Versandhandel

ABDA und DocMorris wollen die Welt verbessern

Berlin - 12.12.2017, 14:20 Uhr

Bei der Handelsblatt-Tagung diskutierten (v.l.n.r) Mani Rafii (Barmer), Claudia Korf (ABDA), Jörg Wieczorek (BAH), Christian Buse (BVDVA), Max Müller (DocMorris) und Moderator Jürgen Wasem. (Foto: Külker)

Bei der Handelsblatt-Tagung diskutierten (v.l.n.r) Mani Rafii (Barmer), Claudia Korf (ABDA), Jörg Wieczorek (BAH), Christian Buse (BVDVA), Max Müller (DocMorris) und Moderator Jürgen Wasem. (Foto: Külker)


Eine Annäherung zwischen der ABDA und DocMorris im Versandhandelskonflikt? Die ist weiterhin undenkbar. Auch bei einer Diskussion auf der Handelsblatt-Tagung „Health“ am heutigen Dienstag stritten sich die ABDA-Wirtschaftschefin Claudia Korf und DocMorris-Vorstandsmitglied Max Müller darüber, wer die Welt denn nun wirklich verbessern könne. Die einzige Überraschung in der Runde: Die vehementeste Unterstützung pro Rx-Versandverbot kam nicht von der ABDA.

Am heutigen Dienstag trafen sich bei der Handelsblatt-Tagung in Berlin mehrere Akteure aus der Apotheken- und Arzneimittelbranche, um über die Zukunft der Arzneimittelpreisverordnung zu diskutieren. Neben Korf und Müller nahmen Christian Buse, Chef des Bundesverbandes Deutscher Versandapotheken (BVDVA), Mani Rafii, Vorstandsmitglied bei der Barmer, und Jörg Wieczorek, Vorsitzender des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller (BAH), an der Diskussion teil.

Doch bevor bei der Diskussion die Fetzen fliegen konnten, hatten Buse und Müller die Möglichkeit, ihre Sicht auf die Dinge in Kurzvorträgen darzustellen. Buse stellte Zahlen zum Arzneimittelmarkt vor, mit denen er seine Grundthese untermauern wollte: „Dass der Versandhandel nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung durch die Decke gegangen ist, das ist nicht der Fall“, so der BVDVA-Chef. Buses Zahlen zufolge habe der Versandhandelsumsatz in den Monaten Januar bis September 2017 im Rx-Bereich 227 Millionen Euro betragen, das entspreche einem Plus von 4,2 Prozent. Im OTC-Bereich hätten die Versender allerdings ein Plus von 10,4 Prozent seit Jahresbeginn hinlegen können.

Zur Auflösung des Versandhandels-Konfliktes stellte Buse seinen seit Monaten bekannten Vorschlag vor: Statt den Fixpreisen soll es Höchstpreise samt eines Boni-Deckels geben. Gleichzeitig sollen Apotheker aus ihrem Honorar 16 Cent zusätzlich an den Nacht- und Notdienstfonds abzweigen, womit sich die Notdienstpauschale auf ca. 560 Euro erhöhen würde. Buse dazu: „Gerade Landapotheken würden überproportional davon profitieren. Die betroffenen Apotheker könnten von den Zugewinnen auch neue Mitarbeiter für sich gewinnen.“ Die Grünen-Bundestagsfraktion hatte vor einigen Monaten einen ähnlichen Gesetzgebungsvorschlag ins Parlament eingebracht.

Max Müller: Wir wollen die Welt verbessern

Einen wenig konkreten, dafür aber visionär anmutenden Vortrag hielt DocMorris-Vorstandsmitglied Max Müller. Der DocMorris-Funktionär sprach über gesellschaftliche Veränderungen, bei denen die Digitalisierung eine immer größer werdende Rolle spiele. „Die Digitalisierung ist in der Gesellschaft angekommen, wir im Gesundheitswesen müssen diese Herausforderung annehmen und Versorgungsmodelle entwickeln.“ Er sehe es als eine Aufgabe seines Unternehmens, „Ängste zu nehmen, aufzuklären und zu erläutern“. Denn: „Die Debatte um die Digitalisierung ist hierzulande oftmals angstgetrieben, statt fortschrittgetrieben.“

Aus Sicht von Müller ist es ganz einfach: Beteiligt sich das deutsche Gesundheitswesen nicht am digitalen Fortschritt, wird es von anderen Ländern überholt. „Es geht uns nicht um den Streit ‚Alt gegen Neu’ oder ‚Vor-Ort-Apotheke gegen Versandapotheke‘. Wir müssen alle an dieser Entwicklung partizipieren, sie wird sich nicht mehr aufhalten lassen. Wir bei DocMorris wollen die Welt jedenfalls jeden Tag ein Stückchen besser machen.“

