Evidenzlage bei Hustenmitteln

Honig essen, Zink nehmen und auf ACC verzichten?

Stuttgart - 13.12.2017, 07:00 Uhr

Keine Evidenz bedeutet nicht automatisch „wirkungslos“. (Foto: Halfpoint /stock.adobe.com)

Keine Evidenz bedeutet nicht automatisch „wirkungslos“. (Foto: Halfpoint /stock.adobe.com)


Sechs Fragen stellten sich amerikanische Wissenschaftler, um anhand von Studiendaten Evidenz in die Therapie von erkältungsbedingtem Husten zu bringen. Ihr Fazit ist – wie zu erwarten – bei ACC, Dextrometorphan & Co. ernüchternd. Honig scheint jedoch nicht das schlechteste Hustenmittel zu sein. Auch Zink sollten Apotheker empfehlen. Aber bedeutet „keine Evidenz“ automatisch auch „wirkungslos“? Und bilden sich Patienten die abschwellende Wirkung von Nasensprays nur ein? 

Geht es nach dem American College of Chest Physicians sollten Patienten mit einem erkältungsbedingten Husten hauptsächlich erst einmal abwarten. Bekannte medikamentöse Therapien mit ACC, NSAR oder Dextrometorphan kommen für die Forscher bei Erkältungshusten nicht infrage. Zu diesem Schluss kommt zumindest ein Experten-Team um Professor Mark Malesker von der Pharmazeutischen Fakultät der Creighton University. Sie werteten randomisierte klinische Studien (RCT) und bewerteten in der Zusammenschau die aktuell verfügbaren Daten hierzu.

Hilft ACC? Wirkt Dextrometorphan?

Sechs Fragen haben die Wissenschaftler genutzt, um die gängigen Therapieempfehlungen bei einem gewöhnlichen Erkältungshusten unter die Lupe zu nehmen. Fehlen darf hier natürlich nicht die Frage nach Acetylcystein (ACC) als Expektorans.

Verkürzt ACC den Husten – ja oder nein? Nach Durchsicht von drei RCTs kamen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass nach einer Therapiedauer von sechs bis sieben Tagen, der Husten sich unter ACC besserte. Allerdings mache man auch ohne pharmazeutische Intervention diese Beobachtung, sodass sie schlussendlich doch wieder von dem Hustenlöser abraten.

Der nächste Punkt, dem sich die Studien-Analysten widmeten, hinterfragte weitere OTC-Arzneimittel wie Bromhexin und Guaifenesin als Expektoranzien beziehungsweise Dextrometorphan und Codein als klassische Antitussiva. Verkürzen diese expektorienden und hustenstillenden Arzneimittel den Husten? Hier sei die Studienqualität eher schlecht, eine Empfehlung könne somit nicht ausgesprochen werden. Codein unterliegt in Deutschland der Verschreibungspflicht und entzieht sich dem beratenden OTC-Bereich der Apotheker.

Wie sieht es mit Antihistaminika aus? Oder mit systemischen Dekongestiva wie Pseudoephedrin? Auch hier dürfte das Fazit der Wissenschaftler wenig überraschen: Keine Empfehlung für Paracetamol, Diphenhydramin und Pseudoephedrin-Kombis. Selbst wenn die Experten wohl durchaus positive Daten für eine Kombination aus Paracetamol, Ephedrin, Dextrometorphan und Doxylamin fanden, für eine Empfehlung überzeugten die Daten wohl nicht ausreichend.

Honig gegen Husten? Und: Zink hilft!

Auch kein gutes Haar lassen die Wissenschaftler an NSAR. Können NSAR einen Husten bessern? Laut den ausgewerteten Daten der Expertengruppe nicht. So seien NSAR nicht in der Lage, die Dauer oder die Stärke des Hustens in irgendeiner Form positiv zu beeinflussen. Allerdings sehen sie dafür durchaus Potenzial in Honig.

Wie wirkt sich Honig auf Husten aus? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, analysierten die amerikanischen Forscher RCTs, die sich mit Honig als Hustentherapie bei Kindern beschäftigten. Die Wissenschaftler kamen zu dem Schluss, dass Honig durchaus einen guten Effekt bei akutem Husten erzielen könne, da es vergleichbar gut antitussiv wirke wie Dextrometorphan und verglichen mit Placebo sogar wirksamer sei.

Auch zu einer Empfehlung für Zink-Präparate können sich die Amerikaner durchringen. Denn die Frage, ob Zink die Hustendauer verkürzt, kann mit „ja“ beantwortet werden. In einer Dosis von 75 mg pro Tag, am besten innerhalb der ersten Stunden nach Beginn der Hustensymptomatik, könne Zink durchaus den Husten verkürzen. Einschränken müssen die Wissenschaftler ihre Empfehlung für Kinder. Da diese zugrunde liegenden Untersuchungen hauptsächlich in Zinkmangel-Ländern durchgeführt wurden, könnten diese Daten nicht auf Länder mit einer guten Zinkversorgung wie die Vereinigten Staaten übertragen werden.

