Aspirin Complex, Boxagrippal und Co. 

Was steckt in den Kombipräparaten gegen Erkältung? 

Stuttgart - 02.11.2017, 17:45 Uhr

Alle Präparate einzeln oder doch lieber nur eine Tablette? (Foto: Patrick Daxenbichler / Stock.adobe.com)

Alle Präparate einzeln oder doch lieber nur eine Tablette? (Foto: Patrick Daxenbichler / Stock.adobe.com)


„Ich brauch was gegen meine Grippe."  Wenn ein Patient in der Apotheke nach einem „Grippe-Mittel“ verlangt, weiß er oft genau was er will: Eines der vielen Kombinationspräparate, die zumeist auch kräftig beworben werden. Ob echte Grippe oder grippaler Infekt, interessiert ihn oft nicht. Er möchte schnell „gesund" werden. Um einen solchen Patienten zu beraten, sollte man wissen wie sich die vielen Kombinationspräparate zusammensetzen. 

Nur anhand der Symptome lässt sich eine Erkältung oft nicht von einer echten Grippe unterscheiden. Deshalb ist es wichtig zu wissen, welche Viren gerade in der Bevölkerung zirkulieren, um die Wahrscheinlichkeit abzuschätzen, dass der Patient an einer echten Influenza erkrankt ist. Die echte Influenza beginnt oft sehr plötzlich mit Fieber, Muskel- und/oder Kopfschmerzen. Ein trockener Reizhusten kommt häufig etwas später dazu. Zudem tritt sie vor allem in den Wintermonaten auf. Jedoch entwickelt etwa ein Drittel der Infizierten gar keine Symptome, circa ein weiteres Drittel nur milde Erkältungs-ähnliche Symptome und nur ein Drittel leidet tatsächlich an den typischen Influenza-Symptomen. Gerade ältere Patienten bekommen häufig kein Fieber. Besteht der Verdacht auf Influenza, sollte der Arzt aufgesucht werden.

Eine (virale) Erkältung, wie auch immer sie sich äußert – Husten, Schnupfen, Halsschmerzen, Heiserkeit, Kopfschmerzen und Fieber – lässt sich nicht ursächlich bekämpfen. Sie verschwindet aber im Normalfall nach einer Woche von selbst. Außer Schonung muss man dem Patienten also nichts empfehlen. Was aber, wenn er ein für ihn geeignetes Kombinationspräparat einfordert? Um die Beratung in der Apotheke zu erleichtern, hat DAZ.online auf den folgenden Seiten eine Präparate-Übersicht zusammengestellt (ohne Anspruch auf Vollständigkeit).

Wie sind die Präparate zusammengesetzt? (1)
NSAID + Sympathomimetikum

Aspirin® Complex Granulat / Heißgetränk, Gripphexal®

500 mg Acetylsalicylsäure, 30 mg Pseudoephedrin hydrochlorid
Boxagrippal® Erkältungstabletten / Erkältungssaft, Ibuhexal® Grippal Filmtabletten, Olytabs® Filmtabletten, Ratiogrippal® Filmtabletten, Spaltgrippal® überzogene Tabletten/Weichkapseln, Wick DuoGrippal Filmtabletten200 mg Ibuprofen, 30 mg Pseudoephedrin hydrochlorid
Paracetamol + Sympathomimetikum
Doregrippin® Tabletten500 mg Paracetamol, 10 mg Phenylephrin hydrochlorid
Geloprosed® Pulver zum Einnehmen1000 mg Paracetamol,
12,18 mg Phenylephrin hydrochlorid
Paracetamol + Sympathomimetikum + Hustenstiller
Cetegrippal® plus Hustenstiller Heißgetränk500 mg Paracetamol, 10 mg Phenylephrin hydrochlorid, 15 mg Dextromethorphan hydrobromid
Wick Daymed Erkältungskapseln, Basoplex® Erkältungskapseln 325 mg Paracetamol,
12,5 mg Phenylpropanolamin hydrochlorid, 10 mg Dextromethorphan hydrobromid
                                                        Fortsetzung auf der nächsten Seite ⇒


Welche Logik verbirgt sich hinter den „Grippe-Mitteln“?

