Analyse des Pharmaverbandes

Wie geht es Österreichs Arzneimittelmarkt?

Remagen - 26.09.2017, 13:15 Uhr

Apothekenmarkt wächst, Arzneimittelpreise sinken laut österreichischem Pharmaverband. (Foto: Rinkshofer / picturedesk)

Apothekenmarkt wächst, Arzneimittelpreise sinken laut österreichischem Pharmaverband. (Foto: Rinkshofer / picturedesk)


Der österreichische Pharmaverband „Pharmig“ hat seine Daten & Fakten 2017 vorgelegt, eine Broschüre zur Situation der pharmazeutischen Industrie und des Gesundheitswesens in Österreich. Die Analyse zeigt: Der Apothekenmarkt ist erneut gewachsen.

Eine neue Publikation des Verbandes der pharmazeutischen Industrie Österreichs beleuchtet das Umfeld der Pharmabranche in unserem Nachbarland. Laut Pharmig zählt das öffentliche Gesundheitssystem Österreichs zu den kostenintensivsten in der Europäischen Union. Mit einem „überdimensionierten Krankenhaussektor“ und einem unzureichend entwickelten ambulanten Sektor leide es unter strukturellen Ungleichgewichten, heißt es in den aktuellen Daten & Fakten 2017. Wie aus der neuen Broschüre weiter hervorgeht, hat Österreich pro 1000 Einwohner 46 Prozent mehr Krankenhausbetten als der Durchschnitt der 27 EU-Staaten, liegt mit 7,6 Betten pro 1000 Einwohner im europäischen OECD-Ländervergleich aber trotzdem noch an zweiter Stelle hinter Deutschland.

Gesundheitsreform bringt ELGA und e-Medikation

In dem Alpenland wurde zuletzt im Jahr 2013 eine umfassende Gesundheitsreform auf den Weg gebracht. Sie beinhaltet die Umsetzung der Elektronischen Gesundheitsakte ELGA, die Einführung der e-Medikation sowie den Ausbau und die Stärkung der Primärversorgung, die konkret mit dem „Gesundheitsreformumsetzungsgesetz 2017 – GRUG 2017“ umgesetzt werden soll. Zur Einführung von ELGA wurde kürzlich ein Verordnungsentwurf vorgelegt, der neben dem Beginn der Speicherverpflichtung von ELGA vor allem einen exakten Rollout-Plan für die rund 9000 niedergelassenen Kassenärzte und rund 1400 Apotheken in ganz Österreich enthält.

Zwei Drittel über öffentliche Apotheken und Ärzte

Die Gesundheitsausgaben in Österreich lagen im Jahr 2015 bei rund 37,6 Milliarden Euro, was einem BIP-Anteil von 11,1 Prozent entspricht. Mit 38,4 Prozent entfiel der höchste Anteil der Ausgaben auf den stationären Bereich. Die Kosten für den ambulanten Bereich machten 25,5 Prozent aus. Die Arzneimittelausgaben, die den Konsum im Apotheken- sowie den Krankenhausmarkt umfassen (so genannte Pharmaquote) lagen inklusive Umsatzsteuer bei 12,4 Prozent. Nach Wert wurden in 2015 zwei Drittel der Arzneimittel an öffentliche Apotheken und den niedergelassenen Bereich und ein Drittel an Krankenhäuser und verkauft.

Apothekenmarkt um fünf Prozent gewachsen

Der österreichische Arzneimittelmarkt hatte im Jahr 2015 ein wertmäßiges Volumen von 3,55 Milliarden Euro und einen Umfang von 240,7 Millionen Packungen. Der Apothekenmarkt wuchs gegenüber dem Vorjahr wertmäßig um fünf Prozent und nach Packungen um 1,6 Prozent. Der Generikaanteil am Erstattungsmarkt wird für 2016 mit ca. 53 Prozent beziffert (48 Prozent der Arzneimittelausgaben im Erstattungsmarkt). Der OTC-Markt ist 2016 nach Wert auf Basis des Apothekenverkaufspreises (AVP) im Vergleich zu 2015 um 2,2 Prozent auf 821,3 Millionen Euro gewachsen. Die Top 3 Husten/Erkältung, Magen/Verdauung und Vitamine etc. decken gemeinsam rund 47 Prozent des Selbstmedikationsmarktes ab.

