Apothekenhonorar

„Das BMWi traut doch seinem eigenen Gutachten nicht“

Berlin - 22.11.2017, 12:45 Uhr

Kammerpräsidentin Magdalene Linz aus Niedersachsen kritisiert das Vorgehen des BMWi beim Honorar-Gutachten. (Foto: Schelbert)

Kammerpräsidentin Magdalene Linz aus Niedersachsen kritisiert das Vorgehen des BMWi beim Honorar-Gutachten. (Foto: Schelbert)


Die Präsidentin der Landesapothekerkammer Niedersachsen, Magdalene Linz, hat das Vorgehen des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) in Sachen Honorar-Gutachten kritisiert. Wenn die bislang bekannt gewordenen Zahlen aus dem Gutachten stimmten, sei das gesamte Papier „absurd“. Dass das Ministerium die Zahlen nun vom Statistischen Bundesamt prüfen lässt, sieht Linz als Zeichen, dass das BMWi den Daten selbst nicht traut. Die ABDA müsse nun handeln, forderte die Kammerpräsidentin.

Das vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) in Auftrag gegebene Gutachten zum Apothekenhonorar lässt seit Wochen auf sich warten. Ursprünglich hätte das Papier im September 2017 veröffentlicht werden sollen. Danach hieß es aus dem BMWi, es werde mit Mitte November gerechnet. Der neueste Stand ist „noch in diesem Jahr“ weil das Gutachten noch nicht final abgenommen sei. Selbst in den Gängen des Bundestags ist das Papier noch weitgehend unbekannt. Allerdings – so lautet ein mehrfach bestätigtes Gerücht – soll das Papier zu dem Schluss kommen, dass die Apotheker in den vergangenen Jahren zu viel Geld erhielten.

Gegenüber DAZ.online bestätigte ein Sprecher des Statistischen Bundesamtes, dass man vom BMWi mit der Prüfung des Gutachtens beauftragt worden sei: „Das Statistische Bundesamt prüft derzeit ein Gutachten zum Apothekenhonorar im Auftrag des Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Für die Prüfung gelten die Grundsätze der Neutralität, Objektivität und fachlichen Unabhängigkeit des § 1 Bundesstatistikgesetz. Das Statistische Bundesamt wird die Ergebnisse dem Ministerium nach Abschluss der Prüfungen mitteilen.“ Über die genaue Arbeit an der Studie wollte der Sprecher nichts sagen.

Linz: Das Filetieren unserer Arbeit ist wohl geplant

Die Apotheker werden jedoch ungeduldig. Kammerpräsidentin Linz kritisierte, dass das Gutachten weiterhin eine „Blackbox“ sei. Sie ging aber auch mit der Datenerhebung der vom BMWi mit dem Gutachten beauftragten Agentur ins Gericht. Linz sagte: „Schaut man sich die Fragen an die Apotheker an, ist wohl das Filetieren unserer Arbeit geplant.“ Zu den Gerüchten, dass  die Apotheker 1,7 bis 2 Milliarden Euro zu viel verdient hätten, erklärte Linz: „Wäre es nicht so traurig, müsste man lachen. Das BMWi traut diesen Zahlen vermutlich selbst nicht, deswegen liegen die Zahlen wohl nun bei Destatis.“ Linz nahm aber auch die ABDA in der Pflicht. „Die ABDA muss dann schnell mit Zahlen von einer anderen Basis antworten.“ Sie kündigte an, dass die ABDA ihre Mitglieder im Dezember über eigene Honorar-Vorschläge und Daten informieren wolle.

Am heutigen Dienstag wird in Hannover die neue niedersächsische Landesregierung vereidigt. Nach der Landtagswahl hatte sich eine Große Koalition unter Führung der SPD gebildet. Neue Gesundheitsministerin wird Carola Reimann. Linz dankte der scheidenden Ministerin Cornelia Rundt für die „sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit“ und sagte, dass sie sich auf die Arbeit mit Reimann freue. „Carola Reimann hat im Bundestag bemerkenswerterweise mehrere Kampfabstimmungen gegen Karl Lauterbach gewonnen, sie ist eine absolute Kennerin des Gesundheitswesens und hat uns gegenüber immer gesagt, dass die Kompetenzen der Apotheker in der Versorgung noch viel mehr genutzt werden müssten.“

Linz: Rezepturen gerade jetzt herstellen!

