US-Forschung

Welche neuen Alzheimer-Medikamente sind in der Pipeline?

Remagen - 10.10.2017, 07:00 Uhr

In den USA gibt es viele neue Arzneimittel zur Behandlung von Alzheimer, die noch in der Pipeline stecken. Um welche dreht es sich? (Foto: DAK Gesundheit)

In den USA gibt es viele neue Arzneimittel zur Behandlung von Alzheimer, die noch in der Pipeline stecken. Um welche dreht es sich? (Foto: DAK Gesundheit)


Biopharmazeutische Forschungsunternehmen entwickeln derzeit in den USA 85 Wirkstoffe zur Behandlung der Alzheimer-Erkrankung. Dies meldet der US-amerikanische Pharmaverband PhRMA und spricht von einem steinigen Weg mit vielen Rückschlägen. Aber um welche Medikamente dreht es sich?

Der US-amerikanische Verband der forschenden Arzneimittelbranche (Pharmaceutical Research and Manufacturers of America, PhRMA) hat einen aktuellen Bericht zur Arzneimittelentwicklung auf dem Gebiet der Alzheimer-Erkrankung vorgelegt. Die PhRMA weist darauf hin, dass die aktuell verfügbaren Medikamente nur die kognitiven Symptome der Alzheimer-Krankheit, wie Gedächtnisverlust und Verwirrung, behandeln, nicht aber die Ursachen der Erkrankung.

Priorität auf krankheitsmodifizierenden Ansätzen

Die aktuelle Forschung konzentriert sich demgegenüber auf Krankheits-modifizierende Behandlungen, die das Fortschreiten der Erkrankung stoppen oder verlangsamen könnten, indem sie auf eine oder mehrere Veränderungen im Gehirn von Alzheimer-Patienten einwirken. Zu den Zielen gehören die Beta-Amyloid-Plaques zwischen den Nervenzellen, Tau-Protein-Aggregate (Tangles), die Gehirnzellen schädigen oder abtöten, sowie ein Rezeptor, der einen für die normale Gehirnfunktion erforderlichen Neurotransmitter herunterreguliert. Andere Ansätze richten sich gegen die Entzündung des Gehirns, die mit Alzheimer in Verbindung gebracht wird, indem sie das Immunsystem zur Bekämpfung der Krankheit anregen. Außerdem suchen die Wissenschaftler nach Möglichkeiten, die Krankheit bei Personen zu verhindern, bei denen entsprechende Genmutationen vorliegen.

Einige bereits in Phase III

Viele der insgesamt 85 Wirkstoffe, die die PhRMA in einer Liste zusammengefasst hat, befinden sich noch in früheren Phasen der Erprobung am Menschen (Phase I). Substanzen, die bereits ein fortgeschrittenes Stadium der klinischen Entwicklung erreicht haben (Phase III), sind in der folgenden Tabelle aufgeführt. Teilweise werden sie bereits von der Food and Drug Administration (FDA) im Zulassungsverfahren überprüft.

Beispiele für Medikamente gegen Alzheimer in Phase III der klinischen Entwicklung

Substanzname/Code Stoffklasse Unternehmen*
AC-1204 Glucose stimulant Accera
Aducanumab (BIIB037) Amyloid beta mAB Biogen
ALZT-OP1 Amyloid beta-protein inhibitor/ inflammation mediator inhibitor AZTherapies
AVP-786 Dextromethorphan analogue/ultra-low dose quinidine Avanir
Azeliragon (TTP488) RAGE antagonist vTv Therapeutics
Crenezumab Anti-amyloid beta antibody Genentech
E2609 BACE1 protein inhibitor Biogen
Gantenerumab Amyloid beta-protein inhibitor Genentech
Intepirdin (RVT-101) Serotonin 6 receptor antagonist Axovant Sciences
Lanabecestat BACE inhibitor AstraZeneca
LMTX Tau protein aggregation inhibitor/TDP-43 aggregation inhibitor TauRx Pharmaceuticals
Nilvadipin Soluble amyloid reducing/clearing agent Archer Pharmaceuticals
Pioglitazon (low-dose) PPARγ agonist Takeda Pharmaceuticals
Rexulti® (Brexpiprazol)   Lundbeck
Solanezumab Amyloid beta protein inhibitor Eli Lilly
Verubecestat (MK-8931) BACE1 protein inhibitor Merck
* Mitgliedsunternehmen der PhRMA, die Alzheimer-Studien in den USA und anderswo durchführen sowie auswärtige Unternehmen, die solche Studien in den USA durchführen
mAB: monoclonal antibody, RAGE: receptor for advanced glycation endproducts, BACE: Beta-secretase, TDP-43: transactive response DNA binding protein-43, PPARγ: peroxisome proliferator-activated receptor γ
Quelle: PhRMA

Kostenexplosion befürchtet

Nach Angaben der dortigen Alzheimer-Gesellschaft, auf die die PhRMA sich beruft, leben heute mehr als 5 Millionen Amerikaner mit Alzheimer. Der Verband befürchtet, dass diese Zahl bis zum Jahr 2050 auf 16 Millionen hochschnellen könnte, sollte es bei der Vorbeugung oder Behandlung des Krankheitsbildes keinen neuen Durchbruch geben. Die Todesfälle durch die Alzheimer-Krankheit hätten in den USA seit dem Jahr 2000 um 89 Prozent zugenommen, während die Todesfälle durch Herz-Kreislauferkrankungen in der gleichen Zeit um 14 Prozent gesunken seien. Schätzungen gingen davon aus, dass Alzheimer und andere Demenzerkrankungen das US-Gesundheitssystem im Jahr 2017 mehr als 259 Milliarden US-Dollar kosten. Im Jahr 2050 könnten es 1,1 Billionen Dollar sein.

Zahlreiche Programme – wenig Output

Alzheimer sei eine der komplexesten Krankheiten, die Forscher je untersucht hätten, betont die PhRMA. Schließlich sei das Gehirn das komplexeste und unzugänglichste Organ im Körper und die Krankheit dementsprechend kompliziert. Das Verständnis wachse jedoch und damit einhergehend die Fähigkeit, neue mögliche Behandlungsansätze zu finden und letztendlich wirksame neue Medikamente zu entwickeln. Dennoch bleibe der Weg lang, dornig und mit zahlreichen Rückschlägen gepflastert. Laut PhRMA ist zwischen 1998 und 2014 die klinische Erprobung von 123 potenziellen neuen Arzneimitteln gegen Alzheimer gestoppt worden, gegenüber lediglich vier, die die Hürde der Zulassung genommen haben.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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