Bottroper Zyto-Skandal

Whistleblower-Preis für PTA und Apotheken-Mitarbeiter

Stuttgart - 30.10.2017, 12:00 Uhr

Die Whistleblower Maria-Elisabeth Klein und Martin Porwoll vor der Zyto-Apotheke in Bottrop. (Foto: Correctiv.Ruhr)

Die Whistleblower Maria-Elisabeth Klein und Martin Porwoll vor der Zyto-Apotheke in Bottrop. (Foto: Correctiv.Ruhr)


Ohne sie wäre der Skandal um einen Zyto-Apotheker aus Bottrop wohl nicht ans Tageslicht gekommen: Der ehemalige kaufmännische Leiter Martin Porwoll und die PTA Maria-Elisabeth Klein hatten den Mut, Vorwürfe gegen ihren Chef bekannt zu machen. Nun werden sie dafür mit einem Whistleblower-Preis ausgezeichnet.

Der Zyto-Apotheker Peter S. steht derzeit vor Gericht, da er zehntausende Rezepturen unterdosiert oder unter schlechten hygienischen Bedingungen hergestellt haben soll. Den Fall ins Rollen gebracht haben zwei Angestellte: Der frühere kaufmännische Leiter Martin Porwoll ging nach eigenen Aussagen langjährigen Gerüchten nach und stellte fest, dass S. deutlich größere Arzneimittel-Mengen verkaufte, als er Wirkstoffe einkaufte. Und die PTA Maria-Elisabeth Klein brachte einen Infusionsbeutel zur Polizei, in dem sich später kein Wirkstoff fand.

Wie am heutigen Montag bekannt gegeben wurde, erhalten die beiden einen Whistleblower-Preis – für ihre Verdachts-Enthüllungen über die „offenbar jahrelang praktizierte illegale Panscherei mit Anti-Krebsmitteln“ in der Bottroper Apotheke. Diese könnte mehrere Tausend schwer- und todkranke Krebspatienten in fünf oder sechs Bundesländern geschädigt haben, heißt es in der Pressemitteilung

„Die Preisträger Martin Porwoll und Maria-Elisabeth Klein haben aufgrund ihres Insider-Wissens mit ihrem Whistleblowing wesentlich dazu beigetragen, dass die zuständige Staatsanwaltschaft dem Verdacht schwerer Straftaten eines Zyto-Apothekers, die strukturell nur schwer aufzudecken sind, überhaupt nachgehen und aufgrund ihrer umfangreichen Ermittlungen Anklage gegen ihn vor einem unabhängigen Strafgericht erheben konnte“, heißt es in der Begründung. „Ferner haben beide Whistleblower damit einen wichtigen Beitrag zur Verhinderung künftiger weiterer Zytostatika-Panschereien mit gravierenden Lebens- und Gesundheitsgefahren für eine unbekannte Vielzahl schwerkranker Krebs-PatientInnen geleistet.“

Whistleblower haben „skandalöse defizitäre Kontrollpraxis“ aufgedeckt

Ihr Whistleblowing sei zugleich ein wichtiger Beitrag zur Aufdeckung von strukturellen Missständen in einem besonders kostenintensiven Bereich des Gesundheitswesens, heißt es in der Begründung: Ein Jahresumsatz von rund 4 Milliarden Euro teile sich auf ungefähr 50 Hersteller- und Vertriebsunternehmen, rund 1200 Onkologen und ungefähr 250 Zytostatika-Apotheken auf. Aufgrund der Ermittlungen hat das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium schärfere Kontrollen bei Zyto-Apotheken angekündigt

Auch hierauf nimmt die Jury Bezug. Durch das Whistleblowing wurde „eine skandalöse defizitäre Kontrollpraxis der staatlichen Aufsichtsbehörden“ durch die Amtsapotheker, bei der Bezirksregierung und im zuständigen Landesministerium offenbar, heißt es in der Begründung. „Hier ist ein großes Umsteuern erforderlich“, erklärt die Jury.

Der Preis soll am 1. Dezember in Kassel verliehen werden – zum zehnten Mal gemeinsam von der „Vereinigung Deutscher Wissenschaftler“ sowie der Deutschen Sektion der „International Association of Lawyers against Nuclear Arms“. Neben Klein und Porwoll wird auch der frühere Chefredakteur der türkischen Zeitung „Cumhüriyet“, Can Dündar, ausgezeichnet: Dieser musste nach Enthüllungen über illegale Waffenlieferungen durch den türkischen Geheimdienst nach Berlin ins Exil gehen.

