Bottroper Zyto-Prozess

Zyto-Apotheker kommt nicht vors Schwurgericht

Karlsruhe - 17.11.2017, 15:30 Uhr

Der Bottroper Zyto-Apotheker Peter S. muss sich vor einem Essener Gericht verantworten. (Foto: hfd)

Der Bottroper Zyto-Apotheker Peter S. muss sich vor einem Essener Gericht verantworten. (Foto: hfd)


Am dritten Verhandlungstag müssen die Betroffenen des Zyto-Skandals eine Niederlage hinnehmen: Aus formalen Gründen weist das Gericht den Antrag zurück, den Fall wegen Tötungsdelikten ans Schwurgericht zu verweisen. Außerdem erklären die Richter einen Schöffen als möglicherweise befangen, der früher selber als Apotheker in Bottrop gearbeitet hat. Die Nebenkläger fordern nun die Aussetzung des Verfahrens.

Die inzwischen mehr als zwei Dutzend Nebenkläger mussten am heutigen Freitag im Verfahren gegen den Bottroper Zyto-Apotheker Peter S. vor dem Landgericht Essen eine kleine Schlappe hinnehmen: Wie ein Gerichtssprecher auf Nachfrage bestätigte, wies die Kammer den Antrag ab, das Verfahren zum Schwurgericht zu verweisen. Die Anwälte der Nebenkläger hatten argumentiert, dass dieses zuständig sei – da sie anders als die Staatsanwaltschaft Tötungsdelikte im Vordergrund sehen und sogar teils von versuchtem Mord ausgehen.

Doch aus formalen Gründen wiesen die Richter den Antrag zurück: Berechtigt hierfür sei nur der Angeklagte, erklärte der Sprecher gegenüber DAZ.online. Er betonte jedoch, die derzeit mit dem Fall befasste, auf Wirtschaftsdelikte spezialisierte Strafkammer könne gleichfalls Vorwürfe der versuchten Tötung oder des versuchten Mordes verhandeln, wie sie Nebenkläger-Anwälte in den Raum gestellt hatten. „Theoretisch könnte das die Wirtschaftskammer auch“, erklärte der Sprecher gegenüber DAZ.online.

Auch bei der Sendung der Talkshow „Markus Lanz“ war der Bottroper Skandal am Donnerstagabend Thema: Dort erklärten Patienten, wie enttäuscht sie von der Staatsanwaltschaft seien, dass diese sich hauptsächlich auf den Betrug der Krankenkassen fokussiert hat. Dies sei, als ob ein nächtlicher Mord wegen Ruhestörung der Nachbarn verfolgt werde, argumentierten sie. Laut Staatsanwaltschaft lässt sich nur sehr schwer nachweisen, welche Patienten womöglich unterdosierte Arzneimittel erhielten und inwiefern sie hierdurch Gesundheitsschäden erlitten – daher konzentrierten sich die Ermittler auf Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz sowie Betrug.

Eine Entscheidung gab es am Freitag gleichfalls in einer zweiten entscheidenden Frage: Ein Schöffe wurde von der Kammer als möglicherweise befangen erklärt. Einerseits war er selber vor einigen Jahren als angestellter Apotheker in Bottrop tätig und kannte die Eltern von Peter S., wie Nebenkläger kritisiert hatten. Darüber hinaus hatte er bei Prozessauftakt erklärt, dass seine Frau wegen einer Krebserkrankung in einer onkologischen Praxis behandelt wurde, die von Peter S. beliefert wurde – so dass er selber auch den dortigen Onkologen kenne, welcher im Prozess als Entlastungszeuge aussagen soll.

Apotheker als Schöffe abgelehnt

Die Besorgnis der Befangenheit gebe es nicht aus einem einzelnen Grund, erklärte der Gerichtssprecher gegenüber DAZ.online – „aber es ist einfach zu viel geworden: privat, beruflich“, sagte er. „Da könnte der Eindruck entstehen, dass er nicht ganz unbefangen ist.“ Der Prozess könnte theoretisch wie geplant weitergehen, da von Anfang an ein Ersatzschöffe anwesend war, der die Rolle des Apothekers übernehmen könnte. Doch Nebenkläger beantragten am Freitag eine Aussetzung des Prozesses, um weitere Ersatzschöffen benennen zu können. Sollte nämlich ein weiterer Schöffe ausfallen, würde es ansonsten zu erheblichen Verzögerungen des gesamten Prozesses kommen, argumentierten sie – in deren Zuge womöglich die Untersuchungshaft von Peter S. aufgehoben werden könnte, da sie ihm dann nicht mehr zuzumuten sei.  

Ferner beantragte ein Anwalt eines Nebenklägers, den Mitarbeiter von Hexal als Zeugen zu hören, von dem Peter S. schwarz Zytostatika eingekauft haben will. Dies soll die Frage klären, ob tatsächlich auf diesem Wege mehr Wirkstoff besorgt wurde, als es die Staatsanwaltschaft bislang annimmt. Hexal sowie der Mitarbeiter hatten dies bestritten und gegenüber DAZ.online auch von möglichen rechtlichen Schritten gegen derartige Aussagen gesprochen. Eine Nachfrage, ob eine entsprechende eidesstattliche Erklärung des Mitarbeiters vorliegt, blieb jedoch unbeantwortet. 

Die Aussage eines am Freitag vom Gericht gehörten Zeugen bestätigte eine andere Aussage der Verteidigung von Peter S. jedoch etwas: Es geht um die Frage, ob die Staatsanwaltschaft den Anfangsbestand von Zytostatika erfasst hat. Ein Polizeibeamter, der vor gut einem Jahr an der Razzia in der Apotheke beteiligt war, sagte laut dem Recherchebüro „Correctiv“ , dass eine Auswertung der damaligen Buchhaltung nicht erlaubt habe, den Anfangsbestand von Krebsmitteln festzustellen, der am 1.1.2012 vorlag – verjährungstechnisch ist dies der Beginn des Tatzeitraums.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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