Rx-Versand, Boni, Apothekenhonorar

Dittmar: „Es hat keine Marktverschiebungen gegeben“

Berlin - 19.09.2017, 15:40 Uhr

Klare Kante: SPD-Apothekenexpertin Sabine Dittmar will den Rx-Versand weiterhin erhalten, die Apotheker aber auch stärker in den Medikationsplan einbinden und ein vergütetes Medikationsmanagement einführen. (Foto: Külker)

Klare Kante: SPD-Apothekenexpertin Sabine Dittmar will den Rx-Versand weiterhin erhalten, die Apotheker aber auch stärker in den Medikationsplan einbinden und ein vergütetes Medikationsmanagement einführen. (Foto: Külker)


Die Berichterstatterin für Apothekenthemen in der SPD-Bundestagsfraktion, Sabine Dittmar, bleibt dabei: Der Rx-Versand muss aus ihrer Sicht erhalten bleiben. Im Rahmen der ABDA-PR-Aktion „Wahlradar Gesundheit“ erklärte Dittmar, dass Patienten den Versandhandel bräuchten. Dass der Rx-Versand eine Gefahr für die Apotheke vor Ort sein könnte, sieht sie nicht.

Noch wenige Tage bis zur Bundestagswahl und der „Wahlradar Gesundheit“ der ABDA füllt sich mit Politiker-Antworten. Zur Erinnerung: Die Standesvertretung der Apotheker hatte wie 2013 eine dezentrale Wahl-Aktion gestartet, bei der Apotheker in den einzelnen 299 Wahlkreisen Politiker auf ihre gesundheitspolitischen Positionen abklopfen sollten. Die Antworten der Politiker werden auf der Internetseite der PR-Initiative veröffentlicht.

Die Antworten einiger ganz großer Polit-Promis, wie etwa Kanzlerin Angela Merkel, liegen bislang nicht vor. Allerdings haben inzwischen alle Bundestagsabgeordneten geantwortet, die sich in dieser Legislaturperiode mit Arzneimittel- und Apothekenthemen beschäftigt haben. Jüngstes Beispiel: Sabine Dittmar, in der SPD-Fraktion Berichterstatterin für alle Apothekenthemen. Dittmar kommt aus dem unterfränkischen Wahlkreis Bad Kissingen, in dem für die CSU Dorothee Bär kandidiert, die 2013 auch das Direktmandat holte. Dass Dittmar trotzdem über die Liste der SPD Bayern ins Parlament einzieht, ist wahrscheinlich.

Apotheker kennen Sabine Dittmar gut

In den vergangenen vier Jahren hat sich Dittmar beispielsweise dafür stark gemacht, die Rezeptur- und BtM-Vergütung der Apotheker zu erhöhen. Sie ist auch dafür, den Apothekern mehr Kompetenzen zu geben und kritisiert unter anderem, dass die Pharmazeuten beim Medikationsplan nicht enger eingebunden wurden. Nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung lehnte sie ein Rx-Versandverbot ab und wies mehrfach darauf hin, dass insbesondere die Spezialversender in Deutschland benötigt werden. Gemeinsam mit ihrem Parteikollegen Edgar Franke legte sie einen Gesetzesvorschlag vor, nach dem der Rx-Versand erhalten werden sollte, Rx-Boni über zwei Jahre lang aber gedeckelt werden sollten.

In ihren Antworten bleibt Dittmar bei dieser Positionierung. Als eines ihrer politischen Ziele für die nächste Legislaturperiode kündigte sie an: „Als Berichterstatterin der SPD für das Apothekenwesen ist es mein Ziel, die pharmakologische Kompetenz der Apothekerinnen und Apotheker stärker in die Versorgung einzubinden.“ Des Weiteren will Dittmar sich auch um eine Neugestaltung des Apothekenhonorars kümmern. Konkrete Vorschläge für ein neues Honorarsystem hatte die Ärztin aus Unterfranken bislang nicht vorgelegt. Und auch im Wahlradar erklärt sie lediglich: „Wichtig ist mir für die kommende Legislaturperiode, dass wir das Apothekenwesen und die Honorierung nochmals genauer anschauen und gemeinsam Lösungen entwickeln, um die Versorgung in ländlichen und strukturschwachen Regionen sicherzustellen. Wichtige Anhaltspunkte für eine Reform des Apothekenhonorars wird sicherlich die Studie des Bundeswirtschaftsministeriums liefern, deren Ergebnisse Mitte November vorgestellt werden.“

Dittmar fordert Medikationsmanagement

Der Medikationsplan in Papierform sei nur ein „erster Schritt“, findet Dittmar. Daran müsse sich ein „umfassendes Medikationsmanagement“ anschließen. Und weiter: „Ich bin mit der derzeitigen Regelung, die OTC nicht erfasst und Apotheker nicht direkt einbezieht, nicht zufrieden und sehe aus Gründen der Arzneimitteltherapiesicherheit weiteren Handlungsbedarf.“ Was die Neugestaltung der Honorierung und der Apotheker-Kompetenzen betrifft, sieht Dittmar aber auch die ABDA in der Pflicht: „Die ABDA ist allerdings auch gefragt, Konzepte zu entwickeln zur Sicherstellung des flächendeckenden Apothekennetzes.“