Im neu erschienen Buch der Stiftung Warentest „Medikamente im Test“ werden insgesamt 9000 Arzneimittel bewertet. Im Kapitel „Erkältung“ kommen die Kombinationspräparate gegen „Grippe“ - wie so häufig - insgesamt nicht gut weg. Sie seien nicht sinnvoll zusammengesetzt und deshalb bei Erkältungen wenig geeignet. Denn Art und Dauer der Beschwerden sind individuell unterschiedlich und sollten einzeln behandelt werden. 

Für alle in den Kombinationspräparaten enthaltenen „Schmerzmittel“ gilt: Sie verringern typische Erkältungssymptome, ein Effekt auf die Atemwege ist aber nicht belegt. Genauso konnte bislang nicht geklärt werden, ob sie sich auf die Dauer der Erkrankung positiv auswirken. Grundsätzlich sollte immer auf die Gefahr hingewiesen werden, dass man seinen Körper durch die Unterdrückung der Symptome eventuell nicht ausreichend schont.

Wie sind die Präparate zusammengesetzt? (2)
Paracetamol + Antihistaminikum + Hustenstiller
Wick Medinait Erkältungssirup mit Honig- und Kamillenaroma600 mg Paracetamol, 7,5 mg Doxylamin hydrogensuccinat, 15 mg Dextromethorphan hydrobromid
Paracetamol + Antihistaminikum + Hustenstiller + Sympathomimetikum
Wick Medinait Erkältungssaft600mg Paracetamol, 7,5 mg Doxylamin hydrogensuccinat, 15 mg Dextromethorphan hydrobromid, 8 mg Ephedrin hemisulfat (+Alkohol!)
Paracetamol + Antihistaminikum + Coffein + Ascorbinsäure
Grippostad® C Hartkapseln200 mg Paracetamol, 2,5mg Chlorphenamin hydrogenmaleat, 25 mg Coffein, 150 mg Ascorbinsäure
Grippostad® C Stickpack Granulat400 mg Paracetamol, 5mg Chlorphenamin hydrogenmaleat, 50 mg Coffein, 300 mg Ascorbinsäure
Paracetamol + Sympathomimetikum + Schleimlöser
Wick Daymed Kombi Erkältungsgetränk500 mg Paracetamol, 10 mg Phenylephrin hydrochlorid, 200 mg Guaifenesin
                                                        Fortsetzung auf der nächsten Seite ⇒

Die einzelnen Wirkstoffe

Acetylsalicylsäure: Sie hemmt die Cyclooxygenase irreversibel und lindert typische Erkältungssymptome: Fieber, Abgeschlagenheit, Kopf-, Hals-, Ohren und Gliederschmerzen. Bei Kindern und Jugendlichen soll sie nur auf ärztliche Anweisung und nur angewendet werden, wenn Alternativen nicht wirken. Die immer wieder heraufbeschworene Gefahr ist das lebensbedrohliche Reye-Syndrom, das sich beispielsweise durch lang anhaltendes Erbrechen äußert. Das erhöhte Blutungsrisiko muss ebenso stets bedacht werden (Operationen!). Im dritten Trimenon einer Schwangerschaft ist ASS kontraindiziert. Ibuprofen und Paracteamol sollten grundsätzlich während der Schwangerschaft bevorzugt werden. Auch in der Stillzeit sollte, wenn nötig und möglich, Ibuprofen bevorzugt eingenommen werden. Besondere Vorsicht ist auch bei Patienten mit Asthma, Ulkus, Leber- oder Niereninsuffizienz geboten.

Ibuprofen: Auch Ibuprofen sollten Asthmatiker und Ulkus-Risiko-Patienten, genauso wie Patienten mit Leber- und Nierenfunktionsstörungen meiden. Das Risiko-Profil von Ibuprofen ist bezüglich einer Überdosierung im Vergleich zu Paracetamol und Acetylsalicylsäure aber günstiger. Der unselektive Cyclooxygenasehemmer reduziert entzündliche Schmerzen (Kopf-, Hals-, Ohren- und Gliederschmerzen), Schwellungen und Fieber. Auch das Symptom „Niesen“ wird durch Ibuprofen gegenüber Placebo signifikant gesenkt. Unter zwölf Jahren sollte Ibuprofen nur zur Fiebersenkung oder Schmerzlinderung, aber nicht als Grippemittel, angewendet werden. Im dritten Trimenon einer Schwangerschaft und bei Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz (NYHA IV) ist Ibuprofen kontraindiziert. 

