Ciprofloaxcin, Levofloxacin, Moxifloxacin

Alternative Antibiotika zu Fluorchinolonen bei Harnwegsinfektionen

Stuttgart - 10.11.2017, 07:00 Uhr

Quälend und schmerzhaft: Harnwegsinfektionen. Welche Antibiotika sind Mittel der Wahl? (Foto: anetlanda / stock.adobe.com)

Quälend und schmerzhaft: Harnwegsinfektionen. Welche Antibiotika sind Mittel der Wahl? (Foto: anetlanda / stock.adobe.com)


Als Apotheker möchte man manchmal laut ausrufen: „Liebe Ärzte, lest die Leitlinien“. Denn da steht alles drin. Nach dem Warn-Beitrag der Tagesthemen vor Ciprofloxacin, hat sich DAZ.online alternative Antibiotika zu banalen Infektionen wie Sinusitis, akute Exazerbationen einer COPD und unkomplizierte Harnwegsinfektionen angeschaut. Was sind First-line Antibiosen bei unkomplizierten Infektionen der Harnwege? Und sind Männer grundsätzlich kompliziert?

Für Apotheker gilt 

Häufiger mal bei Fluorchinolonrezepten nachhaken – und alternative Antibiotika vorschlagen, denn Apotheker kennen sich aus mit Arzneimitteln. Welche Antibiotika funktionieren alternativ zu Cipro & Co. bei Sinusitis, Bronchitis und Harnwegsinfekten? DAZ.online startete am Montag mit Sinusitis, am Mittwoch stellten wir die antibiotischen Alternativen bei einer akuten Exazerbation der COPD vor, und heute folgt der Rest: alternativen Antibiotika bei unkomplizierten Harnwegsinfekten.

Es brennt und schmerzt höllisch – bei Harnwegsinfektionen (HWI) tröpfelt es zwar unsagbar langsam auf der Toilette, die Tränen hingegen möchten nahezu sturzbachartig aus den Augen kullern. Und jeder, ob Mann oder Frau, der bereits einmal an einer Blasenentzündung gelitten hat, weiß: Man will einfach nur, dass das Brennen aufhört, und zwar schnell, am Besten sofort. Sind hier Antibiotika die ultimativen Schnellheiler? Und welche helfen am besten, haben die wenigsten Nebenwirkungen und selektieren am wenigsten resistente Keime? Eines ist sicher: Fluorchinolone sind es, zumindest bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen, nicht.

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Alternative Antibiotika zu Fluorchinolonen bei Sinusitis

Fluorchinolone sparen sollen Ärzte – unter anderem nach Ansicht der FDA – nicht nur bei Sinusitis und COPD, sondern auch bei unkomplizierten Infektionen der Harnwege. Was ist nun kompliziert und was nicht? Hat der Patient keine anatomischen oder funktionellen Anomalien oder liegen keine relevanten Nierenfunktionsstörungen oder Begleiterkrankungen vor, geht der Arzt zunächst von einer unkomplizierten Harnwegsinfektion aus. Anatomische Veränderungen können beispielsweise Nierensteine sein, Tumore oder Harnblasendivertikel. Funktionelle Veränderungen liegen bei Entleerungsstörungen der Harnblase beispielsweise vor oder bei einer Niereninsuffizienz. Begleiterkrankungen, die einen komplizierten Verlauf einer HWI begünstigen sind Diabetes mellitus oder Immundefizienzen wie beispielsweise HIV.

Eine Harnwegsinfektion lässt sich auch anatomisch differenzieren; sind lediglich die unteren Harnwege betroffen, liegt eine Zystitis vor. Bei Patienten, bei denen die Ärzte eine Pyelonephritis diagnostizieren, ist die Infektion bis ins Nierenbecken aszendiert. Zusätzlich zu den klassischen Beschwerden einer Zystitis gesellen sich hier meist, Fieber > 38 °C, Flankenschmerzen und ein klopfschmerzempfindliches Nierenlager dazu.

Antibiotika der ersten Wahl bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen

Welche Erreger verursachen Harnwegsinfektionen?

Zu den häufigsten Erregern, die an einer Harnwegsinfektion beteiligt sind zählen Escherichia coli, Staphylococcus saprophyticus, Klebsiella pneumoniae und Proteus mirabilis. Doch wann besteht denn überhaupt eine Indikation für eine Antibiose?

Während bei einer akuten unkomplizierten Pyelonephritis eine Antibiotikatherapie so früh wie möglich erfolgen soll, also IMMER indiziert ist, formulieren die Experten bei einer lediglich unkomplizierten Zystitis mit „sollte“vorsichtiger. Die Ärzte können somit auch erwägen, wenn die Patientin nur  leichte oder mittelgradige Beschwerden hat, ob eine Antibiotika-freie und rein symptomatisch Therapie erfolgen soll. Für die Art der Antibiose empfiehlt die Leitlinie eine präferenzielle orale Therapie – kurz und wirksam.