Keine Evidenz bedeutet nicht automatisch „wirkungslos“

Somit ist es mit der Evidenz bei OTC-Arzneimitteln gegen Husten oder Erkältungskrankheiten in den Vereinigten Staaten auch nicht besser bestellt als hierzulande. Das sollte allerdings auch nicht den „Todesstoß“ für diese Präparate bedeuten. Apotheker müssen stets auch den Wunsch des Patienten berücksichtigen. Der „Patientenwunsch“ oder das „Patientenbedürfnis“ ist fester Bestandteil einer evidenzbasierten Medizin.

Auch ohne Evidenz: Jeder weiß, dass Nasensprays wirken

Auch bedeutet der alleinige Umstand, dass keine Evidenz vorliegt, nicht automatisch, dass diese Arzneimittel wirkungsfrei sind. Das zeigte, mehr als deutlich, ein im vergangenen Jahr publizierter Cochrane-Review zu abschwellenden Nasensprays. Hier kamen die Autoren nach Durchsicht von 15 randomisierten, Placebo-kontrollierten Studien mit fast 2000 Teilnehmern zu einem interessanten und überraschenden Schluss.

Die Mehrfachgabe von abschwellenden Nasentropfen oder -sprays hat laut Cochrane-Analyse einen kleinen positiven Effekt auf das Symptom „verstopfte Nase“. Zumindest dem subjektiven Empfinden der Studienteilnehmer nach. Inwiefern dieser Effekt klinisch relevant sei, ließe sich jedoch nicht sagen. Und so reiche die Evidenz nicht aus, um belastbare Schlussfolgerungen zu ziehen. Für eine Einmalgabe von Dekongestiva sei die Datenlage noch dünner,  sodass man hier überhaupt keine Schlussfolgerungen ziehen könne.

Allerdings weiß nun wohl jeder aus leidvoller Erfahrung mit einem durchlebten Schnupfen, einer verstopften Nase und drohenden schlaflosen Nächten aufgrund von Atembeschwerden wie segensreich Xylometazolin sein kann. Auch ohne Evidenz.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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8 Kommentare

Gegen Husten kein Kraut

von Dr. Claus Geiselhart am 18.12.2017 um 17:47 Uhr

Viele nicht verschreibungspflichtige pflanzliche Arzneimittel (sog. „OTC-Präparate“) sind in Deutschland auf Basis der umfangreich nachgewiesenen Wirksamkeit und Unbedenklichkeit vom BfArM zugelassen. Das erkennt man an der Zulassungsnummer in der Fachinformation. Unbedenklichkeit alleine reicht dafür nicht aus. Gerade bei pflanzlichen Arzneimitteln gegen Atemwegsinfekte wurde für mehrere Präparate die Wirksamkeit in großen placebokontrollierten Studien nachgewiesen. Beispiel Umckaloabo®: So liegen allein für den Extrakt EPs® 7630 aus der Kapland-Pelargonie Studiendaten zu 4300 Patienten aus placebokontrollierten Doppelblindstudien vor. In aller Regel sind solche Studiendaten auch die Basis für die Aufnahme in Leitlinien-Empfehlungen
Darüber hinaus können pflanzliche Wirkstoffe auch als sog. traditionell registrierte Arzneimittel mit dem Nachweis der Unbedenklichkeit auf den Markt kommen. Das erkennen wir daran, dass das Anwendungsgebiet den Zusatz trägt: „Traditionelles Arzneimittel, ausschließlich auf Grund langjähriger Anwendung für das Anwendungsgebiet registriert“.
Welcher Wirksamkeitsbeleg einem Arzneimittel zu Grunde liegt, lässt sich auf diese Weise einfach der Fachinformation entnehmen.
Dr. Claus Geiselhart, Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Gegen Husten wirklich kein Kraut gewachsen?

von Dr. Claus Geiselhart am 14.12.2017 um 11:17 Uhr

Falsche alte Weisheiten bleiben auch bei stetiger Wiederholung falsch. Das gilt hier gleich doppelt: Einer unwirksamen chemischen Therapie von Erkältungshusten stehen in Deutschland zugelassene pflanzliche Arzneimittel mit nachgewiesener Wirksamkeit bei diesen Beschwerden gegenüber. Es gibt also Alternativen.
Zudem verkürzen solche Phytopharmaka signifikant die Dauer von Erkältungskrankheiten. Patienten sind damit schneller wieder gesund und arbeits- oder schulfähig.
Beispiele finden sich in Leitlinien wie der DEGAM-Leitlinie Nr. 11 Husten (053/13), der S2k-Leitlinie Rhinosinusitis 017/049 (HNO) und 053/012 (DEGAM) sowie auch dem European Position Paper on Rhinosinusitis and Nasal Polyps (Rhinology supplement 23:1-298, 2012).

