Opioid-Abhängigkeit

Gesundheitsnotstand in den USA, Entwarnung in Deutschland

Remagen - 07.11.2017, 10:30 Uhr

Eine Opioid-Krise wie in den USA ist laut Fachgesellschaft  derzeit in Deutschland nicht in Sicht. (Foto: picture alliance / empics)

Eine Opioid-Krise wie in den USA ist laut Fachgesellschaft  derzeit in Deutschland nicht in Sicht. (Foto: picture alliance / empics)


In den Vereinigten Staaten wurde vor wenigen Tagen wegen des alarmierenden Anstiegs von Opioid-Abhängigen und -Toten ein Gesundheitsnotstand ausgerufen. Die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) hält diese Probleme für hausgemacht. Hierzulande verhindern gesetzliche Regelungen und Leitlinien zum Einsatz von Opioiden ein solches Desaster, stellt die DGS fest.  

Vor wenigen Tagen hat der US-amerikanische Präsident Donald Trump angesichts einer drastischen Zunahme von Opioid-Abhängigen in den USA einen nationalen Gesundheitsnotstand erklärt. Damit machte er den Weg frei, damit schnell mehr Fachpersonal bereitgestellt werden kann, um der Entwicklung auf breiter Ebene gegenzusteuern. Außerdem soll die Betreuung der Süchtigen, etwa durch telemedizinische Angebote, intensiviert werden.

Nach Zahlen der Centers for Disease Control and Prevention (CDC), einer Bundesbehörde des amerikanischen Gesundheitsministeriums, sollen im letzten Jahr in den USA mehr als 64.000 Menschen an einer Überdosis von Drogen gestorben sein, die meisten davon durch Opioide, wie Oxycodon, Fentanyl oder die illegale Rauschdroge Heroin. Die Anzahl der Todesfälle durch Opioide soll laut CDC zwischen 2000 und 2014 um 200 Prozent zugenommen haben. 

Für legal verschriebene Opioide wie Oxycodon, Hydrocodon oder Methadon melden die CDC einen mehr als vierfachen Anstieg der Toten seit dem Jahr 1999. Jeden Tag sollen mindestens 91 Amerikaner durch Überdosen von Opioiden zu Tode kommen. 

Wie kam es zu der Epidemie?

Opioid-Analgetika sind in den USA die am häufigsten verschriebenen Arzneimittel. Nach einem Bericht des „U.S. Surgeon General“ (Sanitätsinspekteur der Vereinigten Staaten und operativer Leiter des United States Public Health Service) zum Thema „Alkohol, Drogen und Gesundheit“ für das Jahr 2016 schlagen hierzu jährlich fast 290 Millionen Verordnungen zu Buche. Angefangen haben soll die Über-Verschreibung Mitte der 1990er-Jahre, basierend auf einer Kampagne, mit der die Ärzte zur vermehrten Verordnung von Opioiden zur Schmerzbekämpfung ermutigt wurden. Nach einer Mitteilung der CDC sollen die Verschreibungen zwar in der letzten Zeit etwas rückgängig sein, aber die Zahlen seien immer noch hoch und in den einzelnen Bundesstaaten sehr unterschiedlich. So soll die Anzahl in den Staaten mit den meisten Verordnungen sechs Mal so hoch gewesen sein wie in Staaten mit den wenigsten. 

Strenge Regelungen zum Einsatz von Opioiden in Deutschland 

Anlässlich dieser alarmierenden Entwicklung jenseits des großen Teichs gibt die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS) Entwarnung: In Deutschland sei aktuell kein Gesundheitsnotstand aufgrund von Opioid-Abhängigkeit zu befürchten, heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung. „In Deutschland ist der Einsatz von Opioiden weitestgehend unproblematisch“, bekräftigt DGS-Vizepräsident Oliver Emrich. „Schmerzpatienten hierzulande erhalten in der Regel nur dann Opioide, wenn die strengen Regeln der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtmVV) und des Betäubungsmittelgesetzes (BtmG) eingehalten werden.“ Lediglich bei ca. ein bis drei Prozent der mit Opioiden behandelten Schmerzpatienten komme es trotz Einhaltung aller Vorsichtsmaßnahmen zu Abhängigkeitssymptomen unter der Behandlung mit Opioiden, fügt Emrich an.

Leitlinien sorgen für kontrollierte Verwendung

Die DGS stellt fest, dass Opioide grundsätzlich ein hohes Potenzial der Suchtstoffabhängigkeit bergen, vor allem dann, wenn sie gespritzt oder unretardiert eingenommen werden. Eine unretardierte Applikation führe zu hohen Rezeptorschwankungen der Opioide an den Opioidrezeptoren. Diese Schwankungen wiederum könnten zu Abhängigkeit im Sinne einer übermäßigen Erwartung der Applikation führen. Wissenschaftliche Auswertungen und die Empfehlungen aller Fachgesellschaften in Deutschland legten daher nahe, Opioide streng indikationsbezogen, retardiert, niedrig dosiert, zeitlich begrenzt und kontrolliert einzusetzen, schreibt die DGS unter Verweis auf die S3-Leitlinie „Langzeitanwendung von Opioiden bei nicht tumorbedingten Schmerzen – „LONTS“.

USA: Verschreibung oft ohne Kontrollen 

Nicht retardierte Opioide, ein laxes Monitoring und eine unzureichende Prä-Anamnese der Patienten, die Opioide nehmen, erhöhen laut DGS das Risiko einer Suchtstoffabhängigkeit. Hier erkennt die Deutsche Schmerzgesellschaft in den USA wesentliche Versäumnisse. Ein Controllling von Schmerzpatienten unter Opioiden gebe es dort bislang kaum, betont die DGS. Amerikanische Ärzte verschrieben immer größere Mengen an Opioiden, ohne deren Wirkungen und unerwünschte Wirkungen wie die Auslösung eines Suchtverhaltens ausreichend zu prüfen. Die 2016 publizierten Leitlinien der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) für die Verschreibung von Opioiden gegen chronische Schmerzen mahnten zwar enge, zum Teil wöchentliche Wirkungs-Nebenwirkungskontrollen einer Schmerzbehandlung mit Opioiden an, aber diese fänden bei den Ärzten wenig Beachtung.
„In Deutschland besteht derzeit kein Anlass, einen Notstand bezüglich der Opioid-Praxis zu beklagen“, so Emrichs Fazit. „Wir haben hierzulande erheblich bessere und stringentere Behandlungsregeln sowie gesetzliche Regelungen, um eine so fatale Entwicklung, wie wir sie in den USA sehen, wirkungsvoll zu verhindern.“ 



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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