Bericht über Todesstrafe

Zwei US-Staaten wollen mit Fentanyl hinrichten

Stuttgart - 12.12.2017, 09:00 Uhr

Tod durch „Giftspritze“: Die Diskussion um die Todesstrafe in den USA klingt wie aus einer anderen
Zeit, bleibt aber aktuell.  (Foto: DDRockstar / stock.adobe.com)

Tod durch „Giftspritze“: Die Diskussion um die Todesstrafe in den USA klingt wie aus einer anderen Zeit, bleibt aber aktuell.  (Foto: DDRockstar / stock.adobe.com)


Es klingt zynisch: Die Opioid-Epidemie bringt derzeit viele Menschen in den USA um ihr Leben. Und trotzdem soll Fentanyl jetzt auch für die Vollstreckung der Todesstrafe genutzt werden. Berichten der „Washington Post“ zufolge drängen die beiden US-Bundesstaaten Nevada und Nebraska auf die erste Hinrichtung mithilfe von Fentanyl. In Nevada sollte Fentanyl bereits vergangenen November zum Einsatz kommen; ein Gericht verhinderte das – zunächst.

Seit Pharmahersteller sich der Auslieferung von „Giftspritzen“ an die US-Regierung verweigern, suchen US-Gefängnisse nach neuen Arzneimittel-Kombinationen zur Hinrichtung ihrer zum Tode verurteilten Häftlinge. Schon im November sollte in Nevada ein Häftling mit einer Substanzmischung hingerichtet werden, die unter anderem Fentanyl enthielt – ein Gericht schritt jedoch ein. Das berichtete vergangenen Samstag die „Washington Post“. 

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Im kommenden Jahr könnten Nevada und Nebraska dennoch erstmals einen Todeskandidaten durch den Einsatz von Fentanyl hinrichten. Ärzte und Gegner der Todesstrafe wollen das verhindern, heißt es im Artikel der „Washington Post“.

Warum ausgerechnet Fentanyl?

Zwischen 2012 und 2014 hat sich die Zahl der Todesopfer im Zusammenhang mit Fentanyl im Rahmen der Opioid-Epidemie in den USA mehr als verdoppelt. Dennoch wollen die beiden Staaten Nebraska und Nevada nicht davon absehen, Fentanyl in „Giftspritzen“ einzusetzen. Erfahrungen mit dem Einsatz von Fentanyl zur Todesstrafe gibt es bislang keine. 

Schon länger experimentieren Staaten wie Florida mit neuen Zusammensetzungen der „Giftspritzen“, weil sich Pharmahersteller weigern, die ehemals routinemäßig angewendeten Substanzen weiterhin an die US-Gefängnisse auszuliefern. Der US-Staat Mississippi soll dieses Frühjahr Stickstoff-Gas als Hinrichtungsmethode erlaubt haben, auch diesen Weg hat zuvor kein anderer Staat beschritten. Andere Staaten wenden sich älteren Methoden zu, wie dem elektrischen Stuhl oder Erschießungskommandos. 

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Selbst wenn die Substanzen als Arzneimittel bekannt und gut erforscht sind, weiß keiner wirklich, wie sie sich bei einer Hinrichtung auswirken. Mit schlechtem Beispiel voran ging dabei bereits der Wirkstoff Midazolam.

Warum nun ausgerechnet Fentanyl zu Beginn des nächsten Jahres in Nevada und Nebraska zum Einsatz kommen soll, wollten die betreffenden Gefängnisse der Washington Post nicht verraten. Doch die Potenz des Fentanyls ist spätestens seit Bekanntwerden seines missbräuchlichen Einsatzes auch bei Laien kein Geheimnis mehr. Und dass es nicht gerade schwer zugänglich ist, zeigt die Opioid-Epidemie auf genauso tragische Weise: „Wir haben es einfach bestellt – wie andere Medikamente auch“, teilte ein Sprecher des Gefängnisses in Nevada der Washington Post via E-Mail mit. Dabei sei rein gar nichts ungewöhnlich. 

„Anleitung zur Hinrichtung“ 

Der „Washington Post“ liegt ein Dokument mit dem Titel „Execution Manual“ aus Nevada vor. Darin wird ausführlich beschrieben, wie die Hinrichtung vorzubereiten wäre. Das Vorgehen sei vom Verfahren bei Operationen am offenen Herzen abgeleitet worden. Demnach würde der Verurteilte nicht nur Fentanyl sondern zunächst Diazepam verabreicht bekommen.

Als Dritte Substanz würde dann Cisatracurium zusätzlich verabreicht werden. Gerade die letzte Substanz sehen Kritiker besonders skeptisch. Sie befürchten, dass – sollten die ersten beiden Arzneimittel nicht wie geplant wirken – die Verurteilten auf qualvolle Weise sterben würden, ohne dass Augenzeugen etwas davon bemerkten. Denn Cisatracurium ist ein Muskelrelaxanz und dies war der Grund, warum der Richter in Nevada die für November geplante Hinrichtung aufgeschoben hat. In Nebraska soll die Substanzmischung im Januar nun dennoch bei einer Hinrichtung zum Einsatz kommen. Zusätzlich werde Kaliumchlorid eingesetzt.

Auf der Suche nach einer „humanen“ Hinrichtungsmethode 

Auch das klingt zynisch – dennoch ist es genau das, was ausgerechnet den Gegnern der Todesstrafe vorgeworfen wird: Wenn sie wirklich am Wohl der Verurteilten interessiert wären, würden sie nicht die Verfügbarkeit der bewehrten Substanzen behindern, so die Befürworter der Todesstrafe. 

Der aktuell betroffene Häftling aus Nevada, würde laut „Washington Post“ am liebsten per Erschießungskommando hingerichtet werden. Deborah Denno, Juraprofessorin an der Fordham University, bestätigte gegenüber der „Washington Post“ diese Präferenz des einzelnen Häftlings als „effizienteste“ Methode.

Denno beschäftigt sich seit einem Vierteljahrhundert mit der Todesstrafe und hält den Befürwortern der Todesstrafe entgegen: „Der Grund, warum wir nach immer weiteren Substanzen suchen, ist nicht, dass wir das für die Verurteilten tun. In Wahrheit macht man das für die Menschen, die die Hinrichtung mit ansehen müssen.“ Man wolle sich nicht dem Unwohlsein aussetzen, das eine solche Hinrichtung eben mit sich bringe, wenn man sie als das betrachten muss, was sie wirklich ist: Die Tötung eines Menschen. 

2017 sollen 23 Häftlinge hingerichtet worden sein – so wenige wie schon lange nicht mehr. 19 Staaten haben die Todesstrafe inzwischen wieder abgeschafft. 



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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