Welt-Rheuma-Tag

Cortison bedenklicher als Biologicals

Stuttgart - 12.10.2017, 07:00 Uhr

Es gibt keine völlig unbedenkliche Cortisondosis, auch im Low-dose-Bereich erleiden Rheumapatienten häufiger Infektionen. (Foto: stockdevil / stock.adobe.com)

Es gibt keine völlig unbedenkliche Cortisondosis, auch im Low-dose-Bereich erleiden Rheumapatienten häufiger Infektionen. (Foto: stockdevil / stock.adobe.com)


Biolologicals früh einsetzen, Corticoide beherzt reduzieren – so sieht eine optimale Behandlung von Patienten mit Rheumatoider Arthritis im Jahr 2017 aus. Aber verursachen Biologicals nicht eindeutig mehr Infektionen als Corticoide? Die Updates der Rheumatologie hat Professor Klaus Krüger beim KlinPharm-Kongress in Wiesbaden vorgestellt.

„Die durchschnittliche Krankheitsaktivität der Rheumatoiden Arthritis ist seit 1997 regelrecht abgestürzt“, erklärt Professor Klaus Krüger beim diesjährigen KlinPharm-Update in Wiesbaden. Das zeigen die aktuellsten Daten aus dem Jahr 2015. Der Disease Activity Score (DSA) liege mittlerweile nahe der Remission. Weswegen auch Röntgen mittlerweile diagnostisch relativ unergiebig ist: Die Patienten haben keine strukturellen Schäden mehr. Die enormen Fortschritte, die in der Therapie der Rheumatoiden Arthritis in den vergangenen 20 Jahren erzielt wurden, führt der Münchner Rheumatologe auf „sehr gute Therapien und sehr gute Leitlinien und Strategien“ zurück. Werden diese konsequent ein- und umgesetzt, hat der Rheumapatient eine hohe Wahrscheinlichkeit einer klinischen Remission und so die Möglichkeit, seine Lebensqualität voll zu erhalten.

Wie sollte der Rheumatologe behandeln?

„Treat to target“ ist auch bei der Behandlung der Rheumatoiden Arthritis das zu verfolgende Prinzip. „Man hat ein Therapieziel und das sollte innerhalb eines Jahres erreicht werden“, sagt Krüger. Auf Patientenebene heißt das: Der Patient sollte nichts mehr von seiner Erkrankung merken. Ist es auch weniger wichtig geworden, in welcher Reihenfolge der Rheumatologe die Arzneimittel im Verlauf der Erkrankung wählt, gibt es doch wenig Zweifel daran, wie der optimale Start der Rheumatoiden-Arthritis-Behandlung aussieht.

MTX parenteral, Prednisolon früh beherzt, früh eskalieren

„Wir fangen grundsätzlich mit MTX an, außer es ist, wie in der Schwangerschaft, kontraindiziert“, sagt der Rheumatologe. Die parenterale MTX-Gabe mit durchschnittlich 15 mg pro Woche ist das Mittel der Wahl. Patienten profitieren von einer subkutanen MTX-Gabe: Die Therapie wirkt stärker, schneller und wird besser toleriert, was sich günstig auf die Prognose auswirkt. „Es gibt keinen Grund, nicht mit sc zu beginnen“, sagt Krüger, auch wenn die parenterale Therapie kostenintensiver sei. Eine Umstellung auf eine perorale Applikation von MTX ist möglich.

„Außerdem sollten die Rheumatologen dazu kommen, Corticoide am Anfang hoch zu dosieren“, sagt Krüger. Das heißt: Prednisolon beherzt mit 10 bis 30 mg täglich einsetzen, ebenso beherzt innerhalb von acht Wochen in den Low-dose-Bereich reduzieren und nach drei bis sechs Monaten beenden.


MTX parenteral und 30 mg Prednisolon: Die einfachste Therapie hat am Anfang die besten Ergebnisse und erzielt enorme Erfolge“.

Professor Klaus Krüger, Rheumatologe München


Versorgung mit Biologicals noch defizitär

Sprechen die Patienten innerhalb von drei Monaten nicht auf diese Therapie an, empfiehlt der Rheumatologe, nicht länger zu warten, sondern die Therapie sofort zu eskalieren. Wie die Eskalationstherapie im Einzelnen aussieht? Hier erfolgt die Weichenstellung für die weitere Therapie der rheumatoiden Arthritis anhand der Frage, welche Krankheitsaktivität vorliegt. Patienten mit mittlerer Aktivität und günstiger Prognose erhalten eine DMARD-Kombi; bei hoher Aktivität und weiteren Risikofaktoren können bereits nach drei Monaten Biologika eingesetzt werden. Bei Nichtansprechen auf ein Biological, folgt nach weiteren drei Monaten dann der Wechsel auf ein anderes Biologikum. Das empfehlen alle Leitlinien. „Theoretisch sollte das so sein, in der Praxis ist das nicht der Fall“, sagt Krüger.

Wie sieht die Realität aus? Gerade einmal 36 Prozent aller Rheumapatienten erreichen eine Remission, 45 Prozent verfehlen das Therapieziel und weisen eine mittlere bis hohe Krankheitsaktivität auf. „Die Versorgung mit Biologika wird besser, ist aber weiter stark defizitär“, bemängelt der Rheumatologe den insbesondere in Deutschland schlechten Versorgungsstandard mit Biologicals im Rheumasektor. Woran das liegt? Krüger kann nur spekulieren: „Die Langzeitnebenwirkungen sind vom Tisch, vielleicht ist es die Angst vor Regressen. Diese gab es bei Biologicals bislang nicht in Deutschland.“ Bliebe die Angst vor neuen Therapien, so Krüger. 

„Corticoide sind um ein Vielfaches infektionsträchtiger als Biologika“

Stattdessen setzen wohl viele Rheumatologen und Patienten auf alt Vertrautes: Glucocorticoide. Sie haben seit nun mehr 70 Jahren einen wichtigen Stellenwert in der Behandlung der Rheumatoiden Arthritis, aber es findet ein Paradigmenwechsel statt. Nach drei bis sechs Monaten sollte der Patient Prednisolon absetzen. Doch das Therapieprinzip scheint tief verwurzelt, etwa die Hälfte aller Rheumapatienten nimmt dauerhaft Prednisolon ein.

„Warum sind wir so strikt mit Corticoiden?“ fragt der Rheumatologe. „Die Corticoide sind um ein Vielfaches infektionsträchtiger als Biologika". Außerdem zeigten Kohortenstudien, dass unter Corticoid-Therapie die Mortalität steige, wohingegen eine Therapie mit MTX ohne Corticoid die Mortalität reduziere. Zudem erhöhe eine dauerhafte Corticoid-Therapie das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, wie Schlaganfall und Myokardinfark, und gewaltig für schwere Infektionen, vor allem bei älteren Patienten. Dieser Effekt sei zwar dosisabhängig, erklärt Krüger, lasse sich jedoch auch im Low-dose-Bereich bei 5 mg und 7,5 mg nachweisen. „Es gibt keine ganz unbedenkliche Corticoid-Dosis", schließt Krüger.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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