Diabetes-Forschung

Künstliche Bauchspeicheldrüse produziert selbstständig Insulin

Dresden - 26.10.2017, 12:45 Uhr

Das neue System der Uniklinik Dresden macht die Immunsuppression bei der Behandlung von Typ-1-Diabetes überflüssig. (Screenshot: UniklinikDresdenTV / YouTube)

Das neue System der Uniklinik Dresden macht die Immunsuppression bei der Behandlung von Typ-1-Diabetes überflüssig. (Screenshot: UniklinikDresdenTV / YouTube)


Wissenschaftler vom Dresdner Uniklinikum haben einen kleinen Durchbruch in der Diabetesforschung erzielt. Sie haben ein künstliches Organ-Implantat entwickelt, das selbstständig Insulin produziert und dieses erstmals mit Schweine- anstatt mit Humanzellen bestückt. Im Tiermodell konnten sie zeigen, dass dieser „Bioreaktor“ gut funktioniert.

Für Menschen mit Typ-1-Diabetes sind Transplantationen von Inselzellen oder der Bauchspeicheldrüse derzeit die einzigen Möglichkeiten, um die Insulin-produzierenden Beta-Zellen zu ersetzen. Beide bringen zwar eine deutlich verbesserte Diabetes-Kontrolle und Lebensqualität für die Betroffenen, aber die Patienten müssen dauerhaft Immunsuppressiva einnehmen, um Abstoßungsreaktionen des Körpers zu unterdrücken, sofern überhaupt Organe verfügbar sind.

Forscher am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden verfolgen seit einigen Jahren einen ganz neuen technischen Ansatz, mit dem diese Nachteile elegant ausgeschaltet werden könnten. Im Rahmen einer großangelegten Forschungskooperation haben sie zusammen mit Kollegen aus Israel, vom Göttinger Primatenzentrum sowie vom King’s College in London ein Implantat entwickelt und getestet, das den Körper auf Abruf mit dem nötigen Insulin versorgt. Dieses könnte die Tür zu einer völlig neuen Form der Diabetes-Therapie aufstoßen, so meinen sie. 

Bioreaktor mit menschlichen oder Schweinezellen bestückt

Weltweit zum ersten Mal war es den Diabetes-Wissenschaftlern aus Dresden bereits im Jahr 2013 gelungen, einem Patienten mit Typ-1-Diabetes ein künstliches Pankreassystem zu implantieren.

Rund ein Jahr lang hatte der Bioreaktor, damals mit menschlichen Inselzellen bestückt, zuverlässig Insulin produziert. Ihren Erfolg hatten sie in den Proceedings of the National Academy of Sciences vorgestellt.

(Bild: Universitätsklinikum Dresden)
Funktionsweise des Bio-Reaktors 

Als Weiterentwicklung haben sie nun, ebenfalls zum ersten Mal weltweit, einen solchen Bioreaktor im Tiermodell implantiert, der keine menschlichen Inselzellen, sondern Schweinezellen beinhaltet. 

Der Ansatz lag nahe, denn Diabetespatienten bekommen bereits seit rund 90 Jahren Insulin, das von Schweinen und Rindern gewonnen wird. Wieder wurden die Fremdzellen erfolgreich eingepflanzt, ohne vom Körper angegriffen zu werden, und konnten über einen längeren Zeitraum am Leben gehalten werden.

Wie eine Dose Handcreme

Der Direktor der Medizinischen Klinik an der Universitätsklinik Dresden Stefan Bornstein vergleicht den Bioreaktor, der von dem israelischen Biotech- Unternehmen Beta O2 entwickelt wurde, mit einem Herzschrittmacher. Es handelt sich dabei um eine kleine Dose von fünf bis sechs Zentimetern Durchmesser, wie eine Dose Handcreme. Diese wird auf das Bauchfell, also unter die Haut, transplantiert.

Damit die Zellen in der Dose Insulin produzieren können, müssen sie mit Sauerstoff versorgt werden. Dieser wird von außen über einen Port zugeführt. Dank einer speziellen semipermeablen Teflonmembran erreichen körpereigene Nährstoffe die Zellen. In der Gegenrichtung wird das darin gebildete Insulin in den Körper geschwemmt. Normalerweise würde der Körper die fremden Insulin-produzierenden Zellen abstoßen, aber die Membran schirmt sie gegen die Abwehrreaktion des Körpers ab.

„Das ist genau die Idee, die dahinter steckt“, erklärt Bornstein. Damit mache das System die Immunsuppression überflüssig. 

Funktionsweise des „Bio-Reaktors“ zur Produktion von Insulin (Animation: Zentrum für Medientechnologie in der Medizin. Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden)

Nächster Schritt: Einsatz beim Menschen

Der neue Bioreaktor könnte neben der Transplantation von Bauchspeicheldrüsen oder Inselzellen langfristig eine dritte Option für Typ-1-Diabetiker sein, der die Belastungen der Patienten deutlich verringern könnte, hoffen die Dresdner Forscher. Aber ausgereift sei das System noch nicht. In einem nächsten Schritt müsse nun überprüft werden, ob die Schweinezellen auch bei Menschen implantiert werden könnten. Eine solche Entwicklung für alle Patienten praktikabel zu machen, das werde sicher noch einige Jahre brauchen. 

Die Forschung daran soll laut „MDR Wissen“ auch der Schwerpunkt eines neuen Therapiezentrums sein, das in Dresden gebaut wird. Zellbiologen und Materialwissenschaftler sollen dort genauso arbeiten wie Mediziner. Das Zentrum kostet gut 30 Millionen Euro und soll in vier Jahren fertig sein.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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