Niedersachsen

AOK retaxiert falsch angekreuztes Gebührenstatusfeld

Stuttgart - 02.10.2017, 11:15 Uhr

Retaxationen sorgen immer wieder für Zwist zwischen Krankenkassen und Apotheken. (Foto: Sket / DAZ.online)

Retaxationen sorgen immer wieder für Zwist zwischen Krankenkassen und Apotheken. (Foto: Sket / DAZ.online)


Wer treibt die Zuzahlung ein – Apotheke oder Krankenkasse?

Den gesetzlichen Boden für die Zuzahlung der Patienten zu ihren Arzneimitteln liefert SGB V § 43c. Primär stehen die Leistungserbringer, also die Apotheken, in der Pflicht, diese Zuzahlungen einzuziehen. Zahlt der Versicherte jedoch nicht, obliegt der Krankenkasse das Eintreiben des Betrags.


Leistungserbringer haben Zahlungen, die Versicherte zu entrichten haben, einzuziehen und mit ihrem Vergütungsanspruch gegenüber der Krankenkasse zu verrechnen. Zahlt der Versicherte trotz einer gesonderten schriftlichen Aufforderung durch den Leistungserbringer nicht, hat die Krankenkasse die Zahlung einzuziehen.

SGB V § 43c


Haben die Krankenkassen eine neue Retaxdomäne gefunden?

Ungeachtet dessen, hat der GKV-Spitzenverband mit der Apothekerschaft im neuen Rahmenvertrag § 3 geregelt, dass der Vergütungsanspruch des Apothekers trotz nicht ordnungsgemäßer vertragsärztlicher Verordnung oder Belieferung auch dann entsteht, „wenn die Apotheke eine vom Arzt fälschlicherweise als 'Gebührenfrei' gekennzeichnete Verordnung ohne Einbehaltung einer Zuzahlung abgibt“.

Die oben aufgeführte schriftliche Nachforderung der versäumten Zuzahlung bei der Patientin hat der Apotheker bislang noch nicht veranlasst. Auf diese Idee sei er bislang auch gar nicht gekommen, erklärt er gegenüber DAZ.online. Allerdings beobachte er in jüngster Zeit, dass sich Retaxationen aufgrund des falschen Gebührenstatus häuften, sagt er. Angesichts dieser Beanstandungen durch die Krankenkassen frage er sich, welchen Sinn § 3 im Rahmenvertrag, dass der Vergütungsanspruch des Apothekers bei unbedeutenden formalen Fehlern wie dem falschen Gebührenstatus bestehe, dann überhaupt mache?

Hier überschneiden sich jedoch zwei Bereiche, einmal die gesetzlichen Regelungen im SGB V und die Vereinbarungen im Rahmenvertrag. Bestünde dieser Paragraph nicht, könnte die Krankenkasse nicht lediglich die Erstattung der Zuzahlung verweigern, sondern das Rezept zu Null absetzen. 

Ignoriert die Krankenkasse in diesem Retaxfall somit überhaupt die bestehenden Gesetze? Das Problem der AOK ist nicht die nicht geleistete Zuzahlung, vielmehr sieht die Krankenkasse die Sorgfaltspflicht der Apotheke vernachlässigt. Sie erstatte die abgegebenen Verbandstoffe, nur die Zuzahlung müsse der Apotheker zunächst versuchen einzutreiben, argumentiert die AOK Niedersachsen gegenüber DAZ.online. Das ist nach SGB V § 43c korrekt. Sie muss hinsichtlich des Eintreibens der Zuzahlung erst aktiv werden, nachdem die Apotheke erfolglos beim Patienten nachgefordert hat. Was er bislang nicht hat. Doch argumentiert die Krankenkasse im Schriftverkehr mit der betroffenen Apotheke anders: Hier fordert sie, dass die Befreiung der Patientin von der Apotheke hätte überprüft werden müssen.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


8 Kommentare

Do hie gschlampert ...

von Bernd Jas am 04.10.2017 um 9:23 Uhr

Do hie gschlampert ...

