Arzneimittel-Agentur

Wie viel verdienen die EMA-Mitarbeiter? 

Remagen - 09.10.2017, 09:20 Uhr

Wer sind eigentlich die, die Geschicke der Arzneimittel in Europa regeln? (Foto: vege / stock-adobe.com)

Wer sind eigentlich die, die Geschicke der Arzneimittel in Europa regeln? (Foto: vege / stock-adobe.com)


Im Zusammenhang mit der Verlegung der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) ist immer vom „Personal“ der Agentur die Rede. Was hat man sich hierunter vorzustellen, und warum könnten die Beschäftigungsregeln die Entscheidung der Mitarbeiter, welchen neuen Standort sie präferieren, mit beeinflussen? DAZ.online hat einen Blick hinter die Kulissen der prestigeträchtigsten europäischen Arzneimittelaufsicht geworfen. 

Die Beschäftigungsregeln bei der EMA folgen denen für den Europäischen öffentlichen Dienst. Die Agentur kennt prinzipiell keine Daueranstellung, sondern beschäftigt hauptsächlich „Temporary agents“ (5 Jahre, unbegrenzte Verlängerung möglich) und „Contract agents“. Bei den „Temporary agents“ werden je nach Art und Bedeutung ihrer Aufgaben mehrere Gruppen und zahlreiche Ränge unterschieden. „Contract agents“ bekommen fixe Zeitverträge, deren Länge sich an der Bedarfslage orientiert, bei einem Maximum von fünf Jahren. Auch sie werden in Funktionsgruppen und diverse Ränge unterteilt. Wie hoch die Personalfluktuation angesichts dieser Regelungen ist, ist nicht bekannt. Wer Interesse hat? Aktuelle Jobangebote finden sich hier.

Für das Basiseinkommen werden die Gehälter in Belgien oder Luxemburg als 100 Prozent genommen. Arbeitet ein EU-Gehaltsempfänger in einem anderen Mitgliedstaat, so wird sein Salär unter Berücksichtigung der lokalen Lebenshaltungskosten mit einem „Korrekturkoeffizienten“ angepasst. Die Unterschiede, die sich hieraus ergeben, sind beträchtlich: Am höchsten ist der Koeffizient für Großbritannien mit 141.8 Prozent. Damit bekommen EU-Beschäftigte in London fast eineinhalb mal so viel Grundgehalt wie ihre „Kollegen“ in Brüssel.

In Bulgarien und Rumänien zwei Drittel weniger Grundgehalt

Wohin der Zug für die EMA-Mitarbeiter auch immer gehen wird, sie werden auf jeden Fall am Ende des Monats weniger „in der Tüte“ haben. Unter Kostengesichtspunkten muss die Verlagerung deshalb nicht unbedingt negativ sein. Dies hat der EUobserver schon Mitte Juli dieses Jahres vorgerechnet. 

Am geringsten wäre der Unterschied im Grundgehalt, wenn die EMA nach Dänemark (Kopenhagen) käme (Korrekturkoeffizient: 133,1 Prozent). In den Niederlanden (Amsterdam) liegt der Koeffizient bei 108,1, in Österreich bei 104,7 und in Italien (Mailand) bei 97,9 Prozent. In Spanien (Barcelona) würde der Brüsseler Gehaltsstandard auf 88,1 Prozent abgesenkt. In Bulgarien und Rumänien dagegen müssten sie sich auf Basis des Korrekturkoeffizienten von 51,1 bzw. 63,8 Prozent mit etwa einem Drittel des Grundgehaltes zufriedengeben, das sie derzeit in London bekommen.

 

Weitere Zulagen und Vergünstigungen

Zu dem Basisgehalt hinzu kommen für Bedienstete aus einem anderen Mitgliedstaat eine Auslandszulage in Höhe von mindestens 521 Euro pro Monat sowie je nach persönlicher Situation Zulagen für den Haushalt, Kindergeld (rund 380 Euro pro Kind/Monat), Kindergartenzuschuss, Schulgelder für Kinder (z.B. Erstattung von bis zu 12.200 britischen Pfund für die Grundschule) etc. sowie besondere zeitlich befristete Zulagen. Abgerundet wird das Leistungspaket durch eine Kranken- und Rentenversicherung. Die Personalkosten für die rund 900 Beschäftigten werden im Jahresbericht 2016 der EMA mit 110,7 Millionen Euro beziffert. Sie haben seit dem Jahr 2012 (777 Beschäftigte) um 47 Prozent zugenommen. 

