Neue Leitlinie bei Heuschnupfen

Nasales Cortison, ohne orales Antihistaminikum 

Stuttgart - 05.01.2018, 10:45 Uhr

Nach der Allergiesaison ist vor der Allergiesaison. (Foto:
henrik_a / stock.adobe.com)

Nach der Allergiesaison ist vor der Allergiesaison. (Foto: henrik_a / stock.adobe.com)


Ein „Schnupfen“ im Herbst, Winter und auch im Frühjahr ist häufig. Tritt er jedoch rezidivierend auf, empfiehlt sich eine allergologische Testung, vor allem wenn die Pollensaison bereits begonnen hat – was immer früher im Jahr schon der Fall ist. Kürzlich wurde in den amerikanischen „Annals of Allergy, Asthma  & Immunology“ eine neue Leitlinie zur Therapie der saisonalen allergischen Rhinitis veröffentlicht.

Muss man sich in der Apotheke jetzt schon mit „Heuschnupfen“ auseinandersetzen? Schaden kann es jedenfalls nicht. Denn teilweise wird schon im Januar über allergische Reaktionen berichtet.

Drei Fragen und drei Antworten in der neuen US-Leitlinie

Die neue US-Leitlinie versteht sich vor allem als Update einer Leitlinie aus dem Jahr 2008 und stellt sich konkret der Beantwortung von drei Fragen aus der Praxis. 
Die erste Fragestellung bezieht sich auf die Initial-Therapie einer moderaten bis schweren saisonalen allergischen Rhinitis ab zwölf Jahren: Existiert ein klinischer Nutzen, wenn man ein orales Antihistaminikum mit einem intranasalen Corticoid kombiniert - im Vergleich zum nasalen Corticoid allein? Die Antwort ist eindeutig: Eine Monotherapie mit nasalem Corticoid allein ist der Kombination aus nasalem Corticoid mit oralem Antihistaminikum vorzuziehen.

Die saisonale allergische Rhinitis heißt auch …

... Intermittierende Rhinitis

... Rhinitis allergica saisonalis

... Heuschnupfen

... Heufieber

... Pollinosis

Die zweite Frage beschäftigt sich mit der Initial-Therapie ab 15 Jahren: Wie groß ist der klinische Nutzen von Montelukast im Vergleich zu einem nasalen Corticoid?Auch hier liegt für die Experten der Vorteil klar beim nasalen Corticoid: Ein nasales Corticoid ist einem oralen Leukotrien-Rezeptor-Antagonisten vorzuziehen.

Und schließlich wollten die Leitlinien-Autoren bei moderater bis schwerer saisonaler allergischer Rhinitis ab zwölf Jahren wissen: Ist eine Kombinationstherapie aus nasalem Corticoid mit nasalem Antihistaminikum der jeweiligen Monotherapie überlegen? Die Antwort: Eine Kombination aus nasalem Corticoid und nasalem Antihistaminikum ist möglich.

Sind nasale Glucocorticoide also die erste Wahl?

Wirklich neu sind die drei Botschaften der aktuellsten Leitlinie nicht. Im Grunde bestätigen sie, was schon 2015 in der "Clinical Practice Guideline: Allergic Rhinitis" empfohlen wurde. Demnach sind nasale Corticoide zu empfehlen, wenn die allergische Rhinitis die Patienten in ihrer Lebensqualität einschränkt. Nicht ganz klar wird dabei, ob bei milderer Symptomatik orale oder nasale Antihistaminika vorzuziehen sind.

Weil die Wirkung schneller (als bei Corticoiden) eintritt, eine orale Anwendung möglich ist und auch Augensymptome gelindert werden, empfiehlt die Leitlinie von 2015 bei anfänglichen Symptomen - wie Niesen und Juckreiz - orale Antihistaminika (der zweiten Generation) als Monotherapie.

So unterstützen Sie Patienten bei der Entscheidung

Bei der Frage "nasales oder orales Antihistaminikum" siegt nicht unbedingt die Effektivität über den Patientenwunsch. Bei Nasenobstruktion wirken die nasalen Antihistaminika zwar besser als die oralen, sie sind aber teurer, schmecken bitter, müssen öfter angewendet werden und können auch sedierend wirken. Wenn der Patient die orale Einnahme also bevorzugt, kann mit einem oralen Antihistaminikum begonnen werden. Werden die Symptome anschließend nicht ausreichend kontrolliert, können stattdessen sowohl nasale Antihistaminika als auch nasale Corticoide versucht werden.