Recherchebüro sammelt Geld für die Whistleblower

Hier gibt es einen Zusammenhang zwischen den drei Preisträgern: Dündar arbeitet nun im Büro des Recherchenetzwerks Correctiv, welches auch intensiv über den Zyto-Skandal in Bottrop berichtet hatte. Da Porwoll und Klein im Zuge der Enthüllungen ihren Arbeitsplatz verloren haben und erhebliche Kosten für ihre anwaltliche Verteidigung hatten, startete Correctiv ein Crowd-Funding für die beiden früheren Apothekenmitarbeiter.

Whistleblower müssen besser geschützt werden, fordern die beiden Verbände, die den Preis vergeben: Einerseits rechtlich, aber andererseits auch durch eine entsprechende Infrastruktur vor allem in den Betrieben, im Gesundheits- und Pflegebereich, in Forschungseinrichtungen, in Verwaltungen sowie bei Polizei und Militär.


Wir drücken unsere ganz besondere Wertschätzung für ein Verhalten aus, das am Gemeinwohl orientiert, primär von gemeinnützigen Motiven und von Gemeinsinn geprägt ist und das in einer für unser Zusammenleben bedeutsamen Frage ein großes Maß an Zivilcourage dadurch offenbart hat, dass unter Inkaufnahme gravierender beruflicher und persönlicher Nachteile illegales Handeln sowie schwerwiegende Gefahren und Risiken für Gesundheit und Leben, für das friedliche Zusammenleben der Menschheit oder für andere wichtige Gemeingüter enthüllt worden sind.

Jury des Whistleblower-Preises


In den vergangenen Jahren wurden beispielsweise der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden oder die Whistleblowerin Chelsea Manning mit dem Preis ausgezeichnet. Für erhebliche Kritik hatte jedoch vor zwei Jahren die Verleihung des Preises an den umstrittenen französischen Molekularbiologen Gilles-Éric Séralini geführt, der an Ratten Fütterungsstudien mit genetisch modifiziertem Mais durchgeführt hat. Doch seine Ergebnisse über erhöhte Tumorraten waren stark umstritten, ein Artikel wurde zwischenzeitlich zurückgezogen. Séralini sei kein Whistleblower – sondern „ein Anti-Gentechnik-Aktivist, der einen Feldzug mit fragwürdigen Mitteln führt“, hieß es in der „Zeit“.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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5 Kommentare

Whistleblower

von Dr. Gert Schorn am 31.10.2017 um 10:50 Uhr

Wer solche kriminelle Taten in Apotheken aufdecken und sich schützen möchte, sollte überlegen, ob er statt zur Polizei zu gehen vertraulich die Überwachungsbehörde darauf aufmerksam macht und Hinweise zur Aufdeckung des Vergehens gibt , die dann "rein zufällig" die Apotheke inspiziert und dabei auf den Missstand stößt.

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Whistle blower

von Alexander Zeitler am 30.10.2017 um 19:45 Uhr

Respekt vor diesen beiden Mitarbeitern. Das ist keine Untreue bzw. Verrat von Geschäftsgeheimnissen.
Wenn man so einem skrupellosen Kerl (Kollege verbietet sich), der aus Gier Zytostatika verdünnt, bzw. OHNE Wirkstoff ausliefert nur so beikommt, ist das hoch zu achten. Ich wünsche ihm, dass viele betroffene Patienten ihm auch noch an den Kragen gehen. Der soll keinen Fuss mehr auf den Boden bekommen. Und iange im Knast schmoren. Man kann nur vor ihm ausspucken. Vielleicht bekommt der ja auch mal einen Krebs, und dann wünscht man dem ..... dass er seine Zytostatika bekommt.
Die gewünschte Netiquette war bei diesem Kommentar kaum einzuhalten.

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Preis

von Frank Ebert am 30.10.2017 um 12:23 Uhr

Die Deutschen lieben den Verrat, aber nicht die Verräter!

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AW: Preis

von Marcus Schneider am 30.10.2017 um 18:05 Uhr

Leider. Genau deswegen habe ich als angestellter Apotheker gerne meinen Beitrag zum Fundraising geleistet.
Es wäre wünschenswert, wenn sich Apotheken im Umkreis von Bottrop finden würden, die diese zwei einstellen.

AW: Preis

von Alexander Zeitler am 30.10.2017 um 19:48 Uhr

Lieber Kollege, das scheint sich mit diesem Preis zu ändern.

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