„Uns beschäftigt nicht nur das EuGH-Urteil“

Angesprochen auf diese These reagierte die Wirtschaftschefin der ABDA, Claudia Korf, bei der nachfolgenden Diskussion so: „Wir machen die Welt heute schon jeden Tag ein Stückchen besser.“ Auf die Frage, ob die Welt denn untergehe, wenn es weitere Deregulierungen für die Versandhändler gäbe, antwortete Korf erst gar nicht, dann ausweichend: „Also die Welt geht jedenfalls nicht unter, wenn die Arzneimittelpreisverordnung untergeht.“ Ohnehin klangen die Töne von ABDA-Vertretern für das Rx-Versandverbot schon einmal vehementer. Korf sagte, dass das Verbot „nur eine Frage“ in der derzeitigen Diskussion sei. Eine davon getrennte, aber ebenso wichtige Frage sei, wie die Apotheker künftig bezahlt würden. Korf wörtlich: „Uns beschäftigt nicht nur das EuGH-Urteil, da laufen viele Impulse, die man in der Zusammenschau diskutieren muss. Das Verbot ist nur ein Aspekt im gesamten Setting.“ Sie sprach sich für eine „Paketlösung“ anstelle von vielen kleinteiligen Regulierungen vor.

Darauf angesprochen verteidigte Korf die Sinnhaftigkeit eines eventuellen Rx-Versandverbotes trotzdem. Das Verbot sei der einzige Weg, die Gleichpreisigkeit aufrechtzuerhalten. Alle anderen Wege seien „nur Krücken“. Sie erinnerte an den „Deal“, den Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) auch immer wieder einbringt: „Der Versandhandel wurde damals zugelassen, mit der Voraussetzung, dass die Gleichpreisigkeit erhalten bleibt.“ In Sachen Digitalisierung übte Korf zudem heftige Kritik am Vortrag von Max Müller. „Digitalisierung ist nicht gleich Versandhandel. Die Digitalisierung ist somit nicht automatisch mit einem Nutzen für die Gesellschaft verbunden. Man muss sich genau überlegen, wie man die Digitalisierung einsetzt, um die Versorgung auch zu verbessern.“ Die Apotheken verfolgten genau diese Strategie: Erstens individuelle, digitale Angebote in den Apotheken, zweitens die Telematikinfrastruktur und drittens künftige Versorgungsangebote, die die Standesvertretungen der Apotheker mit „Partnern“ aushandeln wollen.

Zur Rolle des Versandhandels in der Versorgung erklärte Korf, dass der Online-Handel aus Sicht der Apotheker eine „substitutive, also ergänzende Funktion“ habe. Er könne aber nicht die Regelversorgung übernehmen. Korf weiter: „Und genau deswegen setzen wir uns auch dafür ein, dass die Apotheker mehr pharmazeutische Dienstleistungen in den Apotheken anbieten und dafür auch vergütet werden.“

Wieczorek (BAH): Versandhandel gefährdet die Versorgung

Als einziger Diskutant sah BAH-Chef Jörg Wieczorek es als gegeben an, dass die „flächendeckende Arzneimittelversorgung durch den Versandhandel gefährdet“ sei. Wieczorek begründete das einerseits mit dem Sachleistungsprinzip: „In diesem Prinzip sind keine Boni und Geldvorteile vorgesehen. Wer so etwas plant, stellt das gesamte System infrage.“ Wieczorek wies außerdem darauf hin, dass der Rx-Versand derzeit in 21 anderen Ländern verboten sei.

Max Müller warf Wieczorek daraufhin vor, „eine Mauer rund um Deutschland bauen zu wollen“. Auch in Richtung ABDA teilte Müller aus: „In den Gesprächen mit der Politik in der vergangenen Legislaturperiode hätte die ABDA statt des Rx-Versandverbotes so viel haben können: Eine höhere Vergütung, auch für Dienstleistungen, auch eine engere Beteiligung der Apotheker am Medikationsplan war im Spiel. Aber Sie haben alles abgelehnt!“, sagte Müller in Richtung Korf.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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5 Kommentare

DocMorris Versand

von Dieter Beck am 13.12.2017 um 16:36 Uhr

Ich habe bei DocMorris u.a. Insulin bestellt. Von der Bestellung bis zur Lieferung sind zehn Tage vergangen. Wer garantiert, dass die Kühlkette eingehalten wird. Ich als Patient hole zumindest solche Medikamente wieder in der vor Ort Apotheke. Zumindest der Versand von solchen Medikamenten wie beispielsweise Insulin, sollte verboten werden.

