Früherkennung

Wie gut sind die immunologischen Darmkrebs-Tests?

Remagen - 17.10.2017, 15:45 Uhr

Früh erkennen ist wichtig: Forscher vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) haben neun verschiedene Darmkrebs-Tests verglichen. (Foto: dpa)

Früh erkennen ist wichtig: Forscher vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) haben neun verschiedene Darmkrebs-Tests verglichen. (Foto: dpa)


Darmkrebs ist bei Männern und Frauen die zweithäufigste Krebserkrankung. Leider wird sie oft erst spät erkannt. Viele scheuen die Darmspiegelung als sicherste Methode zur Früherkennung. Seit April bezahlen die Kassen immunologische Testverfahren. Sie bringen vergleichbare Ergebnisse, haben Forscher vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) anhand von neun Produkten ermittelt.

Nach dem Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland 2016 erkranken im Jahr rund 27.200 Frauen und knapp 33.400 Männer an Dickdarm- oder Enddarmkrebs. Die Sterberate liegt für Frauen bei 12,7 und für Männer bei 21,3 Prozent (Zahlen für 2013). Seit etwa 2003/2004 sinken die Inzidenzraten in allen Altersgruppen ab 55 Jahren in beiden Geschlechtern, eine Entwicklung, die in vielen anderen europäischen Ländern nicht beobachtet wird. Vor allem bösartige Tumoren des absteigenden Dickdarms und des Enddarms werden inzwischen seltener diagnostiziert, während die Inzidenzraten fortgeschrittener Vorstufen (in-situ-Karzinome) des Darms ansteigen. Darmkrebs ist in mehr als 90 Prozent der Fälle heilbar, wenn er früh erkannt wird. Das Tückische ist, dass er lange Zeit keine Schmerzen und kaum Symptome verursacht. Erst im späteren Verlauf treten Verstopfungen, Darmkrämpfe und Blut oder Schleim im Stuhl auf.

Zu wenige gehen zur Darmspiegelung

Je früher Darmkrebs also erkannt wird, umso besser. Deshalb haben alle in Deutschland gesetzlich Krankenversicherten ab dem 55. Lebensjahr Anspruch auf eine Darmspiegelung. Sie gilt als sicherste Methode zur Entdeckung von Darmkrebs und seinen Vorstufen. Doch das Testverfahren ist aufwändig, und viele Patienten scheuen sich davor. Nur 20 bis 30 Prozent der Berechtigten nehmen daran teil.

Zum gesetzlichen Krebsfrüherkennungsprogramm in Deutschland gehört auch ein Test auf nicht sichtbares Blut im Stuhl. Er beruht darauf, dass Tumore im Darm häufig bluten. Auch Darmpolypen, die Krebsvorstufen sein können, bluten manchmal. Die Menge an Blut im Stuhl ist aber so gering, dass man es mit bloßem Auge nicht erkennt („okkultes Blut“).

Neue iFOBT lösen gFOBT ab

Bis März 2017 waren hierfür Tests in Gebrauch, die das Blut mit einer biochemischen Methode nachweisen, so genannte „Guajak-Tests“ oder „guajakbasierte fäkale Okkultbluttests“ (gFOBT).

Neuerdings werden dafür immunologische Tests eingesetzt, die das Blut im Stuhl mithilfe von Antikörpern nachweisen. Sie binden spezifisch an den Blutfarbstoff Hämoglobin. Ein Vorteil dieser Tests ist, dass sie nur menschliches Blut nachweisen und deshalb weniger störanfällig sind (zum Beispiel durch den Verzehr von rohem oder nicht durchgebratenem Fleisch). Die neuen Verfahren heißen „immunologische fäkale Okkultbluttests" (iFOBT), manchmal auch „fäkale immunchemische Tests" (FIT). Seit 1. April 2017 übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für den immunologischen Test. Anspruch auf die Untersuchung haben Versicherte ab einem Alter von 50 Jahren.

Neun Tests verglichen

Dass die immunologischen Tests den weniger spezifischen HämOccult-Test abgelöst haben, geht wesentlich auf die Arbeiten von Hermann Brenner vom Deutschen Krebsforschungszentrum zurück. „Bisher war unklar, ob und in welchem Umfang es Unterschiede zwischen den angebotenen Tests gibt", sagt der Epidemiologe Brenner. Er hat nun gemeinsam mit seinen Mitarbeitern neun auf dem Markt befindliche Tests direkt miteinander verglichen. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Gastroenterology“ veröffentlicht.

Bei fünf der neun Tests ist eine Laboranalyse notwendig. Die restlichen vier Tests können direkt in der hausärztlichen und urologischen Praxis durchgeführt und ausgewertet werden. Ein wesentlicher Befund: Alle neun entdeckten die große Mehrheit aller Darmkrebserkrankungen und auch viele Darmkrebsvorstufen. Zweiter wesentlicher Befund: Basierend auf den Angaben der Hersteller, ab welchem Hämoglobin-Wert ein Verdacht auf Darmkrebs vorliegt, war die Häufigkeit positiver Ergebnisse sehr unterschiedlich.

Als die Wissenschaftler die Schwellenwerte jedoch bei der Auswertung anpassten, lieferten alle Tests sehr ähnliche Ergebnisse. Sogar ein Test, der mithilfe einer Smartphone-App ausgewertet wird, lieferte zuverlässige Resultate, zumindest dann, wenn er von geschultem Personal durchgeführt wurde.

Bislang erster und einmaliger Vergleich

„Mit dieser Arbeit legen wir erstmals und weltweit bislang einmalig einen direkten Vergleich der diagnostischen Wertigkeit einer großen Zahl  von quantitativen Tests in derselben, großen Gruppe von Untersuchungsteilnehmern vor", sagt Brenner. Aus diesen Zahlen ließen sich bundesweite Empfehlungen für Schwellenwerte einzelner Tests ableiten.

Mehr Menschen zur Früherkennung motivieren

Neben dem analytischen gibt es aber noch einen weiteren positiven Aspekt der Ergebnisse. „Mit dieser Arbeit geben Brenner und Kollegen ganz konkrete Empfehlungen, wie die Früherkennung von Darmkrebs noch weiter verbessert werden kann", betont der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) Michael Baumann. „Es ist wichtig, den Menschen neben der eher aufwändigen Darmspiegelung, die nach wie vor der Goldstandard bei der Darmkrebsvorsorge ist, auch eine niederschwelligere Screening-Untersuchung anzubieten."

Die neuen Testverfahren sollen also dabei helfen, mehr Menschen zu einer Vorsorgeuntersuchung zu motivieren. „Bei unseren Nachbarn in den Niederlanden funktioniert das schon sehr gut", berichtet Brenner. Dort werden die Menschen mit einem persönlichen Brief zur Teilnahme eingeladen, und der Test wird direkt mitgeschickt. Dadurch ließen sich Teilnahmeraten von über 60 Prozent erreichen. Hiervon sei Deutschland bisher noch weit entfernt.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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