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Gemeinde zahlt 25.000 Euro Startgeld für Landapotheker

Berlin - 16.10.2017, 12:30 Uhr

Landapotheker gesucht! Die Gemeinde Börger im Emsland sucht händeringend einen Nachfolger für die einzige Apotheke im Ort und bietet nun sogar eine Starthilfe von 25.000 Euro an. (Foto: dpa)

Landapotheker gesucht! Die Gemeinde Börger im Emsland sucht händeringend einen Nachfolger für die einzige Apotheke im Ort und bietet nun sogar eine Starthilfe von 25.000 Euro an. (Foto: dpa)


Auch in Niedersachsen bekommen immer mehr Ortschaften die Auswirkungen der sinkenden Apothekenzahl zu spüren. Neuestes Beispiel: Die 2800-Einwohner-Gemeinde Börger im Emsland, die Ende August ihre einzige Apotheke verloren hat. Händeringend versucht die Gemeinde derzeit, einen Apotheker aufs Land zu locken, greift dabei zu unkonventionellen Mitteln und fordert Lockerungen für Filialapotheken.

Die Gemeinde Börger liegt im westlichen Niedersachsen unweit der niederländischen Grenze im Landkreis Emsland. Die Bevölkerungsdichte der Gemeinde spricht für sich: Auf einen Quadratkilometer kommen 50 Menschen. Zum Vergleich: Im Schnitt wohnen in Deutschland 230 Menschen innerhalb eines Quadratkilometers. Und auch an der Infrastruktur zeigt sich, wie ländlich Börger ist: Es gibt eine Grund- und eine Realschule, eine Hausarztpraxis, eine Zahnarztpraxis, ein Altenpflegeheim – und bis Ende August gab es auch eine Apotheke.

Gemeindeverwaltung Börger. (Foto: Müller)

Die Hümmling Apotheke in Börger war jahrzehntelang von einem Apotheker betrieben worden, der in diesem Sommer in Rente ging. Über die Fachpresse und die Apothekerkammer und gemeinsam mit der Gemeinde suchte der Inhaber intensiv nach einem Nachfolger. Alle Bemühungen blieben aber erfolglos – seit dem 31. August 2017 steht die Apotheke leer. Gemeindedirektor Johannes Müller ist besorgt, wenn es um das Thema Apotheken-Nachfolger geht. Aus seiner Sicht ist seine Gemeinde durchaus attraktiv für eine neue Niederlassung. Gegenüber DAZ.online erklärt er: „In Börger gibt es eine Hausarztpraxis, die von zwei Ärzten betrieben wird, sowie eine Zahnarztpraxis. Außerdem haben wir eine Altenpflegeeinrichtung, die von unserer alten Apotheke beliefert wurde. Es gibt also eine Infrastruktur für den Apotheker hier vor Ort.“

Rezeptsammelstelle reicht der Gemeinde nicht

Kurz nach dem Wegfall der Hümmling Apotheke in Börger bewarben sich gleich drei Apotheken aus dem benachbarten Sögel, um in Börger eine Rezeptsammelstelle zu betreiben. Die Kammer erteilte den Zuschlag, seit ein paar Wochen hängt in der Ortschaft nun ein Rezept-Briefkasten, der im Vier-Monats-Rhythmus abwechselnd von allen drei Apotheken in Sögel betrieben wird. Aber auch damit will sich Müller nicht zufriedengeben. Er sagt: „Das ist für uns bestenfalls eine Interimslösung. Wir brauchen unsere Apotheke vor Ort, die Bürger vermissen sie.“

Und so hat der Gemeinderat in den vergangenen Wochen die Initiative ergriffen. Zunächst wurden alle Apotheken im näheren Umkreis kontaktiert und befragt, ob diese sich vorstellen könnten, in Börger eine Filiale zu betreiben. Der Gemeindedirektor erklärt dazu: „Es ist nicht ganz ausgeschlossen, dass einer der Apotheker eine Filiale hier gründet, da laufen aber noch die Gespräche.“

