Notfall-Kontrazeptiva in England

Politiker kritisieren Apothekenkette für zu hohe Preise

Berlin - 17.11.2017, 12:00 Uhr

Die britische Apothekenkette Boots steht derzeit unter Beschuss: Die Politik fordert eine drastische Preissenkung der Notfall-Kontrazeptiva. (Foto: dpa)

Die britische Apothekenkette Boots steht derzeit unter Beschuss: Die Politik fordert eine drastische Preissenkung der Notfall-Kontrazeptiva. (Foto: dpa)


In England haben sich mehr als 130 Parlamentarier aus dem House of Commons bei der britischen Apothekenkette Boots beschwert. Die Abgeordneten stören sich an den Preisen der Kette für die „Pille danach“. Im Sommer hatte Boots eigentlich versprochen, die Preise für Notfall-Kontrazeptiva drastisch zu senken, geschehen ist jedoch nichts.

In England soll es für Frauen eigentlich mehrere Möglichkeiten geben, die „Pille danach“ umsonst zu erhalten. Die Arzneimittel „Levonelle“ und „EllaOne“ können in sogenannten „Sexual Health Clinics“, also Facharztpraxen für Sexualmedizin, des Gesundheitsdienstes NHS umsonst bezogen werden. In Notfällen, also nachts oder am Wochenende, können sich Frauen auch an die Apotheken wenden. In Apotheken sind die Notfall-Kontrazeptiva allerdings nur in einigen Teilen des Landes – je nach regionaler Vertragslage – kostenlos erhältlich. Zudem gilt die Zahlungsbefreiung in Apotheken nur für gewisse Altersgruppen. In Wales und Schottland hingegen können alle Frauen die „Pille danach“ in allen Apotheken unentgeltlich erhalten.

Aber weil der NHS in England solche Verträge noch nicht anbietet, haben die Apothekeninhaber und Kettenkonzerne noch weitgehend freie Hand beim Festsetzen der Preise für die „Pille danach“. Medienberichten zufolge schwanken die Preise stark: In den Supermarktapotheken von Tesco sollen die Original-Präparate schon für etwa 13 Britische Pfund erhältlich sein, umgerechnet also etwa 14,50 Euro. Bei den Kettenkonzernen Boots und Superdrug hingegen werden den Berichten zufolge sehr viel höhere Preise abgerufen. So sollen die beiden Original-Präparate rund 29 Britische Pfund kosten und die Generikapreise nur knapp darunter liegen. Bei Superdrug soll es sogar Preise von bis 35 Pfund geben.

Insbesondere Boots steht mit seinen knapp 2500 Filialen seit Monaten in der Kritik wegen seiner Preispolitik. Im Sommer hatte der British Pregnancy Advisory Service, eine Wohltätigkeits-Organisation, die schwangere Frauen berät, die Kette angeschrieben und Preisreduktionen gefordert. Die Antwort von Boots auf diese Aufforderung landete in den Medien und wurde heftig kritisiert: Die Kette soll geschrieben haben, dass niedrige Preise „Anreize zur unangemessenen Verwendung der Notfall-Kontrazeptiva“ setzen könnten. Wegen der öffentlichen Kritik soll Boots dann aber mehrfach versprochen haben, die Preise für die Generika zu senken.

Parlamentarier sind bestürzt über die Preispolitik von Boots

Das ist ganz offensichtlich nicht geschehen, und nun mischt sich die Politik ein. Die Abgeordnete Sharon Hodgson hat nun mehr als 130 Parlamentarier um sich versammelt. Gemeinsam haben die Politiker einen Brief an die Kette verfasst, der sich gewaschen hat. Dort heißt es: „Wir haben es begrüßt, dass Boots im Juli ankündigte, günstigere Alternativen für Notfall-Kontrazeptiva anbieten zu wollen. Auch die weitere Nachricht von Boots im August 2017, dass man mit den Herstellern daran arbeite und bis Oktober günstigere Medikamente in allen Apotheken habe, erfreute uns. Wir sind jetzt aber bestürzt, dass Boots es nicht geschafft hat, diese Versprechen für Frauen einzuhalten.“

Laut Hodgson hat Boots die Politiker in der vergangenen Woche darüber benachrichtigt, dass die günstigeren Alternativen schon in 69 von 2500 Geschäften erhältlich seien. „Es fehlt aber weiterhin das Versprechen, dass die günstigen Präparate in allen Boots-Filialen erhältlich sein werden.“ Die Politiker sehen die Kette auch im Wettbewerbsdruck. Fast alle konkurrierenden Kettenunternehmen hätten niedrigere Preise, schreiben die Abgeordneten. „Es ist schwierig zu verstehen, warum Boots – unsere führende Apothekenkette, die von sich behauptet, sich um das Wohl von Frauen zu bemühen – nicht in der Lage ist, solche Preise anzubieten.“ Die Parlamentarier machen nun Druck, weil insbesondere während der Weihnachtsferienzeit ein erhöhtes Beratungsaufkommen in diesem Bereich erwartet werde. Die Politiker fordern die Kette daher auf, zumindest die Preise der Generika sofort zu senken.

Gegenüber der BBC erklärte eine Boots-Sprecherin, dass man derzeit daran arbeite, dass Frauen in allen Boots-Apotheken die „Pille danach“ unentgeltlich erhalten können. Und weiter: „Wir würden es begrüßen, wenn die Arzneimittel wie in Wales und Schottland landesweit vom NHS erstattet werden.“ Was die Verspätung der Preissenkung betrifft, erklärte die Sprecherin, dass es beim Hersteller einen „Chargenfehler“ gegeben habe.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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