Interview mit der Charité Berlin (Teil 2)

Heilt Ketamin eine Depression?

Berlin / Stuttgart - 05.12.2017, 11:00 Uhr

Ketamin wirkt bei manchen Patienten rasch antidepressiv. Doch wie nachhaltig ist der positive Effekt? (roooaar.de / stock.adobe.com)

Ketamin wirkt bei manchen Patienten rasch antidepressiv. Doch wie nachhaltig ist der positive Effekt? (roooaar.de / stock.adobe.com)


Ist der Ketamin-Hype gerechtfertigt?

Auch wenn Ketamin in den Medien mit reißerischen Schlagzeilen gehyped wird – „Innerhalb von zehn Minuten brachte Ketamin die Leichtigkeit“ oder „Ketamin als Antidepressivum? Partydroge soll Depressive heilen“ – Ketamin ist kein Allheilmittel und keine Wunderwaffe gegen Schwermut.


Jeder dritte Patient spricht auf Ketamin an.

Prof. Dr. med. Malek Bajbouj, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Berliner Charité


Längst nicht alle Patienten profitierten von Ketamin, noch nicht einmal der überwiegende Teil der Depressiven, relativiert Bajbouj den medial propagierten Erfolg von Ketamin. „Unserer Erfahrung nach spricht etwa jeder dritte Patient auf Ketamin an“, schildert Bajbouj seinen klinischen Eindruck.

Wie schnell wirkt Ketamin?

Ketamin ragt unter den antidepressiven Therapien heraus. Warum? Ketamin wirkt rasch depressionslösend: „Unsere Erfahrung ist, dass Patienten innerhalb der ersten zwei bis drei Behandlungen einen deutlichen Effekt spüren.“ Also bereits während der ersten Woche der Ketamin-Therapie. Das ist in der Tat ungewöhnlich für antidepressive Wirkstoffe. Gerade die Latenz bis zum Wirkeintritt stellt ein Problem der antidepressiven Therapie mit typischen Wirkstoffklassen dar.

Welche Patienten profitieren besonders von Ketamin?

Zu Prädiktoren einer Ketamin-Therapie äußert sich Bajbouj zurückhaltend: Vor allem hinsichtlich der breiten Aussagekraft. Seine Einschätzung sei somit „lediglich vorläufig“, da sie auf den therapeutischen Erfahrung an der Charité, also einem einzelnen Zentrum, beruhten: „Wir haben gesehen, dass vor allem ältere Menschen auf Ketamin ansprechen“. Vorteilhaft sei außerdem, wenn die Patienten wenige Therapieversuche vorher hatten und jeweils nur kurze Episodendauern. Ein weiterer positiver Prädiktor: „Wenn Patienten die psychotropen Akuteffekte wie z.B. die häufig auftretende Dissoziation als positiv oder neutral wahrnehmen, sprechen sie unserer Erfahrung nach eher an“, erklärt Bajbouj. Wohingegen das Geschlecht kein relevanter Faktor sei.

Gibt es auch Patienten, bei denen Ketamin kontraindiziert ist? Für eine Ketamin-Therapie scheiden Patienten aus, die unter kardiovaskulären Vorerkrankungen wie Hypertonie, KHK oder Arrhythmien leiden. Ketamin erhöht den Blutdruck und wirkt positiv chronotrop auf die Herzfrequenz. „Auch Patienten mit einem allgemein erhöhten Abhängigkeitsrisiko würden wir nicht dieser Behandlung zuführen“, schränkt Bajbouj ein.

Eine bestimmte Patientengruppe mit Depressionen könnte künftig vielleicht besonders von Ketamin profitieren: Potenzial von Ketamin als antisuizidales Arzneimittel – lesen Sie im dritten Teil des Ketamin-Interviews.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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