Westfalen-Lippe

Wie geht die zuständige Kammer mit dem Zyto-Skandal um?

Münster - 22.11.2017, 07:00 Uhr

Die Delegiertenversammlung in Westfalen-Lippe, hier bei einer vorangegangenen Abstimmung, diskutierte auch über Zyto-Apotheker. (Foto: AKWL)

Die Delegiertenversammlung in Westfalen-Lippe, hier bei einer vorangegangenen Abstimmung, diskutierte auch über Zyto-Apotheker. (Foto: AKWL)


„Sonderthema Bottrop“– so lautete ein Sonderpunkt im Bericht von Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening auf der gestrigen Versammlung der Apothekerkammer Westfalen-Lippe. Es ging um den Bottroper Zyto-Apotheker, dem vorgeworfen wird, jahrelang Zytostatika gepanscht zu haben. Als zuständige Kammer muss sich die AKWL besonders gut überlegen, wie sie mit dem Fall umgeht.

„Wir wollen so jemanden nicht schützen, aber wir wollen auch klarmachen, dass – sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten – das ein absoluter Einzelfall ist. Daraus lassen sich keine Rückschlüsse auf den ganzen Berufstand ziehen. Den Apothekern darf man weiterhin vertrauen“, so Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe im Rahmen der gestrigen Herbstsitzung der Kammer. Natürlich war der Bottroper Apotheker Peter S., der sich derzeit wegen des Vorwurfs, im großen Stil unterdosierte oder ganz wirkstofffreie Zytostatika hergestellt zu haben, vor Gericht verantworten muss, auch ein Thema.

Man habe sich als Kammer viele Gedanken gemacht, wie man mit dem Thema umgehen soll, erklärte Overwiening weiter. Denn Politik, Gesellschaft, Betroffene und deren Angehörige verlangten nach Lösungen, um das Vertrauen in eine sichere Therapie wiederherzustellen. Die Kammer habe sich daher bereit erklärt, an Lösungen mitzuarbeiten, damit ein solches Verhalten, nicht mehr möglich sein wird. 

Arbeitskreise und Austausch

Was hat die Kammer bislang konkret getan und was ist noch geplant?

  • Kontaktaufnahme bzw. Austausch mit der Correctiv-Redaktion, die intensiv über den Fall berichtet. Auch mit dem Herstellungsleiter der „Alten Apotheke“ und den Betroffenen hat die Kammer Kontakt aufgenommen. Kammerverterter waren zudem in Bottrop vor Ort.
  • Es gab einen runden Tisch mit allen Zyto-Apothekern in Westfale-Lippe.
  • Gründung eines Arbeitskreises auf NRW-Ebene unter Federführung der AKWL.
  • Enger Austausch und Zusammenarbeit mit der Ärzteschaft.
  • Offene Medienarbeit zum Fall. Auch für die Bundesebene hat die AKWL die Medienarbeit übernommen. 

Die Idee, selber investigativ tätig zu werden, habe man intern durchaus diskutiert, so Overwiening. Man sei aber zu dem Schluss gekommen, dass man das als Kammer nicht leisten könne. Das sei Aufgabe der Staatsanwaltschaft. „Es geht uns darum, das Vertrauen wiederherzustellen.“

 „Peter S. ist unser Bischof Tebartz-van-Elst“

Und das könnte weit über das Thema Zytostatika hinaus beschädigt sein. So machte Dr. Klaus Fehske, Apotheker aus Hagen insbesondere die Verteidungungsstrategie der Kammer dafür verantwortlich, dass die ganze Apothekerschaft in Verdacht gerate, zweifelhafte Geschäfte zu machen und sich beispielsweise Waren an der Steuer vorbei beschaffe. Fehske stellte klar, dass er sich um die Reputation der Pharmazeuten sorge. Auch Aussagen, nach denen es einigen Patienten besser gehe, gerade weil sie ihre Arzneimittel nicht ordnungsgemäß bekommen hätten, hält Fehske für mehr als perfide. Wenn er in seiner Stadt finanzielle Unterstützung leiste, werde er mittlerweile mit dem Vorwurf konfrontiert, dass er ja nicht wisse, wohin er mit seinem Geld solle. Geld, das nach Ansicht vieler Menschen mit unlauteren Mittel erwirtschaftet sein muss.

Kammermitglied Fehske erklärte auf der Versammlung auch, dass er das Eintreten eines Effektes befürchte, wie es ihn damals beim verschwenderischen Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst gegeben hatte. Der Bischof hatte unter anderem durch den Kauf einer goldenen Badewanne mit Geldern des Bistums Schlagzeilen gemacht. Dessen Verhalten haben nicht nur der katholischen Kirche geschadet, sondern auch in der evangelischen massiv zu Austritten geführt. Und so werden die Machenschaften, die Peter S. vorgeworfen werden, nicht nur den Zyto-Apothekern sondern allen Apothekern schaden. „Unsere Kirchenaustritte sind DocMorris und Co.“ sagte Fehske.

Vorerst keine berufsrechtlichen Konsequenzen 

Der Vorschlag eines Vorstandsmitglieds, sich mit einer Resolution seitens der Kammer klar von Peter S. zu distanzieren, wurde schnell wieder verworfen beziehungsweise vertagt. Zur Begründung hieß es, dass das während des laufenden Prozesses nicht zielführend sei. Das käme einer Vorverurteilung durch die Kammer gleich. Wenn im Februar oder März des kommenden Jahres der Prozess dann zu Ende ist, sei es an der Zeit, gegebenenfalls über berufsrechtliche Konsequenzen nachzudenken.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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2 Kommentare

Einspruch

von Dr. Angela Tucek am 22.11.2017 um 10:21 Uhr

Wenn dem Apotheker von der StA 2.5 Mio. zugerechnet werden, aber Krankenkassen sich erst gemeldet haben als 56 Mio. weg waren, wer hat denn dann die Differenz kassiert. Die Pharmaindustrie? Nach dem Motto: Beitragserhoehung statt Haftung?

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Zytoskandal

von Peter Kaiser am 22.11.2017 um 9:03 Uhr

Wenn sich die Machenschaften des Peter S. bestätigen, wird Ihn die ganze Härte der Justiz treffen und das ist gut so.
Dennoch habe ich zwei Bemerkungen:
Darf man vorEnde des Verfahrens jemanden medial vorverurteilen?
Haben die Krankenkassen nicht eine Mitschuld, denn bei der Medikamentenversorgung gilt das Prinzip möglichst billig?

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