dass Apotheker für eine qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung bezahlt werden. „Diesen Weiterentwicklungsprozess muss die Gesellschaft breit tragen und die Wissenschaft eng begleiten“, so der VdPP.



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2 Kommentare

Honorar neu denken.....

von Heiko Barz am 09.01.2018 um 13:32 Uhr

Die uns nach dem destruktiven EUGH Urteil zugestandenen Erhöhungen bei Rezeptur- und BTM Gebühr waren nur die bekannten Tropfen... Unsere Hauptforderung war zu dem Zeitpunkt eine klare Erhöhung des seit 2004 eingefrorenen Honorars. Um diese berufsentscheidende Sachlage vor der WAHL 2017 vom Feuer zu nehmen, kam durch GABRIEL der geschickte Schachzug, mit dem für mich damals schon klaren Ziel, dieses existenzielle Apothekenbegehren durch ein "Auftragsgutachten" zu hintertreiben.
Zielsetzung war klar:
Nach Apothekertag und WAHL und wie wir sehen, auch noch mit der gemeinzugespitzten und hinterlistigen, "offiziellen" Bekanntgabe so kurz vor Weihnachten.
Als Gabriel dieses Gutachten Anfang 2017 in Auftrag gab, war mir klar-und ich sehe auf 50 Jahre Pharmazie zurück-, dass
Das zu einer gewaltigen Depression in der Apothekerschaft führen wird.
Nacht-und Notdienstfonds, Rezeptur und BTM - Gebührenerhöhung waren dann wohl für die meisten SOZIES in unterschiedlichsten Parteien Zugeständnisse, die nun in deren Augen eine deutliche Unverschämtheit darstellten. Und nun noch höheres Honorar zu verlangen würden dem Fass den Boden ausschlagen.
Keiner dieser negierenden Protagonisten hat aber auf dem Schirm, wem sie die Milliarden schweren Einsparungen bei den GKVen zu verdanken haben.
Wie sagt hier mein Vorredner, wir könnten ja diese Gutachten "beklagen"?
Wir werden sicherlich kein faires Verfahren bekommen, dafür tummeln sich auf unserer Ebene zu viele kapitalistische Player.
Und ich sage hier bewusst "Player"!!

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Gutachten

von Dr. Radman am 09.01.2018 um 9:41 Uhr

o sehe ich das auch...
Das Gutachten darf uns nicht nervös machen. Ganz im gegen teil. Es wurde eine Tür geöffnet zur tiefgreifenden Diskussionen. Das Gutachten selbst ist extrem leicht zu widersprechen. Und hier liegen unsere Chancen.
Sollte aber wider erwarten die neue Regierung es voll oder teilweise umsetzen, haben wir gute Chancen dagegen zu klagen. Schönen Tag noch...

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