Beratungs-Quickie

Wissenswertes zu inhalativen Glucocorticoiden

Stuttgart - 19.10.2017, 17:00 Uhr

Inhalative Glucocorticoide gehören zu den wohl beratungsintensivsten Medikamenten in der Apotheke. (Foto: Ljupco Smokovski  / stock.adobe.com)

Inhalative Glucocorticoide gehören zu den wohl beratungsintensivsten Medikamenten in der Apotheke. (Foto: Ljupco Smokovski  / stock.adobe.com)


Welche Hinweise können Apotheker zu verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in einem Beratungsgespräch geben? Und welche Arzneimittel eignen sich für die Selbstmedikation? Der DAZ.online-Beratungs-Quickie gibt Tipps für den Apothekenalltag. Diesmal geht es um ein inhalatives Glucocorticoid bei chronischer Bronchitis.

Formalien-Check: Der Patient hat es eilig

Ein Patient kommt mit einem Rezept vom Lungenfacharzt in die Apotheke. Sie kennen ihn nicht. Verordnet wurde Flutide® (Fluticason). Das Rezept ist vollständig und eindeutig. Der Patient ist von der Zuzahlung befreit, „aut idem“ wurde angekreuzt. Sie möchten eine Frage stellen, doch der Patient nimmt Ihnen den Inhalator direkt aus der Hand. Weil er keine Zuzahlung leisten muss, bedankt er sich und wendet sich in dem Moment zum Gehen, als Sie ihn noch darauf hinweisen, dass er nach der Inhalation immer den Mund ausspülen und etwas essen sollte. Er hält inne und kommt dann doch zurück. 

Nebenwirkungen inhalativer Glucocorticoide

Der Patient verwendet Fluticason seit mehreren Jahren, immer über die Wintermonate, wie er dann erzählt. Er inhaliert morgens und abends, aber auf das Essen habe er nie geachtet. Sie erklären ihm, dass sich bei Asthma-Patienten im Mund manchmal ein Pilz entwickelt. Er erwidert, dass er so etwas noch nie gehabt habe. Nur einmal hatte er weiße Pünktchen im Mund. Aber Asthma habe er keines, sondern eine chronische Bronchitis.

Weil sein Bus jetzt schon abgefahren ist, möchte er noch ein paar Lutschbonbons kaufen. Sie haken nach: Ob er öfters einen trockenen Mund habe oder heiser sei? Die Glucocorticoide aus seinem Inhalator könnten daran genauso schuld sein, wie an den weißen Belägen. Der Patient winkt ab und meint, dass er den Beipackzettel nie lese: „Da macht man sich nur verrückt.“ Damals habe der Zahnarzt Nystatin verordnet. Sie weisen Ihn darauf hin, dass der Wirkstoff gegen Mundsoor hilft. Wenn er Mundsoor in Zukunft vermeiden will, sollte er nach der Anwendung seines Inhalators wenigstens den Mund ausspülen. Wichtig ist außerdem eine gute Mundhygiene: Zahnbürsten müssen bei Mundsoor ausgewechselt werden. Auch an den Zahnersatz ist zu denken.

Orale Candidose

Mundsoor riecht süßlich. Die Beläge sind weiß und abwischbar. Die Zunge ist gerötet und kann brennen. In der Therapie verwendet man topische, nicht (oder kaum) resorbierbare Antimykotika - wie Nystatin und Miconazol. Bei Lippenbeteiligung bieten sich Cremes an, ansonsten sind Lösungen, Suspensionen, Lutschtabletten oder Mundgele die üblichen Grundlagen. Behandelt wird über circa eine Woche. Grundsätzlich sollte man nach Symptomfreiheit die Behandlung noch zwei Tage fortführen. Die Inhalationsbehandlung kann weitergeführt werden. Eine (seltene) ösophageale Candidose sollte systemisch therapiert werden (Fluconazol).

Beratungs-Basics: Die Inhalation

Während des Gesprächs, schaut sich der Patient die Packung des Inhalators genauer an. Plötzlich beschwert er sich, dass das ja gar nicht der richtige sei. Ein kurzer Blick in die Taxe verrät, dass sie sich nicht geirrt haben, weil es die 125µg-Dosierung nur als Dosieraerosol gibt. Andere Dosierungen werden jedoch als Pulver-Inhalatoren (Diskus) angeboten. Sie fragen, ob der Arzt die Dosis geändert hat – und haben recht. Also erklären Sie die Anwendung des Inhalators.

