Interview Christine Aschenberg-Dugnus (FDP)

„Wir und die Grünen wollten Präsenz- und Versandapotheken erhalten“

Berlin - 27.11.2017, 15:10 Uhr

Verhärtete Fronten: Die FDP-Politikerin Christine Aschenberg-Dugnus berichtet aus den Jamaika-Sondierungen und wie der Apothekenmarkt aus ihrer Sicht nun reformiert werden sollte. (dpa)

Verhärtete Fronten: Die FDP-Politikerin Christine Aschenberg-Dugnus berichtet aus den Jamaika-Sondierungen und wie der Apothekenmarkt aus ihrer Sicht nun reformiert werden sollte. (dpa)


Die FDP-Gesundheitsexpertin Christine Aschenberg-Dugnus sitzt seit der Bundestagswahl 2017 wieder im Bundestag. In der Legislaturperiode 2009 bis 2013 war sie bereits Mitglied des Gesundheitsausschusses. Für die Liberalen nahm sie in den vergangenen Wochen auch an den Jamaika-Sondierungen teil. Gegenüber DAZ.online berichtet Aschenberg-Dugnus über die Gespräche zum Thema Apotheken und warum die FDP über alles reden will – nur nicht über das Rx-Versandverbot.

DAZ.online: Sehr geehrte Frau Aschenberg-Dugnus, herzlichen Glückwunsch zum Wiedereinzug in den Bundestag. Hat sich viel verändert in vier Jahren ohne FDP?
Aschenberg-Dugnus: Nein, ich war gefühlt nie weg, weil ich mich zu keiner Zeit aus der Gesundheitspolitik verabschiedet habe. Mit vielen Akteuren bin ich in Kontakt geblieben, habe mich durch die Medien täglich auf dem Laufenden gehalten und bin oft auf gesundheitspolitischen Veranstaltungen in Berlin gewesen.

DAZ.online: Was haben Sie denn beruflich gemacht in den vergangenen vier Jahren?
Aschenberg-Dugnus:
Ich war als Rechtsanwältin in meiner Kanzlei in Schleswig-Holstein tätig.

DAZ.online: Können wir davon ausgehen, dass wir Sie wieder im Gesundheitsausschuss sehen werden?
Aschenberg-Dugnus: Aufgrund der Verzögerung bei der Regierungsbildung konnten im Bundestag noch keine Fachausschüsse gebildet werden. Aber ich habe gegenüber unserem parlamentarischen Geschäftsführer bereits signalisiert, dass ich gerne Gesundheitspolitik machen würde, wenn es soweit ist.

DAZ.online: In den vergangenen Wochen nahmen Sie an den Sondierungsgesprächen der FDP für eine mögliche Jamaika-Koalition teil und waren Teil des Teams Gesundheit der FDP. Stand man denn im Gesundheitsbereich wenigstens kurz vor einer Einigung?
Aschenberg-Dugnus: In der Gesundheitspolitik hatten wir das Glück, dass wir uns alle rasch in Sachen Pflege einig waren. Wir wollten sehr schnell für mehr Pflegekräfte sorgen und waren uns einig, ein Sofortprogramm zu starten. Allerdings gab es im Bereich Gesundheitspolitik sehr viel Ungeklärtes.

DAZ.online: Zum Beispiel?
Aschenberg-Dugnus: Die gesamte Frage der Krankenversicherung war noch ungeklärt. Wir wollten das duale System erhalten, die Grünen die Bürgerversicherung. Außerdem war es ein Anliegen der Grünen, die paritätische Finanzierung durchzusetzen. Im Laufe der Sondierung lag dazu ein Kompromissvorschlag vor: Wir hatten darüber diskutiert, die Zusatzbeiträge bei einem gewissen Betrag einzufrieren. Mit uns Freidemokraten hätte es aber auch keine weitere Belastung der Arbeitgeber geben können. In einigen Bereichen kamen wir aber auch mit der Union nicht zusammen, wie etwa bei den Apotheken.

„Ein solches Verbot kann es mit einer liberalen Partei nicht geben“

DAZ.online: Inwiefern wurde das Thema denn diskutiert?
Aschenberg-Dugnus: Jeder hat seine Forderungen aufgestellt, wobei schnell klar wurde, dass wir und die Grünen eine flächendeckende Arzneimittelversorgung mit Präsenzapotheken und in- und ausländischem Versandhandel realisieren wollten. Die Union beharrte aber auf dem Rx-Versandverbot. Als möglicher Kompromiss wurden noch kurz über einen Boni-Deckel diskutiert, aber auch dort gab es keine Einigung.

DAZ.online: Welche Position haben Sie denn vertreten?
Aschenberg-Dugnus: Ein solches Verbot kann es mit einer liberalen Partei nicht geben. Unsere Gesundheitspolitiker waren alle der Meinung, dass ein Verbot zu weit geht, es wäre ein zu großer Eingriff in den Markt gewesen. Wir können uns aber gezielte Förderungsmaßnahmen für Präsenzapotheken in bestimmten Bereichen vorstellen.

DAZ.online: An einer anderen Stelle des Sondierungspapiers hieß es aber, dass eine mögliche Jamaika-Koalition die Freien Berufe unterstützt hätte. Das klang nach FDP. Aber wie passt das zusammen: Den Apothekern einen Teil ihres Marktes wegnehmen und gleichzeitig die Freien Berufe unterstützen?
Aschenberg-Dugnus: Ich glaube nicht daran, dass der Versandhandel eine Bestandsgefahr für die Apotheken darstellt. Ihr Marktanteil liegt bei zwei Prozent. Mein Credo ist, dass wir die Freien Berufe, also auch die Apotheker stärken müssen, und zwar ganz gezielt die Apotheken in ländlichen, strukturschwachen Gebieten und sozial benachteiligten Regionen, die für die Versorgung wichtig sind.

