Honorar-Kürzungen

Celesio stößt 190 Kettenapotheken in England ab

Berlin - 26.10.2017, 15:05 Uhr

Schließungswelle: McKesson Europe (Celesio) hat angekündigt, 190 seiner etwa 1600 Kettenapotheken in England zu schließen. (Foto: Celesio)

Schließungswelle: McKesson Europe (Celesio) hat angekündigt, 190 seiner etwa 1600 Kettenapotheken in England zu schließen. (Foto: Celesio)


Paukenschlag im englischen Apothekenmarkt: Die Apothekenkette Lloydspharmacy vom Stuttgarter Pharmahändler McKesson Europe (ehemals Celesio) hat am heutigen Donnerstag bekanntgegeben, dass 190 seiner mehr als 1600 Apotheken in England geschlossen oder veräußert werden sollen. 

Viele Patienten in England müssen sich in der Zukunft an längere Wege zur nächsten Apotheke gewöhnen. Denn der Pharmahandelskonzern McKesson Europe (Celesio) hat am heutigen Donnerstag angekündigt, 190 seiner Standorte zu schließen. Der Mitteilung zufolge soll es „eine Kombination aus Schließungen und Ausgliederungen“ geben. Als Gründe für diese Entscheidung nennt der Konzern die im vergangenen Jahr von der Regierung durchgesetzten Kürzungen am Apothekenhonorar sowie „retrospektive Rückforderungen“.

Cormac Torbin, der Chef von Celesio UK, erklärte dazu: „Die Änderungen bei der Vergütung und die retrospektiven Rückforderungen in den vergangenen beiden Jahren haben den Betrieb vieler Lloydspharmacy-Standorte wirtschaftlich unrentabel gemacht. Wir werden alles was wir können dafür tun, dass die betroffenen Kollegen unterstützt und die Störung für die Patienten minimiert wird.“ Welche Apotheken von der Schließungswelle betroffen sein werden, teilte der Konzern nicht mit.

Der zum amerikanischen Pharmahandelskonzern McKesson gehörende Konzern Celesio UK erklärte auch nicht, wie viele Beschäftigte betroffen sein werden. Ein Sprecher erklärte, dass man die in Frage kommenden Apotheken nun dem Gesundheitsdienst NHS melden werde. Dann werde Celesio ein Ausschreibungsverfahren starten, um für alle Standorte mögliche Käufer zu identifizieren. Findet sich kein Abnehmer, wird geschlossen.

Allerdings reicht schon ein reiner Blick auf die Zahlen, um die Auswirkungen der Schließungen einschätzen zu können. Im gesamten Vereinigten Königreich gibt es derzeit etwa mehr als 11.000 Apotheken, Celesio UK hält davon etwas mehr als 1600. Die Schließungen betreffen also knapp 13 Prozent aller Lloyds-Kettenapotheken im Land sowie etwa 1,8 Prozent aller Apotheken im Königreich.

13 Prozent aller Celesio-UK-Apotheken machen dicht

Der NHS hatte im vergangenen Jahr gleich mehrere Kürzungen beim Apothekenhonorar angekündigt. Schon ab Juni 2016 wurde die Vergütung für die Abgabe von Präparaten aus der Arzneimittelliste „Category M“ gekürzt. Später wurden weitere Einzel-Vergütungen gekürzt und anderer Honorare zusammengelegt. Allein zwischen Oktober 2016 und März 2017 rechneten Experten mit Einschnitten von insgesamt bis zu 170 Millionen Britischen Pfund. Jede Apotheke musste zwischen Juni 2016 und März 2017 also rein rechnerisch mit rund 19.000 Pfund weniger auskommen.

Gegenüber der BBC hatte der damalige Staatsminister im Gesundheitsministerium, Alistair Burt, bereits gesagt, dass er die Schließung von 1000 bis 3000 Apotheken erwartet. Fachmedien in Großbritannien erwarten, dass insbesondere kleinere, inhabergeführte Apotheken bedroht sein werden. Gegenüber DAZ.online bekräftigte im Mai 2016 aber auch der deutsche Pharmahandelskonzern Celesio, dass seine britische Tochter Lloydspharmacy direkt von den Kürzungen betroffen sein wird. Der damalige Celesio-Chef Marc Owen erklärte: „Wir werden überlegen, wie wir unsere Versorgungs- und Lieferketten optimieren können. Vielleicht werden wir auch hier und da eine Arbeitsstunde streichen müssen.“ Von einer Schließungswelle in derartigem Ausmaß war allerdings nicht die Rede.

Was die Übernahme der in Frage stehenden Apotheken betrifft, erklärte Celesio UK, dass man „jede Möglichkeit“ nutzen werde, um einen guten Übergang zu anderen Mitbewerbern zu unterstützen – allerdings nur da, wo es auch „angemessen“ sei. Was die Versorgungslücken betrifft, erklärte der Konzern, dass man bei der Identifizierung der zu schließenden Standorte darauf geachtet habe, wie die Versorgung durch andere Apotheken in den jeweiligen Gebieten gesichert ist. Ziel sei es gewesen, die Auswirkungen auf die Patienten so klein zu halten, wie möglich.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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2 Kommentare

Dies kann nun nicht wirklich überraschen

von Ratatosk am 26.10.2017 um 18:12 Uhr

War völlig klar, ist ein Großkonzern der Renditeziel vorgibt, was nicht passt krepiert.
Hier gibt es keine Selbstaufopferung wie bei vielen inhabergeführten Apotheken die vom Inhaberin/mit vollem Einsatz bis zum letzten gehalten werden, wenns sein muß mit zeitlicher Selbstaufopferung. Ist nur eines was diese hippen FDP ler und die meist aus staatlichen Töpfen versorgten Grünen Funktionäre/innen nicht wissen oder wissen wollen, von Konsorten wie Glaeske , Lauterbach und co ganz zu schweigen.

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AW: Symptome der Kettenversorgung

von Michael Mischer am 27.10.2017 um 8:35 Uhr

So titelt der heutige Newsletter.

Man kann das so sehen, nur frage ich mich - auch bezugnehmend auf den Kommentar von Ratatosk:
Ist das Leben ohne Apothekenkette wirklich besser?

Ein Gedankenexperiment:
Wenn es im UK nur inhabergeführte Apotheken gäbe und das NHS hätte in gleichem Ausmaß die Vergütung gekürzt - wären diese inhabergeführten Apotheken dann noch rentabel? Ich glaube nicht. Hätten alle geschlossen? Vermutlich nicht, denn da kommen wir zum Thema Selbstausbeutung und der Haftung auch mit dem Privatvermögen.
Nur: Was wäre das Signal?

In der Realität ist das Signal: Für so wenig Geld können wir nicht renatbel arbeiten - wenn ihr mehr Versorgung wollt, müsst ihr mehr zahlen.

Im Gedankenszenario ist das Signal hingegen: Gemeckert wird immer, aber wenn es drauf ankommt, dann schultern die Apotheken das. Mehr Geld brauchen sie nicht.

Analogieschlüsse überlasse ich jedem selbst.

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