25.000 Euro für Apotheker als Starthilfe

Um dem neuen Apotheker eine Niederlassung in Börger aber noch etwas schmackhafter zu machen, will die Gemeinde nun aber sogar in die eigene Tasche greifen. Müller erklärt das Vorhaben: „Wir in Börger werden beschließen, dass der Apotheker, der sich in Börger niederlässt, eine Starthilfe von 25.000 Euro erhält. Dazu müsste sich der Apotheker allerdings vertraglich für fünf Jahre verpflichten, hier zu bleiben. Das Anliegen ist uns sehr wichtig, unser Gemeindehaushalt gibt das außerdem her. Der zukünftige Apotheker könnte sofort einziehen: Die Ladenlokale der alten Apotheke stehen zur Verfügung und wurden nicht nachvermietet. Genaue Modalitäten sind dann bei konkretem Interesse eines Apothekers auszuhandeln.“

Auch zu der grundsätzlichen Diskussion über die flächendeckende Arzneimittelversorgung in Deutschland hat Müller eine Meinung. Der Gemeindedirektor sieht die Möglichkeit, dass Lockerungen beim Betrieb von Filialapotheken die Landversorgung langfristig verbessern könnten. „Von der Bundespolitik würde ich mir wünschen, dass die Regeln beim Filialbetrieb gelockert werden. Warum ist es nicht möglich, eine Filiale auf dem Land auch mal in Abwesenheit eines Apothekers offen zu halten, also nur durch PTA zu versorgen? Außerdem wäre es möglich, dass Filialapotheken nicht unbedingt Labore für Rezepturen vorhalten müssen. Die Hauptapotheke könnte ihre Filialen damit beliefern.“

Aber über eine Frage ist man sich in Börger einig: Der Versandhandel kann, wird und soll die Versorgung durch die Apotheke vor Ort nicht ersetzen. Müller dazu: „Wir brauchen die Apotheke vor Ort, der Versandhandel kann diese Leistung einfach nicht ersetzen. Ich glaube auch, dass die Parallelexistenz zwischen Apotheken und Versandapotheken auf Dauer nicht funktionieren wird. Das geht immer zulasten der Apotheke vor Ort, weil die viel höhere Auflagen und bürokratische Pflichten zu erfüllen hat als der Versandhandel.“

Haben Sie Interesse an einer Niederlassung in Börger?

Dann melden Sie sich bitte bei:

Gemeindedirektor Johannes Müller
Gemeinde Börger
Waldstr. 4
26904 Börger
mueller@gemeinde-boerger.de



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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9 Kommentare

25 TEUR Startgeld für Landapotheker

von adler_fors am 21.10.2017 um 10:10 Uhr

Ein nahezu illusorisch anmutender Artikel, dessen Authentizität es zu überprüfen gilt. Wie kann eine Apotheke, welche gemäß Schilderung eine gute Nettoumsatzrendite verspricht, auf diese Weise verschleudert werden? Hier würde ich sogar ohne Startgeld einsteigen wollen, wenn man berücksichtigt, dass es in einigen Bundesländern trotz diesbezüglich relevanter Qualifikation geradezu unmöglich ist, in eine Heimversorgung einzusteigen, da hier gewöhnlich die Filialisten bzw. Ketten den Vorrang bekommen. Vor diesem Hintergrund sei auch nochmals auf die Fragwürdigkeit des Bedarfs an Pharmazeuten hingewiesen.
Letztlich würde ich das Angebot sofort annehmen, wenn es denn so den Tatsachen entspräche.

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Buslinie - auch eine Möglichkeit!

von Andreas Grünebaum am 16.10.2017 um 19:03 Uhr

Die Forderung erinnert mich ein wenig an die "Hallenbaddebatte" bei uns in der Kleinstadt: obwohl bereits die nahegelegenen und ebenso großen Kleinstädte bzw. Gemeinden ihre Hallenbäder gerade neu gebaut oder renoviert und sich damit ruiniert haben, kommt man nicht auf den nahegelegen Gedanken, einfach einen Busverkehr zwischen den Gemeinden bzw. Städten einzurichten, anstatt sich ebenfalls mit der Maximalforderung zu ruinieren.

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Gemeindehaushalt gefragt

von Dr. Thomas Müller-Bohn am 16.10.2017 um 18:37 Uhr

Eine Notapotheke ist zulässig, wenn der Versorgungsnotstand erklärt wurde und sich ein halbes Jahr lang niemand für eine Zweigapotheke findet. Allerdings muss eine Notapotheke dann auf Rechnung der Gemeinde betrieben werden und das dürfte am Gemeindehaushalt scheitern. Baltrum hat meines Wissens eine Zweigapotheke.

