Valproat

EMA hört erstmals Öffentlichkeit zu Arzneimittel-Risiken

London - 05.10.2017, 07:00 Uhr

In Europa soll es tausende Betroffene geben, deren Mütter in der Schwangerschaft Valproat genommen haben. (Foto: picture alliance / maxppp)

In Europa soll es tausende Betroffene geben, deren Mütter in der Schwangerschaft Valproat genommen haben. (Foto: picture alliance / maxppp)


„Familien wurden von Sanofi und Regierungen im Stich gelassen“

Auf der Anhörung sprach mit Branwen Mann auch eine junge betroffene Frau, deren Mutter während der Schwangerschaft Valproat nahm. „Jeden Tag kämpfen wir mit komplexen, lebens-limitierenden und seltenen Gesundheitsproblemen“, sagte die Britin. Der älteste bekannte Betroffene sei mit 46 in einem Heim für Demenzkranke. „Die Familien wurden von Sanofi, den Regierungen und dem nationalen Gesundheitsdienst im Stich gelassen“, erklärte sie. Nun müssten sie um medizinische Unterstützung und Behindertenhilfe kämpfen.

Die Ignoranz und die fehlende Bildung sei so schlimm wie die Krankheit selber, betonte Mann. Ein Hausarzt aus ihrer Gegend habe erst vor fünf Wochen die aktuellen Informationen zu Valpraot bekommen, in Apotheken sei noch nichts angekommen. Mann schlug vor, dass in der Software von Ärzten und Apothekern eine rote Lampe aufleuchten sollte, wenn sie das Mittel verschreiben oder abgeben. „Zu wissen, dass es hätte verhindert werden können, ist herzensbrechend“, erklärte sie. Ihr sei kürzlich gesagt worden, dass sie jederzeit sterben könnte. „Ich stehe hier als Repräsentantin des angerichteten Schadens“, erklärte sie. „Wenn ich von hier weggehe, vertraue ich darauf, dass Sie die richtigen Entscheidungen treffen.“

Sanofi-Vertreter ging nicht auf die Vorwürfe ein

Als Vater fühle er mit den Patienten, die ihre Geschichten geteilt haben, erklärte Eric Teo, der bei Sanofi für die Arzneimittelsicherheit zuständig ist. Basierend auf den besten verfügbaren Daten sei klar, dass es ein erhöhtes Risiko für vorgeburtliche Fehlbildungen wie auch kognitive Beeinträchtigungen gebe. Die Frage, die auf der Hand liege, sei: Warum verschreibt ein Arzt Valproat für eine schwangere Frau?

Allerdings sei das Arzneimittel als lebensrettendes Arzneimittel weithin akzeptiert – und auch auf der WHO-Liste der essenziellen Arzneimittel. Für manche Frauen ist es die einzige Behandlungsmöglichkeit, sagte Teo. Er ging nicht näher auf die gravierenden Vorwürfe gegen Sanofi ein, sondern sagte nur allgemein, dass die Firma immer die aktuellsten wissenschaftlichen Informationen kommuniziert habe. Zwar habe sich das Verschreibungsverhalten für Frauen im gebärfähigen Alter in den letzten Jahren noch nicht geändert – doch immerhin habe sich die Anzahl von Schwangerschaften unter Valproat seit 2014 halbiert, betonte Teo.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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