Neuer Bluttest

Paracetamol-Vergiftungen schneller erkennen

Stuttgart / Edinburgh - 21.11.2017, 16:30 Uhr

In Deutschland unterliegt Paracetamol ab 10 g pro Packung der Verschreibungspflicht. (Foto: dpa)

In Deutschland unterliegt Paracetamol ab 10 g pro Packung der Verschreibungspflicht. (Foto: dpa)


Wird der neue Bluttest klinisch eingesetzt?

Die drei Marker entstammen alle den Hepatozyten, finden sich bei einem Zerfall dieser im Blut wieder und waren in Studien bereits zu einem Zeitpunkt erhöht, als ALT noch keine kritischen Werte erreicht hatte. Während miR-122 die höchste Leberspezifität aufweist, ist K18 ein Marker für Nekrosen, HMGB1 einer für sowohl aktivierte Immunzellen als auch nekrotische Prozesse. Die Beobachtungsstudien fanden an insgesamt 18 Kliniken im Vereinigten Königreich (UK) statt. Ein Vorteil der untersuchten Marker miR-122, HMGB1 und K18 ist darüber hinaus, dass akuter Alkoholkonsum diese nicht beeinflusst, was insofern von Interesse ist, da Paracetamol-Überdosierungen häufig mit Alkohol eingenommen werden.

Im Zusammenhang mit einer Paracetamol-Überdosierung versprechen sich die im Lancet veröffentlichenden Wissenschaftler von den neuen Markern insbesondere eine Hilfestellung im Entscheidungsprozes. Und zwar, welcher Patient tatsächlich eines längeren stationären Krankenhausaufenthaltes bedarf. Auch könnte die Kenntnis der miR-122-, K18- und HMGB1-Werte helfen, individuelle Acetylcystein-Gabe-Regime zu erstellen. Aktuell dosieren Ärzte ACC allein anhand des Körpergewichts standardmäßig mit 300 mg pro kg Körpergewicht. Das sei vor allem bei Hochdosis-Paracetamolvergiftungen häufig jedoch unterdosiert, schreiben die Wissenschaftler.

Funktion der Leber-Marker bei Arzneimittelzulassungen?

Neben ihrer Funktion, die die beiden Marker miR-122 and HMGB1 bei der Einschätzung einer Acetylcystein-Antidot-Gabe eines Tages haben könnten, widmen auch die europäische und die amerikanische Arzneimittelbehörde, EMA und FDA, den beiden Markern Aufmerksamkeit: Diese untersuchen derzeit, welchen Stellenwert miR-122 and HMGB1 bei der Bewertung von Sicherheits- und Unbedenklichkeitsfragen bei der Arzneimittelentwicklung haben könnte.

Inwiefern die Erkenntnisse Eingang in die klinische Praxis finden werden, ist aktuell nicht absehbar. ACC ist als Arzneimittel günstig, die Nebenwirkungen einer Acetylcystein-Gabe überschaubar. Bliebe noch die Verweildauer und Bettenbelegung der Patienten als Kostenfaktor. Der wird dann wohl gegen die Kosten des Bluttests ins Rennen geworfen.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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