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AW: Notapotheke - wozu?

von Andreas Grünebaum am 16.10.2017 um 18:53 Uhr

Notapotheke bei 4 weiteren Apotheken im Umkreis von 8 km? Selbst die Notdienstkreise sind inzwischen bei 15 km angekommen.

Notstand bei mindestens 3 Apotheken in 8 km Entfernung?

von Andreas Grünebaum am 16.10.2017 um 18:32 Uhr

Man sollte mal die Kirche im Dorf - oder hier die Apotheke im nächstgelegenen Ort lassen: im benachbarten Sögel gibt es in knapp 8 km Entfernung sogar 2 Apotheken und im ebenfalls 8 km entfernten Lorup noch eine weitere Apotheke. Wenn die alle keinen Botendienst anbieten, möchte ich mich in Zukunft "Hase" nennen. Es kann nicht jedes Kaff in Deutschland eine Apotheke beherbergen, nur weil dort einmal in den 90ern aufgrund der damals phantastischen Margen eine eröffnet hatte.

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AW: Notstand bei mindestens 3 Apotheken in 8

von Markus am 16.10.2017 um 23:09 Uhr

Sehr geehrter Herr Grünebaum,
Sehr geehrte LeserInnen,

Zur Klarstellung:
1.) Die Hümmling-Apotheke in Börger wurde im Januar 1968 eröffnet (nicht in den 90ern) - und hatte somit annähernd ein halbes Jahrhundert Bestand.
2.) Börger ist kein "Kaff", wie sie es suggerieren.
Und hat auch keine "2000 Einwohner", sondern ist eine Gemeinde mit ca. 2750 Einwohnern, die u.a. über eine gute Infrastruktur (für einen Ort dieser Größe) verfügt, von der Realschule bis zum Supermarkt.
3.) Die Apotheke in Lorup ist zwar noch geöffnet, jedoch sucht auch diese Gemeinde bereits deutlich nach einem Nachfolger, um die örtliche Versorgung sicherzustellen. Zudem ist die Gemeinde Lorup nicht 8, sondern mehr als 12 km entfernt. Es sei denn, die Patienten holten Ihre Medikamente mit dem Flugzeug ab.

Abgesehen davon:
Es gibt mehrere kleinere Nachbargemeinden im Umkreis, die über keine eigene Apotheke verfügen, was das Einzugsgebiet einer Apotheke im Ort nochmals deutlich vergrößert. Die Apotheke im Ort musste nicht aus wirtschaftlichen Gründen schließen, sondern weil der Inhaber sich in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet hat.

MfG
Markus

Und Notapotheke?

von Dulcamara am 16.10.2017 um 18:11 Uhr

Wäre das - zur Not - nicht möglich?
Gibt es, soweit ich weiß, auf Baltrum.

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Zweigapotheke

von Dr. Thomas Müller-Bohn am 16.10.2017 um 12:46 Uhr

Gelockerte Anforderungen für solche Fälle gibt es seit Jahrzehnten in der ApBetrO unter dem Begriff Zweigapotheke, zwar nicht nur mit einer PTA, aber ohne Labor und Rezeptur. Da das bisher ein sehr seltener Fall ist, bräuchten wir allerdings klare und vielleicht auch überarbeitete Regeln, wann dieser Fall greifen soll. Mit dem Apothekertagsantrag zur Prüfung der Rahmenbedingungen für die ländliche Versorgung liegt diese Frage schon bei der ABDA vor. Ich bin gespannt auf die Antwort.

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AW: Zweigapotheke für alle Gemeinden?

von Andreas Grünebaum am 16.10.2017 um 18:51 Uhr

Auch eine Möglichkeit, die verbliebenen wirtschaftlich gut dastehenden Landapotheken ebenfalls in den Ruin zu zwingen: Zweigapotheken für jeden Ort mit Bürgermeister, welcher eine Apotheke für sein 2.000 Seelen Kaff fordert. Am Ende gibt es dann nur noch "Zweigapotheken" mit "Minimallager", "Minimalöffnungszeiten" und Botendienst über die "Hauptapotheke". Da kann man auch gleich bei DocMorris nach dem Apothekenbus anfragen.

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