Neue Studie

Wirken Placebos auch ohne Täuschung?

Stuttgart - 04.10.2017, 11:30 Uhr

Bei der Studie wurden die Probanden teils aufgeklärt, dass eine ihnen verabreichte Salbe keinen Wirkstoff enthielt. (Foto: Max Tactic / adobe stock)

Bei der Studie wurden die Probanden teils aufgeklärt, dass eine ihnen verabreichte Salbe keinen Wirkstoff enthielt. (Foto: Max Tactic / adobe stock)


Kein Unterschied beim objektiven Schmerz

Doch anders als teils bei früheren Studien ließ sich in den Experimenten kein Unterschied in Bezug auf die objektive Schmerzempfindung nachweisen. Da die Probanden den ansteigenden Hitzereiz abbrechen sollten, wenn er zu stark wurde, konnten die Forscher untersuchen, wie dieser objektiver Parameter sich durch die Placebo-Gaben verändert – doch dies gelang anders als bei den subjektiven Einschätzungen nicht.

„Eine offene Abgabe eines Scheinmedikaments bietet neue Möglichkeiten, den Placebo-Effekt auf ethisch vertretbare Weise zu nutzen“, erklärte dennoch Mitautor Jens Gaab, Leiter der Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Basel, in einer Pressemitteilung. Da sie nur gesunde Probanden untersucht haben, betonen die Forscher in ihrem Artikel, ist fraglich, inwiefern sich die Ergebnisse auf die Situation von Patienten übertragen lassen – hier könnten die Effekte ihrer Einschätzung nach geringer sein.

Auch wenn sie diesen Punkt ähnlich sieht, hält die an der Studie nicht beteiligte Psychologin Bettina Doering von der Universität Marburg die Methodik der Studie für sehr gut und interessant. Die Wissenschaftlerin arbeitet in einer Forschergruppe der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die in den letzten Jahren Placebos erforscht hat. „Positive Erwartungen könnte man auch nutzen, wenn man ein echtes Medikament gibt“, sagt sie. In der normalen ärztlichen Behandlung bliebe oft zu wenig Zeit, um eine positive Erwartungshaltung aufzubauen. „Damit schließt man einen ganz wichtigen Teil der Wirkung aus.“ Doch bislang sei die Wissenschaft noch „weit davon entfernt“, klar sagen zu können, dass offene Placebos genauso helfen wie jene mit Täuschung.

Neben der relativ kleinen Probandenzahl der Studie aus Basel ergeben sich weitere statistische Fragen. So schreiben die Autoren, dass sich „interessanterweise“ kein Unterschied zwischen der Gruppe mit offenen Placebos und mit täuschenden Placebos feststellen ließ, obwohl dies eigentlich keine weiteren Rückschlüsse zulässt, wie auch Doering sagt. Fragen hierzu wollte Locher gegenüber DAZ.online jedoch nicht beantworten. „Leider haben wir nicht die Kapazität“, schrieb sie. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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