Aschenberg-Dugnus: Strukturfonds à la BVDVA

DAZ.online: Wie könnte das passieren?
Aschenberg-Dugnus: Ich könnte mir einen Strukturfonds sehr gut vorstellen. Die Apotheker erhalten von den Kassen eine weitere, zusätzliche Pauschale von 16 Cent pro Packung. Diese führen sie an einen Fonds ab, der wiederum nur an Apotheken auf dem Land ausgeschüttet wird. Das wäre gezielte Politik, die tatsächlich für eine flächendeckende Versorgung sorgt, ein Verbot wäre Placebo-Politik, weil ein Versandhandelsverbot ohnehin keinen rechtlichen Bestand hätte und es den Apotheken daher langfristig nichts bringt.

DAZ.online: Wie soll es denn mit diesem Thema weitergehen? Immerhin befindet sich der Markt seit Oktober 2016 in der Schwebe. Was wird die FDP tun, um die Situation aufzulösen?
Aschenberg-Dugnus: Derzeit ist die Situation schwierig – ohne Regierung, ohne Ausschüsse. Wir als FDP bleiben aber jederzeit gesprächsbereit und wollen gemeinsam mit den Apothekern eine faire Lösung für eine flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln finden. Nur über das Rx-Versandverbot, darüber brauchen wir gar nicht erst zu sprechen.

DAZ.online: Kurz nach dem Jamaika-Aus signalisierten Sie, dass Sie eine Minderheitsregierung der Union bevorzugen würden. Warum?
Aschenberg-Dugnus: Bevor es Neuwahlen gibt, will ich lieber wie in Skandinavien diese Lösung versuchen. Es wäre doch auch für die Bürgerinnen und Bürger gut, wenn sie sehen würden, dass wir um jede Mehrheit, also Tolerierung, im Parlament kämpfen und diskutieren müssten. Die Debatten werden lebendiger, es wird viel mehr über Inhalte gesprochen. Aus meiner Sicht könnte man so sogar mehr umsetzen, als in einer Koalition, in der niemand dem anderen über den Weg traut.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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4 Kommentare

nein

von Karl Friedrich Müller am 27.11.2017 um 18:33 Uhr

wollt Ihr nicht.
Die Präsenz Apotheken soweit vernichten, dass ein paar wenige übrig bleiben, die den Schrott, den die Versender nicht gewillt sind zu machen, noch irgendwie hin kriegen.
Leute für blöd verkaufen wollen. Das könnt Ihr. Sonst nix.

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Politiker müssen VORdenken

von Hubert Kaps am 27.11.2017 um 17:49 Uhr

Was schwingt doch immer für eine nervöse Erleichterung mit, wenn argumentiert wird, der Rx-Versandhandel würde nicht zunehmen. Klartext: Der "rabattierte" Versandhandel steigt sehr wohl und damit die Gefahr für erhebliche Verwerfungen bei der flächendeckenden Versorgung. Merke: Die erwähnten 16 Cent bringen im Schnitt ca. 6000 Euro Ertrag, ein Abwandern von 10% Rx-AM in den Versand kosten rund 40000 Euro Ertrag. Das klappt so nicht, zumal die Dame die Antwort schuldig bleibt, wie sie die 16 Cent rechtssicher verteilen will.
Ich fordere Sie auf, erst mal rechtssichere, durchgerechnete Konzepte vorzulegen, bevor andere Vorschläge kategorisch abgelehnt werden. Die SPD versucht sich seit Monaten an diesem Thema, bisher gibt es nicht einmal einen zu diskutierenden Vorschlag.

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soso

von Mathias Mallach am 27.11.2017 um 17:23 Uhr

"Aschenberg-Dugnus: Nein, ich war gefühlt nie weg, weil ich mich zu keiner Zeit aus der Gesundheitspolitik verabschiedet habe. Mit vielen Akteuren bin ich in Kontakt geblieben, habe mich durch die Medien täglich auf dem Laufenden gehalten und bin oft auf gesundheitspolitischen Veranstaltungen in Berlin gewesen.[...]"

Sehe ich anders: Ich habe versucht, mit Frau Aschenberg-Dugnus Kontakt aufzunehmen, um ihr klar zu machen, dass sie eben NICHT auf dem Laufenden ist und dringendst ein Update bzgl. des Arzneimittelmarktes und des Verhältnisses zwischen Versand- und VorOrt-Apotheken bräuchte. Keine Reaktion.
Das Problem ist natürlich auch, dass sie sich über die Medien versucht, auf dem Laufenden zu halten, wo wir Apotheker nicht vertreten sind. DM schon. Solange die Dame keine Gesprächsangebote ausschlägt, kann man ihr ja keinen direkten Vorwurf machen, aber...
Nochmal : Die Aussagen dieses Interviews belegen eben nicht eine vorhandene Themakompetenz!

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UNGLAUBLICH! Was erlauben FDP?

von Uwe Hansmann am 27.11.2017 um 16:59 Uhr

Derzeit ist die Situation schwierig – ohne Regierung, ohne Ausschüsse. Wir als Apotheker bleiben aber jederzeit gesprächsbereit und wollen gemeinsam mit den Parteien eine faire Lösung für eine flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln finden. Nur mit der FDP werden wir gar nicht mehr sprechen, geschweige denn, dieser Partei auch nur einen Hauch Beachtung schenken.

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