Mehraufwand oder Ertragsquelle

Wirtschaftlicher Erfolg mit OTC – wovon hängt der ab?

Süsel - 22.09.2017, 09:00 Uhr

Ob OTC in der Apotheke eine gute Ertragsquelle sind, hängt von verschiedenen Faktoren ab. (Foto: dpa / picture alliance)

Ob OTC in der Apotheke eine gute Ertragsquelle sind, hängt von verschiedenen Faktoren ab. (Foto: dpa / picture alliance)


Welche wirtschaftliche Bedeutung haben OTC-Arzneimittel für die Apotheke? Bringen sie nennenswerte Erträge oder bedeuten sie bloß Aufwand? Tatsächlich können OTC-Arzneimittel eine gute Ertragsquelle für Apotheken sein, vorausgesetzt der Apothekenstandort, die Preispolitik und die Produktauswahl sind klug abgestimmt.

Etwa 46 Prozent aller Arzneimittelpackungen, die in Apotheken abgegeben werden, sind nicht verschreibungspflichtig. Der Anteil dieser OTC-Arzneimittel am Beratungs- und sonstigen Arbeitsaufwand in der Apotheke ist also sehr erheblich. Dies gilt jedenfalls für den Durchschnitt der Apotheken. Aus dem breiten Spektrum von Apotheken an verschiedenen Standorten ergeben sich jedoch drastische Unterschiede. In Dorfapotheken sind OTC-Arzneimittel oft nur eine Nebensache, in Centerlagen können sie sogar der wichtigste Umsatzbringer sein. Im Durchschnitt machen OTC-Arzneimittel etwa zehn Prozent des Apothekenumsatzes aus. Gemäß Daten der ABDA für 2015 erzielten die Apotheken 4,8 Milliarden Euro Umsatz mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (apothekenpflichtige plus freiverkäufliche), also durchschnittlich etwa 240.000 Euro pro Apotheke.

Durchschnittlicher OTC-Preis

Die Anteile am mengenmäßigen Absatz und am wertmäßigen Umsatz klaffen so weit auseinander, weil OTC-Arzneimittel im Durchschnitt einen weit geringeren Verkaufspreis als verschreibungspflichtige Arzneimittel haben. Verschiedene Quellen liefern unterschiedliche Werte für den durchschnittlichen Verkaufspreis eines OTC-Arzneimittels. Manche Statistiken betrachten nur apothekenpflichtige, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel. Andere fassen unter dem Begriff OTC viel mehr Produkte mit Gesundheitsbezug zusammen, teilweise sogar das ganze apothekenübliche Ergänzungssortiment. Aus den Daten der ABDA über die 2015 abgegebenen (nur) apothekenpflichtigen Arzneimittel ergibt sich ein durchschnittlicher Verkaufspreis von 7,26 Euro (ohne Mehrwertsteuer). Aus den Angaben des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller (BAH) für alle nicht verschreibungspflichtigen Arznei- und sonstigen Gesundheitsmittel aus Apotheken im Jahr 2016 errechnet sich ein Durchschnittspreis von 8,88 Euro (einschließlich Mehrwertsteuer), also 7,46 Euro ohne Mehrwertsteuer. Angesichts von 8,51 Euro, die bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln allein für den Festzuschlag (inklusive Beitrag zum Notdienstfonds) und unabhängig vom Arzneimittelpreis fällig werden, ist offensichtlich, dass OTC-Arzneimittel im Durchschnitt einen geringeren Preis haben.

Umfrage zum Thema OTC-Switch

Wie denken Sie darüber? Sind OTC-Switches für die Apotheker eine Chance oder einfach nur Mehraufwand? Und welche weiteren Switches könnten Sie sich vorstellen? Ein Antibiotikum gegen Blasenentzündung, antientzündliche Augentropfen oder gar Sildenafil?

Nehmen Sie an unserer Umfrage teil, die wir im Auftrag der Hochschule Kaiserslautern und des BAH durchführen.

Hier geht es zur Umfrage (DocCheck-Login erforderlich).

Wie viel Ertrag ist drin?