... is des Kraizerl.
Wer hat´s gesetzt? Nicht die Schweizer!
Bei denen wäre es präzise, gerade und akkurat im richtigen Feld vermerkt worden.
Zu Zeiten von mehr und mehr eingesetzten Scannern (auch im HV) treten auch mehr und mehr deren Interpretationsfehler auf, die durch das menschlichen Auge ("Ein erfahrener Apotheker/Apothekerin erkennt sofort") wohl nicht missgedeutet würden. Da hat Herr Huesmann schon recht!!
Wenn wir das Feld bei der Prüfung ignorieren würden, entständen täglich mehrere Male 10.- €
Schaden. Selbst Schuld.
Warum wir uns Kassen allerdings als Inkassodeppen spendieren, ist eine andere Frage. Die Kreuzchensetzer sind diese nette Aufgabe jedenfalls wieder los geworden.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Do hie gschlampert

von Christian Becker am 04.10.2017 um 11:41 Uhr

Rezeptscanner mögen hin und wieder phantasieren, das Kreuzchen hätten die aber eindeutig als "gebührenpflichtig" erkannt.

AOK retaxiert

von BK am 03.10.2017 um 8:38 Uhr

Man sollte das Ganze nicht überbewerten und als simple Stimmungsmache gegen die Krankenkassen verwenden. Dies ist keinen Artikel in DAZ online wert. Da gibt es doch wirklich Wichtigeres! Der verrutschte Druck ist eindeutig als solcher zu erkennen. Solche Fälle der Relaxation gibt es nach meiner Erfahrung schon immer. Das ist doch nichts Neues. Der Fehler liegt hier meines Erachtens eindeutig bei der Apotheke.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: AOK retaxiert

von Christian Becker am 04.10.2017 um 10:10 Uhr

Sehe ich auch so. Ich schimpfe auch immer gerne über die Krankenkassen, aber in diesem Fall ist das ausnahmsweise mal nicht gerechtfertigt.
Es ist ärgerlich, dass trotz des genormten Aussehens der Kassenrezepte Drucker immer noch nicht in der Lage zu sein scheinen, diese auch ordentlich zu bedrucken.

AOK retaxiert falsch angekreuztes Gebührenstatusfeld

von Dr. Gregor Huesmann am 02.10.2017 um 17:59 Uhr

Nichts für ungut, aber ein solcher Fall kommt doch nahezu täglich vor. Ein erfahrener Apotheker/Apothekerin erkennt sofort, dass der Druck verrutscht ist und kassiert die Zuzahlung. Hier erfolgt die Retaxation zu recht!

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: AOK retaxiert falsch angekreuztes Gebü

von Andreas Grünebaum am 02.10.2017 um 18:38 Uhr

Mag ja sein, dass man das eigentlich leicht sehen kann, wenn die Rezeptzeilen beim Druck verrutscht sind. Was aber, wenn man nun der Kasse vorwürfe, man sei formal im Recht, und diese im Umkehrschluss in Zukunft alle offensichtlich und er Zeile verrutschten "aut-idem" Kreuze retaxieren würde?

P.S. allerdings kann ich im oben abgebildeten Image eben nicht erkennen, dass eine Zeile verrutscht ist. Wie wäre es denn damit, dass in solchen Fällen die Kassen ihre Patienten in Regress nehmen würden? Geht natürlich gar nicht, also stattdessen den Arzt, welcher fahrlässig ein falsch ausgestelltes Rezept eigenhändig unterschreibt?

AW: AOK retaxiert falsch angekreuztes Gebührenstatusfeld

von Jan Oesterwalbesloh am 04.10.2017 um 8:25 Uhr

So sehr ich die Retax-Politik der Kassen auch verachte, in diesem Fall ist so dermaßen eindeutig zu erkennen, dass das Kreuz für die Zuzahlungsbefreiung nicht auf einer Linie mit der Bezeichnung des Kostenträgers liegt.

aok

von frank ebert am 02.10.2017 um 12:03 Uhr

Welche Zusammenarbeit ?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.