Digitalisierung des Gesundheitswesens

Ethikrat warnt vor Kontrollverlusten und Entgrenzungen

Karlsruhe - 01.12.2017, 09:15 Uhr

(Foto: Milles Studio / AdobeStock)

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Für Patienten, Kassen und Firmen ist die automatisierte Analyse großer Datenmassen mit viel Hoffnung verbunden, Krankheiten besser diagnostizieren und therapieren zu können. Der Deutsche Ethikrat übergab der Bundesregierung am gestrigen Donnerstag seine Stellungnahme zum Thema „Big Data“. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe sieht hierin einen „ganz wichtigen Beitrag“, damit die Gesundheitsbranche den Bezug zum Menschlichen behält. 

Die Chancen und Risiken der Auswertung umfangreicher Gesundheitsdaten spielen seit einigen Jahren eine zunehmende Rolle: Mit dem Stichwort „Big Data“ sind große Hoffnungen für bessere und womöglich sogar kostengünstigere Diagnose- und Therapieoptionen verbunden. Doch haben Ethiker und Datenschützer auch erhebliche Bedenken, was die Sammlung und Analyse sensibler Gesundheitsdaten anbelangt.

Im Auftrag der Bundesregierung hat der Deutsche Ethikrat in den vergangenen 2,5 Jahren eine umfangreiche Stellungnahme zum Thema erarbeitet, die am gestrigen Donnerstag Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sowie Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) übergeben wurde. Dabei machte der Ethikrat klar, dass sich das Thema kaum abgrenzen lässt: Beispielsweise geben auch Bewegungsprofile von Menschen Aufschluss über die Gesundheit, wie auch das Kaufverhalten im Online-Shop. 

Tiefe Einblicke in den aktuellen Gesundheitszustand

Und so hat hier auch ein Datenleck große Relevanz, das der „Bayerische Rundfunk“ aufgedeckt hat. Eine Fahrrad-Verleihfirma aus Singapur, die in München tätig ist, hatte persönliche Daten wie auch Bewegungsprofile von Nutzern aus aller Welt im Internet veröffentlicht. Die Analyse vielfältiger Daten wie auch deren Verknüpfung „führt zu einer Entgrenzung des gesundheitsrelevanten Bereichs“, erklärt der Ethikrat in seiner Stellungnahme. „Wenn solche vielfältigen Daten verwertet werden, ermöglicht dies tiefe Einblicke in den aktuellen Gesundheitszustand, die Persönlichkeit sowie den Lebenswandel und erlaubt teilweise sogar Vorhersagen, etwa zur Krankheitsentwicklung.“

Neben den neuen Möglichkeiten durch die Entwicklung innovativer digitaler Therapieansätze und der Vernetzung der beteiligten Akteure erinnert das Ethikgremium auch an die „schwankende Datenqualität, Intransparenz von Datenflüssen, Kontrollverluste sowie unsichere Koordinations-, Regulierungs- und Qualifikationsanforderungen“. Diese gingen mit einer Gefahr für das Solidarsystem einher, schafften unklare Verantwortungslagen und Monopolisierungen und könnten nicht nur zum Verlust der informationellen Selbstbestimmung führen – sondern auch zu Datenmissbrauch und Manipulation.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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