VdPP-Herbstseminar

Vergütete Dienstleistungen in der Apotheke – ein Henne-Ei–Problem

Berlin - 14.11.2017, 17:35 Uhr

Ohne Honorierung keine Motivation - und ohne Praxis-Impulse kein Bedeutungszuwachs. Die Probleme mit den pharmazeutischen Dienstleistungen erinnern an die Henne und das Ei.  (Foto: 
                            
                                    


                                    Anatolii

                                    
                            / stock.adobe.com)

Ohne Honorierung keine Motivation - und ohne Praxis-Impulse kein Bedeutungszuwachs. Die Probleme mit den pharmazeutischen Dienstleistungen erinnern an die Henne und das Ei.  (Foto: Anatolii / stock.adobe.com)


Verbraucherschützer fordern Beratung ein – gute Beispiele aus dem Ausland

Kai Helge Vogel, Leiter des Teams Gesundheit und Pflege beim Verbraucherzentrale Bundesverband, verwies darauf, dass die Gesundheitskompetenz der Bürger erschreckend schlecht sei. Die Apotheke als niedrigschwellige Anlaufstelle im Gesundheitswesen hätte hier die besten Möglichkeiten, aktiv zu werden und den Menschen etwas beizubringen. Das Problem sei, dass die Beratungsqualität in den Apotheken häufig nicht zufriedenstellend sei – das zeigten jedenfalls immer wieder Testkäufe, die aber sicherlich nicht alle Apotheken abbildeten. Allerdings räumt Vogel ein: Auch die Verbraucher seien nicht immer einfach. Er sieht es auf jeden Fall kritisch, dass Apotheken oft als reine Packungsabgabestellen betrachtet werden. Aus Verbrauchersicht wäre die Fokussierung auf die Beratung wichtig. Vogel würde sich bei der Honorardiskussion nicht zuletzt eine größere Einbeziehung der (evidenzbasierten) Selbstmedikation wünschen. Dazu setzt er auf mehr Austausch mit den Apothekern, welche praktikablen Vorschläge sie selbst haben. Der vzbv hält es auch grundsätzlich für nötig, den OTC-Erstattungsausschluss zu überprüfen. Dieser führe zu einer erheblichen Kostenbelastung der Verbraucher.

Das Ausland macht´s vor

Einen Blick ins Ausland warf sodann VdPP-Vorstand Dr. Udo Puteanus. Er präsentierte eine Reihe von Beispielen, wo Apotheken für besondere Leistungen auch besonders vergütet werden. Denn die Grundsituation ist überall gleich: Die Menschen werden älter, die Polymedikation nimmt zu und die Patientensicherheit ist zu einem großen Thema geworden. Es besteht Bedarf an Gesundheitsförderung und Prävention – doch die Fachkräfte fehlen. Um die Leistungen der Apotheker und auch ihre Einsatzorte tatsächlich auszuweiten, bedürfe es echtem Handlungsdruck (finanziell) und einen politischen Gestaltungswillen, so Putenaus. Und damit ist man in anderen Ländern offensichtlich weiter als hierzulande. In Australien bekommen Apotheker es etwa bezahlt, wenn sie zu Patienten nach Hause gehen, um die Medikation zu prüfen und dem Hausarzt darüber zu berichten (Home Medicines Review). In Kanada können sie in einigen Provinzen Folgeverordnungen ausstellen und unter bestimmten Umständen sogar eine Therapie mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln initiieren. Auch Impfen ist in fast allen kanadischen Provinzen erlaubt. Die Schweiz schreitet in diesem Feld ebenfalls voran. Besonders interessant ist aus Puteanus Sicht zudem das Modell netCare, das es Schweizer Apotheken ermöglicht, 25 Krankheiten nach einem Algorithmus abzuklären. Dabei kann gegebenenfalls auch ein Arzt per Video hinzugezogen werden. Wichtig sei bei diesen Modellen auch, gleich zu untersuchen, ob sie etwas bringen und an den nötigen Stellschrauben zu drehen, wenn etwas nicht so funktioniert wie gedacht. Denn auch die wissenschaftliche Fundierung der neuen Leistung muss stimmen.

Puteanus´ Fazit: Die Zeit ist jetzt gut, über neue Ansätze dieser Art zu diskutieren – am besten international und interdisziplinär. Die Apotheker seien bereit für Veränderungen. Man müsse gerade in der jetzt anstehenden Honorardiskussion überlegen, wie ihr pharmazeutisches Potenzial besser genutzt werden kann. Insbesondere um die Arzneimitteltherapiesicherheit zu verbessern, aber auch um den Nutzen der Apotheken in der Primärversorgung weiterzuentwickeln. Zugleich ist der VdPP-Vorstand überzeugt: Wer eine neue Leistung honoriert bekommen möchte, muss auch belegen können, dass sie etwas bringt. Damit ist man allerdings wieder bei dem von Bauer angesprochenen „Henne-Ei-Problematik“.



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1 Kommentar

Nüchtern rechnen statt sympathisch schwärmen

von Wolfgang Müller am 15.11.2017 um 12:15 Uhr

"Möglicherweise könnten vergütete Dienstleistungen wettmachen, was der Versandhandel den Präsenzapotheken vom Umsatz nimmt."

"Möglicherweise" und "vom Umsatz" ist gut formuliert, bravo. Hier weiß wohl jemand inzwischen, wie vorsichtig er mit dieser Hoffnung sein muss .... Auch wenn unser kleiner südöstlicher Nachbar sich auch gerade im Gleichschritt auf diesen "Weg-vom-Packerl"-Lemming-Weg begibt.

Was den Ausfall von GEWINN wg. an den Versand verlorenem oder zugunsten einer "Weg vom Packerl"-Honorierung von "Uns" freiwillig weggeschenktem Rx-Fixhonorar-Rohertrag betrifft, mal rechnen:

Verlieren wir 15 - 25 Prozent des GKV-Rx-Packerl-Fixhonorars, also 0,75 - 1,25 Mrd. Euro pro Jahr, verlieren wir viele hundert Mio. Deckungsbeitrag. Sagen wir mal, der Einfachheit halber: 500 Mio. Also 25.000 Euro pro Apotheke. Nehmen wir mal an, die GKVen gestehen uns einen Deckungsbeitrag pro Dienstleistung von 5 Euro zu (Grob gerechnet: Vergütung - Personalkosten für Durchführung und Abrechnung, z. B. 30 - 25 = 5), egal, ob als Einzelleistung (z. B. Brown Bag) oder innerhalb eines Einschreibesystems:

Wieviele einzelne Dienstleistungen muss diese Apotheke dann pro Jahr erbringen? 25000 : 5 = 5000, also um die 20 pro Tag. Na Mahlzeit.

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