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Fluorchinolone: nicht als First-line Antibiose bei Zystitis

Die aktuelle S3-Leitlinie zu Harnwegsinfektionen empfiehlt bei einer unkomplizierten Zystitis bei Frauen in der Prämenopause: 

  • Fosfomycin 1x 3000 mg für 1 Tag als single-shot
  • Nitrofurantoin 4 x 50 mg für 7 Tage
  • Nitrofurantoin retard 2 x 100 mg für 5 Tage
  • Nitroxolin 3 x 250 mg für 5 Tage
  • Pivemecillinam 2-3 x 400 mg für 3 Tage

Wie sieht es mit Trimethoprim aus? Das zählt nur bei günstiger Resistenzlage zu den First-line-Antibiosen. Sind weniger als 20 Prozent der E. coli-Stämme resistent, kann der Arzt aber auch Trimethoprim verordnen:

  • Trimethoprim 2 x 200 mg für 3 Tage.

Die Kassenärztliche Vereinigung weicht von dieser Empfehlung ein klein wenig ab: Nitrofurantoin soll laut KBV nur als Reserveantibiotikum bei unkomplizierter Zystitis eingesetzt werden. Grund sind Nieren- und Leberfunktionsstörungen, die das Antibiotikum verursachen kann. Nieren- und Leberfunktion müssen daher vor der Verordnung und während der Therapie überprüft werden. Zudem kann Nitrofurantoin interstitielle Pneumonitiden und Lungenfibrosen verursachen. Diese enden zum Teil tödlich und treten zwar meist unter Langzeitanwendung, aber auch bei kürzerer oder intermittierender Anwendung auf. 

Von Fluorchinolonen keine Spur als Mittel der ersten Wahl bei HWI mit unkomplizierten Verkäufen. Das betonen auch die Experten der Leitlinie explizit: „Folgende Antibiotika sollen bei der Therapie der unkomplizierter Zystitis NICHT als Mittel der ersten Wahl eingesetzt werden“: Ciprofloxacin, Levofloxacin, Norfloxacin, Ofloxacin. Klingt eindeutig. Verzichten sollten Ärzte außerdem auf Cotrimoxazol und Cefpodoxim.

Fluorchinolone erhöhen Gefahr für Clostridium-Infektion

Neben unerwünschten Arzneimittelwirkungen, die vor allem bei Fluorchinolonen aufgrund ihres neurotoxischen Potenzials relevant sind und weniger bei Cefpodoxim, gilt es bei Antibiotikatherapien auch das große Ganze zu betrachten. Auch wenn Fluorchinolone und Cephalosporine der zweiten und dritten Generation fraglos das Erregerspektrum abdecken, sie verursachen auch deutlich höhere Kollateralschäden als Fosfomycin oder Pivmecillinam. Ein ungeliebter Keim, der sich vor allem unter Cephalosporinen und Fluorchinolonen breit macht, ist Clostridium difficile und vor allem die durch ihn verursachten Komplikationen einer pseudomembranösen Colitis.

Männer sind immer kompliziert ...

... zumindest bei Harnwegsinfektionen. Dafür leiden sie deutlich seltener darunter als Frauen. Ihre Vorteile ziehen die Männer durch ihre Anatomie. Bei Männern ist die Harnöhrenöffnung weiter vom Erregerreservoir des Anus entfernt und hat ein trockenes Umfeld. Zusätzlich ist die männliche Harnröhre länger, was es den Erregern erschwert, zu aszendieren. Und: Das Prostatasekret ist antibakteriell. Nur in seltenen Fällen  –  bei jüngeren Männern, die keine weiteren Begleiterkrankungen haben  – , kann auch mal ein unkompliziertes Exemplar vorliegen.

Die Empfehlungen der Therapie einer komplizierten Harnwegsinfektion müssen klar von der unkomplizierten Form abgegrenzt werden. Hier haben Fluorchinolone durchaus eine enormen Stellenwert und eine berechtigte Daseinsberechtigung. Somit brauchen Apotheker Verordnungen für Männer über Ciprofloxacin nicht kritisch hinterfragen, auch bei Frauen mit komplizierten Verlaufsformen oder einer Pyelonephritis sind Fluorchinolone neben Aminopenicillinen mit Betalaktamaseinhibitoren und Cephalosporinen die Mittel der Wahl.

Phytopharmaka bei Harnwegsinfekten

Die Spontanheilungsrate ist bei Harnwegsinfekten hoch; rund 30 bis 50 Prozent der Patienten sind bereits nach einer Woche beschwerdefrei, auch wenn sie keine antibiotische Therapie erhalten. Allerdings verkürzen Antibiotika die Infektion, die Symptome klingen signifikant rascher ab, 80 Prozent sind hier nach einer Woche frei von Beschwerden. Rein symptomatisch erfolgt die Therapie mit Ibuprofen. Auch hier liegt die Erfolgsrate mit 70 Prozent durchaus in vorzeigbaren Bereichen.

Zu alternativen Arzneimittel – Phytotherapeutika, Homöopathika, Tees – oder Empfehlung unterstützender Maßnahmen äußern sich die Experten der Leitlinie nur im Kontext mit rezidivierenden Harnwegsinfektionen der Frau. Hier könne maximal ein Monat mit Bärentraubenblätterextrakten behandelt werden beziehungsweise pflanzliche Arzneimittel mit Kapuzinerkresse und Meerrettichwurzel erwogen werden.

Allerdings: Der Wunsch nach pflanzlicher Unterstützung bei akuten Harnwegsinfekten ist bei Patienten in der Selbstmedikation groß. Die Evidenz fehlt für Tees mit Birkenblättern, Hauhechelwurzel oder Brennesselkraut oder sonstige aquaretische Drogen. Dennoch können Apotheker auf diese unterstützenden Maßnahmen hinweisen. 



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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