Wie sind die Präparate zusammengesetzt? (3)
Acetylsalicylsäure + Ascorbinsäure
Aspirin® plus C Brausetabletten, 400 mg Acetylsalicylsäure,
240 mg Ascorbinsäure
ASS + C - 1A Pharma® Brausetabletten, ASS + C Hexal® Brausetabletten 500 mg Acetylsalicylsäure,
250 mg Ascorbinsäure
ASS + C - ratiopharm® Brausetabletten600 mg Acetylsalicylsäure,
200 mg Ascorbinsäure
Aspirin® plus C forte Brausetabletten800 mg Acetylsalicylsäure,
480 mg Ascorbinsäure
Acetylsalicylsäure + Ascorbinsäure + Coffein
Togal® Kopfschmerz-Brause +
Vit. C Brausetabletten
500 mg Acetylsalicylsäure,
150 mg Ascorbinsäure,
50 mg Coffein
Paracetamol
Grippostad® Heißgetränk Pulver600 mg Paracetamol,
(50 mg Ascorbinsäure)
Paracetamol-ratiopharm® 500 mg Brausetabletten500 mg Paracetamol
Sympathomimetikum + Antihistaminikum
Rhinopront® Kombi Tabletten60 mg Pseudoephedrin hydrochlorid,
2,5 mg Triprolidin hydrochlorid

Paracetamol: Wie Ibuprofen sollte auch Paracetamol bei Kindern unter zwölf Jahren nur zur Fiebersenkung oder Linderung spezifischer Schmerzen gegeben werden. Es kann während der gesamten Schwangerschaft und Stillzeit angewendet werden. Eine Überdosierung ist aufgrund der Lebertoxizität besonders gefährlich. Symptome wie Fieber, Abgeschlagenheit oder Erkältungsschmerzen (Kopf-, Ohren- und Gliederschmerzen) werden durch Paracetamol gelindert. Anders als bei Ibuprofen, konnte keine relevante Besserung von Halsschmerzen nachgewiesen werden. Das könnte am Wirkmechanismus liegen. Denn Paracetamol beeinflusst kaum die periphere Prostaglandinsynthese. Zur Fiebersenkung kommt es, indem Paracetamol die Wirkung endogener Pyrogene auf das hypothalamische Thermoregulationszentrum hemmt.

Zum Weiterlesen

Von Monika Neubeck 

Evidenzbasierte Selbstmedikation 2017/2018 3., überarbeitete und erweiterte Auflage 2017 Deutscher Apotheker Verlag XXII, 411 S., 1 s/w Abb., 42 s/w Tab., 17,0 x 24,0 cm Kartoniert ISBN 978-3-7692-6692-4

Abschwellendes und Darreichungsformen

Systemische Sympathomimetika: Die abschwellenden Wirkstoffe sollen die „verstopfte Nase“ bekämpfen und die Nebenhöhlen besser belüften. Während der Anwendung von systemischen Sympathomimetika muss mit Tachykardien, Unruhe, Schlaflosigkeit und Hypertonie gerechnet werden. All diese Nebenwirkungen fördern nicht gerade die Erholung des Körpers.

Für Phenylephrin liegen aus klinischen Studien widersprüchliche Ergebnisse vor, während Pseudoephedrin ein vergleichsweise günstiges Sicherheitsprofil aufweist. 10 bis 30 Prozent des resorbierten Pseudoephedrins werden in der Leber aber in den aktiven Metaboliten Norpseudoephedrin umgewandelt, der zentrale Erregungszustände hervorrufen kann.

Geeignet sind beide Wirkstoffe nur für Patienten zwischen 12 und 60 Jahren. Während einer Schwangerschaft dürfen sie nicht angewendet werden. Schwere Leber- und Nierenfunktionsstörungen sind auch bei dieser Substanzklasse unter den Kontraindikationen.

H1-Antihistaminika: Die europäische Leitlinie zur Behandlung der Rhinosinusitis  empfiehlt den kombinierten Einsatz von H1-Antihistaminika, systemisch wirkenden, abschwellenden Wirkstoffen und Analgetika bei viraler akuter Rhinosinusitis. Dabei wird sogar von einer synergistischen Wirkung ausgegangen. Eine aktuellere deutsche Leitlinie hat das europäische Positionspapier bei der Erstellung berücksichtigt, schließt sich dessen Empfehlung jedoch nicht an. Bei bekannter allergischer Disposition könnten jedoch mithilfe von Antihistaminika Niesreiz und Nasenobstruktion gelindert werden.  