Eine Entscheidungshilfe findet man in der amerikanischen Leitlinie aus dem Jahr 2015 in Tabelle zwölf (hier ein Ausschnitt):

Nasale Gluco-corticoide Orale Anti-histaminika Nasale Anti-histaminika Leukotrien-Rezeptor-Antagonisten
Obstruktion +++ + ++ +
Rhinorrhö +++ ++ ++ +
Niesen +++ ++ ++ +
Nasaler Juckreiz +++ ++ ++ +
Milde Symptome ++ + ++ ja
Schwere Symptome ++ Nein + Nicht als Mono-therapie


Wenn die Monotherapie nicht ausreicht

Im Unterschied zur Leitlinie von 2015 bezieht sich die neue Leitlinie speziell auf die saisonale allergische Rhinitis (vgl. ganzjährige oder episodische allergische Rhinitis). Klar ist zwar, dass die Kombination aus nasalem Corticoid und nasalem Antihistaminikum effektiver ist; die Autoren der neusten Leitlinie stufen die Empfehlung zur Kombination aber dennoch als schwach ein, weil sich mit der Wirkung auch das Nebenwirkunsrisiko erhöht. Deshalb sprechen sie von einer „patient by patient decision“. 

Auch die Leitlinie von 2015 kam schon zu dem Schluss, dass ein nasales Antihistaminikum die Therapie mit einem nasalen Corticoid am effektivsten verstärkt. Wenn gerade die Obstruktion besonders ausgeprägt ist, könne aber über wenige Tage auch mit nasalem Oxymetazolin kombiniert werden.

Wenn der Patient keine Nasensprays mag ...

Was, wenn der Patient auf seinem oralem Antihistaminikum besteht, aber die Nasenobstruktion anhält? Die Leitlinie von 2015 empfiehlt dann das orale Antihistaminikum mit einem oralen Dekongestivum (zum Beispiel Reactine Duo) zu kombinieren. Wie beim Oxymetazolin-Nasenspray muss hierbei jedoch an die Toleranz-Entwicklung gedacht werden.
Somit war schon 2015 klar, dass die Kombination aus oralem Antihistaminikum und nasalem Corticoid keinen zusätzlichen klinischen Nutzen hat. Die neue US-Leitline von 2017 beschreibt die Kombination in der Praxis aber immer noch als üblich, weil ältere Leitlinen einen möglichen Zusatznutzen bei bestimmten Symptomen sahen. 

Orale Leukotrien-Rezeptor-Antagonisten (Montelukast) sollten nicht empfohlen werden, heißt es. Sie sind teurer und weniger effektiv. Allerdings können Asthma-Patienten von ihnen profitieren, wenn sie Montelukast bereits im Rahmen ihrer Asthma-Therapie einnehmen.

Alle Fragen und Antworten auf einen Blick ...

... zum Thema "Allergische Rhinitis", finden Sie in der März-Ausgabe der Medizinischen Monatsschrift für Pharmazeuten aus dem Jahr 2016 .

Und in Deutschland?

In westlichen Industrienationen ist die Prävalenz von atopischen Erkrankungen sehr hoch – dazu zählt auch die allergische Rhinitis. Deutschland nimmt dabei international mit einer Prävalenz der allergischen Rhinitis von ca. 24 Prozent einen mittleren Platz ein. Zusätzlich geht man von einem zwei- bis dreifachen Anstieg der Prävalenz der allergischen Rhinitis in Europa innerhalb der letzten Jahrzehnte aus. Die allergische Rhinitis wird von vielen Krankheiten begleitet: Der Rhinosinusitis, der allergischen Konjunktivitis, von Asthma, von Nahrungsmittelallergien und der atopischen Dermatitis. Zur Therapie gehören Karenzmaßnahmen, die Pharmakotherapie und gegebenenfalls eine (allergen-)spezifische Immuntherapie (SIT). 

Die aktuelleste deutsche Leitlinie  zur Rhinosinusitis empfiehlt sowohl bei rezidivierender akuter Rhinosinusitis als auch bei der allergischen Rhinitis nasale Corticoide. Die postitiven Effekte auf die Schleimhäute scheinen mögliche Nebenwirkungen deutlich zu übertreffen. Die Leitlinie hat sich dieser Frage gestellt, weil es eine Diskrepanz zwischen internationalen aktuellen Leitlinien und den beiden vorausgegangenen deutschen Leitlinien gab, die für den hausärztlichen Bereich bezüglich der Corticoide eher zurückhaltend formuliert waren.

Eine deutsche Leitlinie, die zur allergischen Rhinitis, aus dem Jahr 2003 erkannte den Vorteil der nasalen Corticoide schon früher: Sie bezeichnet sie als effektivste Therapie der allergischen Rhinokonjunktivitis. Sie würden neben den anderen nasalen Symptomen auch die Obstruktion stärker bekämpfen als orale Antihistaminika. Jedoch sah sie eine Kombination der beiden als sinnvoll an, weil die oralen Antihistaminika bezüglich der Linderung der Augensymptome den Corticoiden überlegen sind. 



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.