Zur Bundespolitik wollte sich Linz aufgrund des unklaren Status nicht gesondert äußern. Nur so viel: Sie bedauere es sehr, dass dringende Themen, wie etwa das Rx-Versandverbot, nun weiter ungelöst blieben. Zum Verbot sagte sie allerdings, dass es weiterhin gute Argumente dafür gebe. Auch das Gutachten der Noweda und des Deutschen Apotheker Verlages habe gezeigt, dass kein anderer Weg bleibt. Schließlich könnten schon kleinere Veränderungen im Kaufverhalten der Patienten zum Wegfall von Landapotheken führen. Was den von der Bundes-SPD gefürchteten Wegfall des Spezial-Versandes betrifft, machte Linz einen Kompromissvorschlag: „Man könnte in der Apothekenbetriebsordnung den Versand für bestimmte Arzneimittel erlauben. Vor der Freigabe des Versandhandels stand das auch in der Apothekenbetriebsordnung.“

Linz: Apotheker jetzt auch in der Verantwortung

Beim Rezepturen und Honorar nahm Linz aber auch die Apotheker in die Pflicht. „Gerade nach der Erhöhung des Rezepturhonorares müssen wir nun auch zeitnah und vor allem gut versorgen.“ Ablehnungen von Rezepturen solle es nach Möglichkeit nicht geben. „Die Menschen müssen sich jetzt auf die Apotheken in ihrem Umfeld verlassen können. Sonst entstehen erst recht Diskussionen über die Qualität unserer Versorgung.“

In ihrem Bericht zur Lage sprach die Kammerpräsidentin aber noch ein weiteres berufspolitisches Thema an, das vielen Apothekern Sorgen macht: das EU-Dienstleistungspaket. Im EU-Parlament wird derzeit eine Richtlinie diskutiert, die dafür sorgen soll, den Waren-, Kapital- und Dienstleistungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten zu vereinfachen. Teil der Richtlinie ist im Moment noch, dass Neuregelungen in den Mitgliedsstaaten im Bereich der freien Berufe immer auch auf EU-Ebene abgestimmt werden müssten. Die ABDA protestiert heftig dagegen und will eine Bereichsausnahme für Heilberufler erreichen.

Linz bemängelte, dass die EU immer häufiger in die Gesundheitssysteme der Mitgliedsstaaten eingreife. „Eigentlich gehören die nationalen Gesundheitssysteme nicht in den Bereich der EU-Organe. Mit einer Salami-Taktik werden solche Angriffe aber immer häufiger.“ Linz berichtete, dass sie kürzlich zu mehreren Gesprächen nach Brüssel gereist sei. Das Ergebnis: „Wir haben mit mehreren EU-Abgeordneten gesprochen und für die Bereichsausnahme geworben. Der Gesundheitsausschuss steht da auch hinter uns. Wichtig ist aber der Binnenmarktausschuss und dort gibt es leider auch viele Meinungen, die diese Ausnahme nicht wollen.“

Apotheker fürchten Imageverlust wegen Bottroper Zyto-Apotheker

Eine Mitarbeiterin des niedersächsischen Gesundheitsministeriums war ebenfalls anwesend bei der Kammerversammlung und berichtete über den Zyto-Skandal des Bottroper Zyto-Apothekers. Auch in Niedersachsen gebe es inzwischen ein Opfer, über das das Ministerium allerdings noch nicht viel wisse, weil die Staatsanwaltschaft noch ermittle. Zudem kündigte sie an, dass auch sie – wie ihre Ministeriumskollegen in NRW – für neue „Instrumente und Messstäbe“ bei der Kontrolle der Zyto-Apotheker sei. Allerdings müsse unbedingt vermieden werden, dass solch ein Einzelfall die Reputation der anderen guten Versorger zerstöre.

Über genau das sorgt sich aber Kammerpräsidentin Linz. „Wir erleiden derzeit einen riesigen Imageverlust wegen einer einzigen Person. Es gilt natürlich noch die Unschuldsvermutung, aber die Vorwürfe sind erschreckend. Wie kann man mit dem Patientenvertrauen und der Sicherheit unserer Patienten so umgehen?“, fragte sich die Präsidentin rhetorisch. In der Versammlung herrschte bedächtiges Schweigen zu diesem Thema.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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1 Kommentar

Die Nummer mit ...

von gabriela aures am 22.11.2017 um 14:52 Uhr

....Destatis hat doch Fipsi Rösler seinerzeit zur Frage der Honoraranpassung auch schon mal gebracht.
Den Ausgang kennen wir :
nach Destatisberechnungen waren die 25 cent NIEMALS ausreichend.

Und auch jetzt wird das „Gutachten“ verwurstet werden, daß dem BMWi am Besten gefällt.

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