Für die wirtschaftliche Bewertung wichtiger als der Umsatz ist allerdings der Rohertrag. Bei einer Spanne von 45 Prozent, wie sie Herzog in einer Kalkulation im Aktuellen Wirtschaftsdienst für Apotheker für Sichtwahlartikel ansetzt, ergäbe sich aus einem Netto-Verkaufspreis von 7,26 Euro ein Rohertrag von 3,27 Euro. Bei einem angenommenen Stundensatz von 22,50 Euro für eine PTA entspricht das 8,7 PTA-Minuten. Für eine grobe Abschätzung können die sonstigen Teilkosten und der Anteil an den Gemeinkosten für ein Arzneimittel etwa so hoch wie die Personalkosten für das Abgabe- und Beratungsgespräch angesetzt werden. Dann dürfte sich eine PTA höchstens etwa 4 Minuten mit einem Kunden beschäftigen, der ein durchschnittliches OTC-Arzneimittel kauft – von der Begrüßung bis zur Begrüßung des nächsten Kunden. Bei 30 Prozent Spanne wären es nur 2,9 Minuten, bei 45 Prozent Spanne und einem Nettopreis von 20 Euro dagegen zwölf Minuten.

Nur angemessene Margen sichern nachhaltig den Ertrag

Diese Rechnung liefert eine wesentliche Erkenntnis: Die Bedeutung von OTC-Arzneimitteln für den Ertrag einer Apotheke hängt entscheidend davon ab, auf welchem Preisniveau sich das Produkt befindet und welche Marge die Apotheke durchsetzen kann. Es geht also sowohl um die Produktauswahl als auch um die Preispolitik.

Dies zeigt einmal mehr, wie wichtig die bewusste Wahl der Preise ist. Niedrige Indikatorpreise für einzelne Artikel mögen abhängig vom Wettbewerbsumfeld geboten sein. Doch eine nachhaltige Ertragsquelle kann das OTC-Geschäft nur mit angemessenen Margen sein. Die Produkte müssen die nötige Beratungszeit finanzieren und einen auskömmlichen Beitrag zu den sonstigen Kosten und zum Gewinn leisten. Dies gilt für alle Apotheken. Bei geringem OTC-Anteil besteht ohnehin keine Chance, Preissenkungen durch große Absatzmengen zu kompensieren. Bei hohem OTC-Anteil dagegen müssen die OTC-Arzneimittel einen maßgeblichen Beitrag zu den Gemeinkosten der Apotheke liefern, wenn diese insgesamt rentabel sein sollen. Die verschreibungspflichtigen Arzneimittel können dann nicht alle Gemeinkosten finanzieren. Dafür ist die Marge der verschreibungspflichtigen Arzneimittel zu gering und die Mühe mit den OTC-Arzneimitteln zu groß.

Welche Produkte erzielen den größten Umsatz? 

Für die Produktauswahl ist interessant, welche Gruppen von OTC-Arzneimitteln die größten Umsätze erzielen. Platz 1 und 2 beim Umsatz und zugleich beim Absatz belegen gemäß einer Statistik des BAH Erkältungsmittel und „allgemeine Schmerzmittel“. Auf Platz 3 folgen Muskel- und Gelenkschmerzmittel (Platz 4 beim Absatz), auf Platz 4 Hustenmittel (Platz 3 beim Absatz), auf den weiteren Plätzen Magenmittel und verdauungsfördernde Mittel, Mineralstoffe, Produkte gegen „sonstige“ Atemwegserkrankungen, Abführmittel, Mittel gegen Hautpilze sowie Beruhigungs- und Schlafmittel. Bemerkenswert ist, dass Mineralstoffe, Hautpilzmittel und Beruhigungsmittel nicht unter den zehn absatzstärksten Gruppen vertreten sind. Demnach sind dies umsatzstarke Produkte mit relativ hohen Preisen. Diese Gruppen verdienen daher besondere Aufmerksamkeit. Mineralstoffe sind zudem die umsatzstärkste Gruppe unter den ärztlich verordneten nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Bedeutsam sind natürlich auch einzelne Artikel in jeder Produktgruppe, wenn sie relativ hohe Preise und hohe Umsätze verbinden. Dort haben Apotheken prinzipiell gute Ertragschancen. Eine gewisse Konzentration auf anspruchsvolle und beratungsintensive OTC-Produkte schafft zudem Vorteile im Wettbewerb mit dem Versand, der keine Beratung von Angesicht zu Angesicht bieten kann.

Potential durch Switches

In besonderer Weise betrifft dies OTC-Switches, also Produkte, die erst kürzlich aus der Verschreibungspflicht entlassen wurden. Denn diese haben naturgemäß anspruchsvolle Anwendungsgebiete. Neben hohem gesundheitlichen Nutzen bringen sie dem Patienten einen Zeitvorteil durch den eingesparten Arztbesuch. Switches erfordern damit eine aufwendige Beratung, doch können tendenziell hohe Preise und gute Margen erzielt werden. Den Patienten fehlen zudem Vergleichspreise aus der Vergangenheit. Für Apotheken sollte es sich daher lohnen, Switches gezielt herauszustellen.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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