Arzneimittelpreise fallen jedes Jahr

In Österreich werden alle Preise und Margen in der pharmazeutischen Vertriebskette öffentlich durch Behörden bzw. die Sozialversicherung kontrolliert. Bei Arzneimitteln gilt ein begünstigter Umsatzsteuersatz von 10 Prozent. Im Jahr 2014 lag der österreichische Fabrikabgabepreis (FAP) pro Packung laut Pharmig im Mittel bei 10,59 Euro und somit um 6,7 Prozent unter dem Mittelwert der EU-15 von 11,35 Euro. Die Spitzenposition wird mit einem FAP pro Packung von 19,57 Euro Deutschland beigemessen, gefolgt von der Schweiz mit 19,56 Euro. Pharmig betont, dass die Preise für bereits am österreichischen Markt befindliche Arzneimittel seit 1996 jedes Jahr gefallen sind. Eine fiktive Arzneimittelpackung, die 1996 noch zehn Euro kostete, kostete 2015 nur noch 7,12 Euro. Der Medikamentenpreisindex sinkt kontinuierlich.

Immer mehr Packungen pro Kopf

Demgegenüber ist der Packungsverbrauch in Österreich in den letzten Jahren weiter gestiegen: 2008 betrug die Anzahl der abgesetzten Packungen pro Kopf 24,36 versus 25,24 Packungen im Jahr 2014. Damit liegt der österreichische Verbrauch trotzdem noch um 0,47 Prozent unter dem Durchschnittswert eines großen Ländersamples, mit Frankreich (44,38 Packungen pro Kopf) als Spitzenreiter und Dänemark mit durchschnittlich 15,35 Packungen als Schlusslicht.

Selbstbehalt von fast 15 Prozent im Erstattungsmarkt

Arzneimittel sind in Österreich nach Maßgabe des Erstattungskodexes (EKO) erstattungsfähig. Der EKO gliedert sich in drei Bereiche (auch Boxen genannt): eine grüne, eine gelbe und eine rote, wonach Medikamente zu Lasten der Krankenversicherung unter bestimmten Voraussetzungen bezahlt werden. Am 1. Januar 2017 waren laut Pharmig rund 7400 Arzneimittel im EKO gelistet. Bestimmte Gruppen von Medikamenten, wie zum Beispiel Verhütungsmittel sind grundsätzlich nicht erstattungsfähig. Seit 1. Januar 2017 beträgt der Selbstbehalt für Patienten 5,85 Euro Rezeptgebühr pro Packung.

Die Ausgaben der Sozialversicherungsträger für Heilmittel sind 2016 im Vergleich zu 2015 um 2,9 Prozent gestiegen. Stellt man dem Nettoaufwand der Krankenkassen für Heilmittel (2016 vorläufig knapp 2.74 Milliarden Euro) die Rezeptgebührenerlöse (403 Millionen Euro) gegenüber, so ergibt sich ein Selbst behalt von 14,7 Prozent, den die Patienten für Arzneimittel zuzahlen müssen. Zusätzlich kommen sie für alle Arzneimittel, deren Preis unter der Rezeptgebühr liegt, komplett selbst auf. Die Anzahl dieser Präparate ist 2017 im Vergleich zu 2016 um 7,5 Prozent gestiegen.

1340 öffentliche Apotheken

Für das Apothekenwesen gibt Pharmig Zahlen von Ende 2015 an und spricht von 1340 öffentlichen Apotheken (mit 28 Filialapotheken), 45 Krankenhausapotheken und 841 selbstdispensierenden Ärzten, die die 8,7 Millionen Einwohner des Alpenlandes mit Medikamenten versorgen. In den öffentlichen Apotheken arbeiten rund 5650 selbständige und angestellte Apotheker, knapp 6690 weiteres Fachpersonal und etwa 3780 sonstige Beschäftigte.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.