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Weltverbesserer?

von Heiko Barz am 13.12.2017 um 13:24 Uhr

Auf welchem Planeten lebt dieser Morris Müller eigentlich.
Fällt es nicht langsam unangenehm auf, dass dieser holländische Versender sich überall und in fast jede Arzneimitteldiskussion hineindrängt. Ist er denn der ausgewiesene Supermanager aller Versender oder wie soll man dessen allgegenwärtige Präsenz anders interpretieren.
Ich glaube, die anderen Versender lassen ihn zu ihrem Vorteil an der Front herumtoben. Für jene wird immer etwas abfallen.

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Lebensfähigkeit?

von Reinhard Rodiger am 12.12.2017 um 23:52 Uhr

"...Apotheken folgen der Strategie: Erstens individuelle, digitale Angebote in den Apotheken,zweitens die Telematikinfrastruktur und drittens künftige Versorgungsangebote, die die Standesvertretungen der Apotheker mit „Partnern“ aushandeln wollen."

Wenn die ABDA (Frau Korf) so argumentiert, entsteht der Eindruck, das zwischenzeitliche Gutachten ist noch nicht ins Bewusstsein gedrungen.Die Debatte ging um die "gerechte Arzneimittelpreisverordnung"."Die Welt geht nicht unter, wenn.. (sie) ..untergeht" (O-Ton Korf).Bezogen auf die Welt mag das so sein, nicht jedoch bezogen auf die Berufswelt.

Es wird auf nicht näher definierte Dienstleistungen gesetzt, die selektiv? ausgehandelt werden.Das ist ohne gerechte Arzneimittelpreisverordnung eine Art Selbstmord.

Dies geschieht in einem Umfeld,in dem von digitalem Wissensmanagement und den Konsequenzen der Digitalisierung gesprochen wird.Die Überlegungen hierzu wirken konkreter als nicht näher definierte Dienstleistungen.

Da gibt es wohl noch viel zu tun,um eine gerechte Arzneimittelpreisverordnung und damit Lebensfähigkeit zu sichern.

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AW: Lebensfähigkeit ohne Weichteile?!

von Christian Giese am 13.12.2017 um 13:30 Uhr

Der Fisch wird zerlegt, jeder Furz wird quantifiziert, ökomomisiert.
Mit Zahlen lässt sich besser runterrechnen als mit Worten, weg mit den Weichteilen, soft skills, Beratung, Zuhören und Empathie, Gemeinwohl usw.
Was bleibt? Die Gräten bleiben.
Lebensfähig?

Versandhandel, Digitalisierung

von Gerhard Wandel am 12.12.2017 um 21:56 Uhr

Es ist immer wieder belustigend, wenn Herr Max Müller Versandhandel und Digitalisierung in Verbindung bringt. Herr Neckermann und seine Vorläufer konnten sehr gut Versandhandel aber kannten keine Digitalisierung Das eigentliche Problem ist der EU-Grenzen überschreitende Versandhandel mit Arzneimitteln. Das Urteil des EUGH zu Boni widerspricht meines Erachtens eklatant den römischen Verträgen. Momentan scheint mir die Reaktion des sozialdemokratischen Koalitionspartners eher auf ein merkwürdiges Verhältnis zu Staatsverträgen hinzudeuten, als Lösungen für ein seit dreizehn Jahren funktionierendes System des Versandhandels - mit bisher allseits konsentierten Regeln - nach diesem merkwürdigem EUGH - Urteil zu suchen. Als Störer des Systems der Arzneimittelversorgung sind meines Erachtens bisher nur Versandapotheken aus den Niederlanden aufgetreten, die dank unklarer Gesetzeslage im nahezu rechtsfreiem Raum agieren können.
Digitalisierung haben Apotheker übrigens schon in der Anfangsphase der Personal Computer betrieben. Damals anfangs der achtziger Jahre als MSDOS noch nicht verfügbar war, haben Apotheker selbst ein Disk Operating System (DOS) entwickelt, um PCs apothekentauglich zu machen ( mir fällt zur Zeit nur der Kollege Fischer mit FIDOS ein). Damals ging es zunächst um Gewinnung von Interaktionsdaten, die in der Beratung erforderlich waren und erst später um die Nutzung in der Warenwirtschaft. Ein großes Nachrichtenmagazin nannte Versandhändler übrigens "Datenkonzerne mit angeschlossenem Warenlager". Warten wir also mit politischer Unterstützung "Bedenken später" auf die Amazonisierung unseres Gesundheitswesens?
Gerhard Wandel, pensionierter Apotheker

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