Wer Augen hat, der sehe (nicht nur auf US-Empfehlungen) …

Dr. Claus Geiselhart, Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Gegen Husten wirklich kein Kraut

von Felix Maertin am 15.12.2017 um 16:45 Uhr

Zugelassen ja, aber wirksam? Ein Arzneimittel muss in Deutschland als OTC-Präparat keine Wirkung nachweisen, nur seine Unbedenklichkeit. Oder meinen Sie die kleinen Studien mit ein paar Dutzend Patienten? Mir ist bewusst, dass keine großen Studien finanziert werden können, allerdings ist „wirksam“ ein dehnbarer Begriff.
Wenn etwas in Leitlinien steht, bedeutet es noch keine nachgewiesen Wirksamkeit gegen Placebo.
Thymian - ein Kraut gegen Husten?
https://www.medizin-transparent.at/ein-kraut-gegen-husten

Und wenn wir schon bei „wirksam“ sind. Kennen Sie schon die Einschätzung der EMA über Tebonin/Ginko? Meiner Meinung nach ein Skandal, über den keiner spricht...
https://www.arznei-telegramm.de/html/htmlcontainer.php3?produktid=001_02&artikel=1701001_02
Um den Artikel lesen zu können, muss allerdings ein Abo besten. Dies kann ich aber jedem wärmstens empfehlen.

AW: Hinweis von Herrn Maertin zu Ginkgo

von PD Dr. Gunnar Detz, Schwabe Pharma Deutschland am 20.12.2017 um 16:01 Uhr

Ihre Anmerkung über die europäische Arzneimittelbehörde (EMA) gibt uns Anlaß, die Geschichte der Bewertung zu Tebonin/Ginkgo darzulegen.
2015 haben Experten des Komitee für pflanzliche Arzneimittel (Committee on Herbal Medicinal Products, HMPC) der EMA nach dreijähriger Begutachtung der wissenschaftlichen Daten die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Ginkgo-Blattextrakt bewertet (HMPC European Union herbal monograph on Ginkgo biloba L., folium http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Herbal_-_Community_herbal_monograph/2015/04/WC500185243.pdf ). An der Bewertung der Daten waren Experten aus allen EU Ländern beteiligt. Der „herbal monograph“ ist Ergebnis eines Konsensus all dieser Experten. Die Behörde kam zu dem Schluss, dass die Wirksamkeit von Ginkgo-Blattextrakt zur Verbesserung altersassoziierter geistiger Leistungseinbußen und der Lebensqualität bei leichter Demenz durch aussagekräftige Studien nachgewiesen ist. Täglich sollten 240 mg Ginkgo-Extrakt eingenommen werden, entweder als Einmaldosis oder zweimal 120 mg.
Auch die deutsche S3 Leitlinie Demenzen vom Januar 2016 (frei zugänglich unter http://www.dgn.org/images/red_leitlinien/LL_2016/PDFs_Download/038013_LL_Demenzen_2016.pdf ) bescheinigt den Studien zur Wirksamkeit von EGb 761® bei Alzheimer-Demenz oder vaskulärer Demenz den höchsten Evidenzgrad Ia. Diese Empfehlung wurde ausschließlich für EGb 761®, nicht aber für andere standardisierte Ginkgo-Extrakte ausgesprochen. Über fünf Jahre lang hatten 23 medizinische Gesellschaften, Berufsverbände und Organisationen unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) sowie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) die Behandlungsmöglichkeiten von Demenzen wissenschaftlich ausgewertet. Eine derart sorgfältige wissenschaftliche Prüfung mag manchem übertrieben erscheinen, ist aber der Komplexität der Materie durchaus angemessen.

Zink-Dosierung?

von Apothekerin123 am 13.12.2017 um 13:33 Uhr

75 mg reines Zink erscheint mir doch ziemlich viel, auf welche Zinkverbindung bezieht sich diese Angabe?

» Auf diesen Kommentar antworten | 4 Antworten

AW: Zink-Dosierung

von Albrecht Bodegger am 13.12.2017 um 19:44 Uhr

Die Angaben im Beipackzettel beziehen sich meines Wissens nach immer auf die reinen Zink-Ionen. Bei gängigen Präparaten entspricht das 1 1/2 bis 3 (Brause-)Tabletten pro Tag. Auf welcher Grundlage 'erscheint' Ihnen das viel?

AW: Zink-Dosierung

von Apothekerin123 am 13.12.2017 um 19:50 Uhr

Die herkömmlichen Präparate wie ZinkHexal oder Unizink 50 enthalten meines Wissens 10 mg reine Zink-Ionen. Die empfohlene Dosierung beläuft sich auf 10 mg Zink pro Tag. Da erscheint mir die Einnahme von 7-8 Einzeldosen doch schon viel! Auf welche Präparate beziehen Sie sich denn?

AW: Zink-Dosierung

von Albrecht Bodegger am 13.12.2017 um 21:26 Uhr

Mit Unizink 50 haben Sie Recht. Das wir wohl doch unterschiedlich gehandhabt von den Herstellern. Mal steht die Zahl für das reine Zink und mal für die Zink-Verbindung. Zinkorot 25, Zink ratiopharm und Zink Hexal enthalten 25 mg Zink. Da kann man kurzzeitig schon mal drei pro Tag einnehmen.

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