Wer arbeitet in der EMA? 

Um die derzeitigen Länder-Paritäten in der Agentur selbst abzuschätzen, lohnt ein Blick auf die Personalstruktur vor Ort in London. Nach dem EMA-Jahresbericht 2016 sind fast 70 Prozent der knapp 900 Mitarbeiter Frauen. 66 Prozent sind „Temporary agents“, 77 Prozent unter 50 Jahre alt und 33 Prozent zwischen 30 und 40. Franzosen und Italiener sind mit jeweils etwa 13 Prozent am stärksten vertreten, gefolgt von Spaniern mit 11,6 Prozent. Deutschland stellt knapp 6 Prozent der Beschäftigten und liegt damit gleichauf mit Polen und knapp hinter Großbritannien (ca. 6,8 Prozent). Zur Leitungsebene der Agentur, die nach dem letzten Jahresbericht 30 Personen umfasst, gehören drei Briten, ebenso viele wie Franzosen, Italiener, Portugiesen und Spanier.

Satte Abfindungen für Mitarbeiter aus UK

Die gesamten Kosten für die Verlagerung der EMA werden derzeit auf 530 Millionen geschätzt, wofür nach dem Willen der EU-Kommission die Briten selbst aufkommen sollen. Ausgaben ergeben sich auch durch die Abfindungszahlungen, die den zwangsweise ausscheidenden Bediensteten aus Großbritannien zustehen, ein Thema, das der britische „Express“ im August aufs Tapet gebracht hat.

Bei der EMA arbeiten etwa 60 Briten, die mit dem Umzug auf die Straße gesetzt werden müssten. Welche Positionen sie im Einzelnen einnehmen, ist nicht transparent. „Der Express“ hat für die anfallenden Abfindungszahlungen jedenfalls eine Spanne von 3,4 bis 9,3 Millionen britischen Pfund errechnet. 

Weg von der EMA und direkt ein toller Job in der Industrie? 

Das ist gar nicht so einfach. Um Interessenskonflikte zu vermeiden, sind die Mitarbeiter verpflichtet, bei der EMA eine Erlaubnis einzuholen, wenn sie innerhalb einer Frist von zwei Jahren nach Verlassen der Agentur eine andere Beschäftigung annehmen wollen. Gegebenenfalls können ihnen Beschränkungen hierzu auferlegt werden, zum Beispiel, dass der Ausscheidende innerhalb einer bestimmten Zeit keine Mitarbeiter der Agentur kontaktieren darf oder ein Verbot, Zulassungsunterlagen zu bearbeiten, mit denen sie vorher in ihrer Tätigkeit bei der EMA zu tun hatten. Im Jahr 2016 gab es 21 solcher Anträge, und zu fünfen gab es Beschränkungen. 

Am liebsten nach Amsterdam, Barcelona, Mailand, Kopenhagen oder Wien

Inzwischen hat die EMA übrigens bezüglich der Bewertung der Kandidatenstädte durch ihr Personal die Katze aus dem Sack gelassen, nachdem sie zunächst nur eine allgemeine „Gruppierung“ publik gemacht hatte. Hiernach haben hinsichtlich der technischen Anforderungen Amsterdam, Barcelona, Brüssel, Kopenhagen und Mailand, aber auch Bratislava die Nase vorn. Bezüglich der Umzugsplanung steht auch Bonn nicht schlecht da, weniger jedoch bezüglich der weiteren Bedingungen wie Erreichbarkeit, Lebensbedingungen für die Familien, etc., wo ebenfalls Amsterdam, Barcelona und Mailand neben Kopenhagen und Wien das Feld anführen. Dies sind auch die Städte, in die mehr als zwei Drittel der Mitarbeiter mitziehen würden. Nach Bonn würde die Hälfte bis zwei Drittel mitgehen. 

Auf wen auch immer die Entscheidung der Mitgliedstaaten fällt. Spätestens am 20. November werden wir es wissen. Dann soll der Rat für Allgemeine Angelegenheiten tagen und sagen, wer „the winner“ sein wird.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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