NHS England

Homöopathika und pflanzliche Arzneimittel werden nicht mehr bezahlt

Remagen - 06.12.2017, 09:15 Uhr

Pflanzliches und Homöopathika müssen Engländer künftig aus eigener Tasche bezahlen. OTC könntne folgen. (Foto: picture alliance/Arcaid)

Pflanzliches und Homöopathika müssen Engländer künftig aus eigener Tasche bezahlen. OTC könntne folgen. (Foto: picture alliance/Arcaid)


Nach Abschluss eines Konsultationsverfahrens hat der Nationale Gesundheitsdienst von England (NHS England) jetzt beschlossen, dass bestimmte Arzneimittel und Arzneimittelgruppen nicht mehr vom NHS übernommen werden. Über die OTC-Arzneimittel ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, aber auch das könnte kommen.

Der NHS England hat neue Leitlinien herausgegeben, wonach die Allgemeinärzte und die Beschaffungsdienste des NHS (Clinical Commissioner Groups, CCPs) einige Arzneimittel, die möglicherweise nicht wirksam oder von geringem klinischem Wert sind, aus dem Arzneimittelrepertoire zulasten des NHS streichen sollen. Weitere elf sollen nur noch eingeschränkt verwendet werden. Damit erhofft sich der Nationale Gesundheitsdienst Einsparungen von bis zu 141 Millionen Pfund pro Jahr. 

Komplettausschlüsse und Beschränkungen

Die Ankündigung ist das Ergebnis eines Anhörungsverfahrens im Frühjahr 2017 zu einer Vorschlagsliste mit 18 Behandlungen, die in der Primärversorgung nicht mehr routinemäßig verschrieben werden sollten. 

Nach Prüfung der vorgetragenen Argumente sollen nun die folgenden nicht mehr vom NHS bezahlt werden:

  • Homöopathika und pflanzliche Arzneimittel (keine klare oder robuste Evidenz),
  • Omega-3-Fettsäuren (Fischöl) (essenzielle Fettsäuren, die auch durch die Ernährung zugeführt werden können, geringe klinische Wirksamkeit),
  • Co-Proxamol (Zulassung wegen Sicherheitsbedenken zurückgezogen),
  • Rubefazientien (ausgenommen topische NSAR) (begrenzte Evidenz),
  • Lutein und Antioxidanzien (zur Behandlung der altersbedingten Makuladegeneration, geringe klinische Wirksamkeit),
  • Glucosamin und Chondroitin (gegen Gelenkschmerzen, geringe klinische Wirksamkeit).

Weiterhin wurden für fünf Wirkstoffe/Wirkstoffgruppen Modifikationen oder Klarstellungen beschlossen (Liothyronin, Reiseimpfungen, Lidocain-Pflaster und Fentanyl mit direkter Freisetzung). Nähere Einzelheiten sind hier nachzulesen.

Die Beratungen über die vorgeschlagenen Ausschlüsse von OTC-Arzneimitteln sollen im nächsten Jahr mit einer umfassenden Konsultation weiterverfolgt werden. Hier geht es um Medikamente, die ohne Rezept erworben werden können und dann eventuell billiger sind als über den NHS und/oder zur Behandlung selbstlimitierender Erkrankungen, wie etwa Erkältungen, oder auch in der Selbstbehandlung eingesetzt werden.

Apotheker halten den Schritt für richtig

Die Chefin des Verhandlungsgremiums der Apotheker (Pharmaceutical Services Negotiating Committee, PSNC) Susan Sharpe hält den Schritt im Prinzip für richtig: „In der Finanzierungskrise, in der der NHS steckt, wird es immer wichtiger, dass wir die Selbstbehandlung unterstützen“, sagt Sharpe. „Der NHS sieht die öffentlichen Apotheken hierfür als erste Anlaufstelle für die Patienten. Dies ist richtig, denn Apotheken bieten Beratung und Behandlung an günstig gelegenen Orten an und haben lange Öffnungszeiten. Außerdem braucht man keinen Termin.“ Aber diejenigen, die die Belastung von den Hausarztpraxen und Notfallambulanzen in Richtung Apotheke verlagern, müssten auch erkennen, dass die öffentliche Apotheke dies ohne eine angemessene Ausstattung mit Ressourcen ebenfalls nicht bewerkstelligen können, fährt Sharpe fort. Ohne Anerkennung und Unterstützung seien die Apotheken nicht in der Lage, das Sicherheitsnetz zur Verfügung zu stellen, das der NHS so dringend benötige.  

Mehr auf die Minor Ailment Services setzen

Der Direktor NHS Services beim PSNC Alastair Buxton kommentiert: „Die Entscheidung hinsichtlich der Verschreibung von Arzneimitteln mit geringem Wert ist zwar sicherlich von Bedeutung für die öffentlichen Apotheken. Eine erheblich größere Tragweite könnten aber die andauernden Diskussionen über die Erstattungseinschränkungen für nicht rezeptpflichtige Arzneimittel haben.“ Das PSNC sei besorgt über die unbeabsichtigten Konsequenzen, die hiermit vor allem für Menschen mit niedrigem Einkommen verbunden sein könnten. Buxton setzt als Alternative auf die Minor Ailment Services der Apotheken. Im Rahmen dieser Services werden die Patienten mit geringfügigen Beschwerden direkt in der Apotheke betreut und bekommen dort ihre Medikation, ohne vorher einen Arzt aufzusuchen. Damit können für den NHS erhebliche Kosten gespart werden. 

„Wir empfehlen dem NHS England und den NHS-Clinical Commissioners, darüber nachzudenken, wie die flächendeckende Anwendung von Minor Ailment Services, möglicherweise beschränkt auf Personen und Familien, die derzeit wegen ihres niedrigen Einkommens von den NHS-Rezeptgebühren befreit sind, hier Abhilfe schaffen könnte. Damit könnten die nicht beabsichtigten Auswirkungen eines kompletten Ausschlusses von OTC-Medikamenten für einige der vulnerabelsten Gruppen der Gesellschaft vermieden werden, meint Buxton.




Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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