Die Darreichungsformen der „Grippe-Mittel“
SaftBoxagrippal® Erkältungssaft, Wick Medinait Erkältungssirup mit Honig- und Kamillenaroma, Wick Medinait Erkältungssaft (Alkohol!), Wick Daymed Kombi Erkältungsgetränk
Zum Auflösen (kalt)Aspirin® Complex Granulat, Paracetamol-ratiopharm®
500 mg Brausetabletten, Aspirin® plus C Brausetabletten, Aspirin® plus C forte Brausetabletten, ASS + C - 1A Pharma® Brausetabletten, ASS + C Hexal® Brausetabletten, ASS + C - ratiopharm® Brausetabletten, Togal® Kopfschmerz-Brause + Vit. C Brausetabletten     
Zum Auflösen (warm)Aspirin® Complex Heißgetränk, Cetegrippal® plus Hustenstiller Heißgetränk, Grippostad® Heißgetränk Pulver
TablettenBoxaGrippal® Erkältungstabletten, Ibuhexal® Grippal Filmtabletten, Olytabs® Filmtabletten, Ratiogrippal® Filmtabletten, Spaltgrippal® überzogene Tabletten, Wick Duogrippal Filmtabletten, Doregrippin® Tabletten, Rhinopront® Kombi Tabletten 
KapselnGrippostad® C Hartkapseln, Spaltgrippal® Weichkapseln, Wick Daymed Erkältungskapseln, Basoplex® Erkältungskapseln, Grippostad® C Hartkapseln
Direkt-GranulatGrippostad® C Stickpack Granulat, Geloprosed® Pulver zum Einnehmen 

Das „Plus“: Vitamin C und Coffein

Coffein: Die gleichzeitige Gabe von Coffein beschleunigt die Resorption von Paracetamol. Es kann die Wirkung von Analgetika steigern (ab 100 mg). Coffein überwindet die Plazentaschranke. Die tägliche Zufuhr von Coffein sollte in der Schwangerschaft deutlich unter 300 mg (etwa drei Tassen Kaffee) liegen. Hoher Coffein-Konsum stört die Nährstoffresorption, beeinträchtigt die fetale Entwicklung (niedriges Geburtsgewicht) und steigert das Risiko für eine Fehlgeburt.

Vitamin C: Bis etwa 100 mg wird Ascorbinsäure vollständig resorbiert. Danach nimmt die Bioverfügbarkeit ab. Was nicht resorbiert wurde, wird im Darm zu CO2 und organischen Säuren umgewandelt. Der Allgemeinbevölkerung lässt sich ein Ascorbinsäure-Präparat nicht pauschal empfehlen, weil auch die hochdosierte Ascorbinsäure eine Erkältung nicht verhindert. Verkürzt werden kann eine Erkältung durch Vitamin C nur geringfügig (10 Prozent) und das nur bei langfristiger Einnahme. Beispielsweise Extremsportler scheinen von der prophylaktischen Einnahme jedoch deutlich zu profitieren. Weil man „Grippemittel“ aber nicht prophylaktisch einnimmt, ergibt die Kombination mit Vitamin C wenig Sinn.

Warum enthalten dann aber so viele Acetylsalicylsäure-Präparate Vitamin C? Es gibt Studien, die zeigen, dass unter ASS-Einnahme die Vitamin-C-Konzentrationen im Magensaft, Plasma, Urin und Gewebe sinken, während die Einnahme von Vitamin C die Verträglichkeit von Acetylsalicylsäure verbessert

Zum Weiterlesen

Von Uwe Gröber                                            

Arzneimittel und Mikronährstoffe Medikationsorientierte Supplementierung 3., aktualisierte und erweiterte Auflage 2014 Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart XXIV, 478 S., 100 farb. Abb., 79 farb. Tab., 17,0 x 24,0 cm Gebunden ISBN 978-3-8047-3178-3                           

Fazit: Kombinationsmittel können effektiv Symptome lindern, eine heilende Wirkung ist aber nicht belegt. Wenn ein Kunde so ein Präparat aber möchte, er auf mögliche Nachteile und Risiken hingewiesen wird und keine Kontraindikationen vorliegen, ist eine kurzzeitige Anwendung in der Regel vertretbar. 



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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