Was bei der Inhalation wichtig ist

  • Dosieraerosole sollte man gut schütteln
  • Vor der ersten Anwendung oder nach längerer Pause: zwei Sprühstöße in die Luft abgeben
  • Richtige Haltung: Sitzen oder stehen, Kopf leicht in den Nacken legen
  • So tief wie möglich ausatmen, das Mundstück mit den Lippen fest umschließen
  • Kurz nach oder zu Beginn des Einatmens den Wirkstoffbehälter einmal fest nach unten drücken (Dosieraerosol) und weiter gleichmäßig und tief einatmen (mindestens drei Sekunden)
  • Den Atem so lange wie möglich anhalten (fünf bis zehn Sekunden), damit sich der Wirkstoff absetzen kann, dann langsam über Nase oder Lippenbremse („blasend“) ausatmen
  • Wenn ein weiterer Sprühstoß inhaliert werden soll, ca. eine halbe Minute warten
  • Mund ausspülen, Zähne putzen oder etwas essen (z.B. ein Stückchen Brot)
  • Das Mundstück regelmäßig mit einem trockenen Tuch reinigen und die Schutzkappe immer wieder aufsetzen
  • Extreme Temperaturen (z.B. im Auto in der Sonne, im Kalten beim Skifahren) meiden
  • Datum der ersten Anwendung und errechnetes Enddatum aufschreiben (falls Inhalator verbliebene Hübe nicht anzeigt)
  • Bei atemzugesteuerten Inhalatoren die Lufteinlassöffnung freilassen
  • Nicht in den Inhalator hineinatmen! Das gilt vor allem für Pulver-Inhalatoren

Inhalatives Fluticason ist nicht zur Akutbehandlung geeignet. Weil es prophylaktisch wirkt, sollte es täglich - auch in beschwerdefreien Zeiten - eingesetzt werden. Eine therapeutische Wirkung tritt erfahrungsgemäß innerhalb von vier bis sieben Tagen nach Behandlungsbeginn ein. Bei COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) sollte innerhalb von drei bis sechs Monaten eine Besserung beobachtet werden. 

Sonst noch wichtig: Chronische Bronchitis 

Die häufigste Ursache des chronischen Hustens ist wahrscheinlich die chronische (nicht obstruktive) Bronchitis bei Rauchern. Nach WHO-Definition handelt es sich um Husten und Auswurf, der mindestens über drei Monate anhält - in zwei aufeinander folgenden Jahren. Andere zugrunde liegende Erkrankungen müssen ausgeschlossen worden sein. Gehört die chronische Bronchitis also (noch) nicht in das Spektrum der COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung), stützt sich die Diagnose nur auf die Anamnese: zum Beispiel Rauchen, Passivrauchen, starke Arbeitsplatz bezogene Schadstoffbelastung. Dabei besteht immer die Gefahr, andere Ursachen des chronischen Hustens zu übersehen. Sollte ein „Raucherhusten“ vorliegen, bessert eine Nikotinkarenz die Symptome recht schnell.

Sie fragen den Patienten, ob er noch weitere Medikamente gegen seine chronische Bronchitis einnimmt und ob er manchmal Probleme beim Atmen habe. Flutide® ist zur Behandlung einer COPD nur in Kombination mit langwirksamen Bronchodilatoren zugelassen. Eine COPD entwickelt sich bei knapp 20 Prozent der Patienten mit einfacher chronischer Bronchitis. Doch nur ein Teil der COPD-Patienten spricht auf inhalative Glucocorticoide an. Auch wenn keine COPD vorliegt, wäre an eine Grippe- und Pneumokokken-Impfung zu denken. Neben der Candidose der Mund- und Rachenschleimhaut, Heiserkeit und Blutergüssen, zählen auch Pneumonien (bei COPD-Patienten) zu den häufigen Nebenwirkungen der inahaltiven Glucocorticoide. 



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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