Niedersachsen

Apotheker und Ärzte planen die digitale Dorfgemeinschaft

Remagen - 09.10.2017, 10:30 Uhr

Hand in Hand: Apotheker und Ärzte in der Grafschaft Bentheim planen die digitale Dorfgemeinschaft, in der sich die Heilberufler besser miteinander vernetzen. (Foto: wladimir1804 / stock.adobe.com)

Hand in Hand: Apotheker und Ärzte in der Grafschaft Bentheim planen die digitale Dorfgemeinschaft, in der sich die Heilberufler besser miteinander vernetzen. (Foto: wladimir1804 / stock.adobe.com)


Apotheker, Ärzte und andere Gesundheitsversorger digital vernetzt, das könnte die Zukunft der Versorgung sein. Hierzu wird im südwestlichen Niedersachsen gerade ein interessantes Projekt auf den Weg gebracht. Noch ist das Projekt in der Planungsphase. Im Mittelpunkt sollen aber die Vernetzung der Heilberufler und die Kommunikation mit Patienten stehen.

In ländlichen Räumen werden die Entfernungen zu einer Apotheke für viele Bürger und speziell für ältere Menschen zunehmend zu einem Problem. Um dieser Situation abzuhelfen, wird in der Region Grafschaft Bentheim mit der größten Stadt Nordhorn/Südliches Emsland modellhaft ein gesundheitsbezogenes Versorgungskonzept entwickelt. Dabei wollen sich die Beteiligten die modernen Informationstechnologien zunutze machen. Das Rahmen-Konzept mit dem Namen „Dorfgemeinschaft 2.0“ ist eine digitale Plattform, die sich mit den vier Lebensräumen Wohnen, Versorgung, Mobilität und Gesundheit und Pflege befasst.

„Virtueller Dorfmarktplatz“ als Anlaufstelle

Die Basis der „Dorfgemeinschaft 2.0“ bildet der „Virtuelle Dorfmarktplatz“, auf dem die Dienste zusammengeführt und von allen genutzt werden können. Dabei sollen Sicherheit, Datenschutz und Vertraulichkeit gewährleistet und innovative und mobile Dienste im Sinne einer mobilen Service-Cloud eingebunden und für die Menschen bedarfsgerecht erschlossen werden. Das „physische Zentrum“ des Projektes wird im ehemaligen Marienkrankenhaus in Nordhorn eingerichtet. Darüber hinaus sollen in mehreren Ortschaften Dependancen geschaffen werden.

Mobile Gesundheitsversorgung unter Einbeziehung der Apotheker

Im Bereich Gesundheit und Pflege ist unter anderem eine „mobile Gesundheitsversorgung“ geplant, mit der eine aufsuchende telemedizinische Betreuung eingerichtet werden soll. Im Kern geht es um die Etablierung einer digitalen Plattform für lokale Dienstleister wie Apotheken, Pflegedienste, Ärzte. DAZ.online hat hierzu nähere Informationen von Beteiligten vor Ort eingeholt. Verbundene Projekte steckten teilweise noch in den Kinderschuhen, war von Karin Ammeling aus der Bookholter Apotheke in Nordhorn zu erfahren. Als geschäftsführende Apothekerin in der Grafschaft Bentheim sei sie sehr interessiert am euregionalen Netzwerk und der Gesundheitsversorgung in den dortigen ländlichen Regionen und daher aktives Mitglied des erweiterten Vorstandes des Vereins „Gesundheitsregion Euregio“ geworden.  


Wie weit ist man bisher?

„Das Projekt „Dorfgemeinschaft 2.0“ ist ein sehr interessantes und zukunftsweisendes Projekt, auch für die Apotheke vor Ort“, sagt Ammeling. „Daher bringe ich mich dort im Bereich meiner Expertise in Fachfragen und Diskussionen ein. Bisher sind es aber noch reine Projektskizzen, bei denen ich berate.“ Das Projekt laufe noch nicht, lediglich Expertengespräche, Brainstormings und Analysen. Um Projekte wie auch die „Dorfgemeinschaft“ in die Zukunft zu bringen, müsse sich die interdisziplinäre Zusammenarbeit Arzt-Pflege-Apotheker noch deutlich verbessern, aber es müssten auch gesetzliche und politische Strukturen geschaffen werden, die so eine Zusammenarbeit attraktiv und umsetzbar machen, betont Ammeling weiter.

Der Landesapothekerverband und die Apothekerkammer Niedersachsen seien in das Projekt bislang nicht unmittelbar involviert, teilte der Apothekerverband DAZ.online auf Anfrage mit.

Interesse auch in benachbarten Regionen

Trotz dieses frühen Stadiums übt das Projekt aber schon eine gewisse Strahlkraft auf benachbarte Regionen aus. Nachdem der Apothekerverband Westfalen-Lippe auf die „Dorfgemeinschaft“ gestoßen war, begannen die Überlegungen, wie bzw. in welchem Rahmen man sich daran beteiligen könnte, denn das Projekt ist nicht zwingend an Landesgrenzen gebunden und kann durchaus auch auf andere Regionen übertragen werden. Wie die Rolle der Apotheken in einer solchen Dorfgemeinschaft aussehen könnte, darüber informierte Olaf Elsner, Apotheker aus Gütersloh und Vorstandsmitglied des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe, kürzlich die CDU-Kreistagsfraktion Steinfurt im Rahmen einer Fraktionsveranstaltung zur Zukunft der Apotheken auf dem Land.

Patienten sollen im Mittelpunkt stehen

„Momentan befinden wir uns dazu noch in der Planungsphase mit den Projektverantwortlichen der Dorfgemeinschaft 2.0“, erklärte Elsner auf Nachfrage gegenüber DAZ.online. Grundsätzlich wolle man bei sämtlichen noch zu entwickelnden Angeboten und Instrumenten den Patienten in den Mittelpunkt stellen. Elsner: „Patienten sollen sich nicht nach ihrer Apotheke richten müssen, vielmehr möchten wir mithilfe der Projektergebnisse Apotheken in die Lage versetzen, die Bedürfnisse ihrer Patienten zu erkennen und adäquat bedienen zu können.“ Nur so ließe sich auch in Zukunft eine flächendeckende Arzneimittelversorgung in strukturschwachen Gebieten gewährleisten.

Wissenschaftlich begleitet und finanziell gefördert

Verbundkoordinator von „Dorfgemeinschaft 2.0“ ist die Gesundheitsregion EUREGIO e. V., Nordhorn. Das Projekt wird von der Universität und der Hochschule Osnabrück wissenschaftlich begleitet. Es hat einen Finanzrahmen von 5,82 Millionen Euro. 85 Prozent davon steuert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bei.  Die Laufzeit dauert von November 2015 bis Oktober 2020. Mit dem Projekt sollen außerdem nachhaltige Geschäftsmodelle entwickelt werden, um die entwickelten und evaluierten Konzepte auch nach Projektende weiter führen zu können.  



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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