Nochmals wiederholt die SPD-Politikerin, warum sie gegen das vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) geforderte Rx-Versandverbot ist. „Ein Verbot würde auch unsere deutschen Versandhändler einschränken, die sich auf Spezialmedikation wie beispielsweise individuelle parenterale Lösungen z.B. bei Mukoviszidose oder Schmerztherapien, Spina Bifida, HIV oder Parkinson fokussiert haben.“ Und weiter: „In der öffentlichen Anhörung des Deutschen Bundestages hat sogar der ABDA-Präsident eingeräumt, dass zunächst weitere Investitionen notwendig wären, um nach einem Rx-Versandhandelsverbot eine flächendeckende Versorgung wieder gewährleisten zu können.“

Ihren Vorschlag mit dem Boni-Deckel bewirbt Dittmar nicht erneut. Sie liefert auch keine neuen, alternativen Lösungsansätze für den Versandhandels-Konflikt. Sie schreibt lediglich: „Wir als SPD wollen eine europarechtskonforme, patientenorientierte Lösung, die die Apotheken vor Ort stärkt und den deutschen Versandhandel nicht benachteiligt.“ Dass die EU-Versender nach dem EuGH-Urteil nun unkontrolliert an Boden gewinnen, darüber macht sich Ditmar allerdings keine Sorgen. Wörtlich schreibt sie: „Die Befürchtungen, dass es nach dem EuGH-Urteil zu extremen Marktverschiebungen und Apothekenschließungen kommen würde, haben sich erfreulicherweise auch zehn Monate später in keiner Weise bewahrheitet. Der Rx-Versandanteil macht nach wie vor nur 1,12 Prozent vom gesamten Rx-Markt aus."



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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8 Kommentare

Die Sache Dittmar

von Dr.Diefenbach am 20.09.2017 um 8:59 Uhr

Nicht nur dass Frau Dittmar die "Logik des Marktes" nicht verstanden hat,sie WILL es doch auch gar nicht.Es ist schlichtweg impertinent dass sich immer wieder Berufsfremde(!)in unser Entgeltgefüge einmischen.Das hatten wir bereits oft,das wird auch nicht aufhören.Denn gerade die SPD ,die man ja aus vielerlei Gründen nicht wählen kann,zieht auch hier das Sozialmäntelchen an.Nein-man will die Einzelapotheken schwächen,ich erinnere an eine relevante SPD Aussage vor Jahren,dass man den Markt erstmal umkrempeln müsse(!) und wenn es nichts wird,dann kann man etliches wieder ändern.WIR sind als Individuen den Herrschaften auch anderer Parteien(lLindner zB) egal,das trifft auf eine Frau Dittmar offenbar genauso zu.Dass die von ihr angestoßene Politikrichtung BWL-Technisch extreme Probleme vor Ort schafft,das sieht sie halt nicht.Man blickt da rückwärts -und eben nicht in die Zukunft und balanciert mit Werten,die sich rasch ändern können.Also das was man der Berufsgruppe vorhält,exerziert man selbst.Ist doch auch einfach-Diätenerhöhungen gibt es regelmäßig.Auch ohne BWL

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Zahlenspiele von Politikern...

von Rolf Lachenmaier am 20.09.2017 um 8:41 Uhr

Bitte nicht auf Ihre "Argumentation" hereinfallen! Das ist wie die Sache mit den Äpfel&Birnen! "Es hat keine Marktverschiebungen gegeben" - sorry, das ist entweder falsch ("Sie versteht es nicht") oder gelogen ("Sie ist unter die Demagogen gegangen und macht Versand-PR"). Ich kann doch nicht den Gesamt-Versand-Markt für verschreibungspflichtige Arzneimittel nehmen und in diesem Fall damit argumentieren. Geben deutsche Versender RX-Boni? Habe ich da etwas verpasst? Die relevanten Zahlen finde ich in Holland: und da spricht (und die wissen, wie sie ihre Zahlen passend verwenden) Mocdorris von 6% Anstieg im ersten Quartal und mehr als 7% im zweiten, nach Jahren der Stagnation... Gesamt-RX-Versand VOR dem Urteil bei 0,7%(?!) - jetzt gesamt schon bei 1,12% und das NUR durch die Holländer. Man muss kein Prophet sein, um sich die Zahlen auszumalen, wenn die Preisbindung insgesamt fallen würde oder man den Kranken Kassen Selektivverträge gesetzlich erlauben würde - freie Apothekenwahl ade. Quanität und Finanzkraft siegt - Qualität, äh wie würde man das buchstabieren?!

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Vergangenheit vs Zukunft

von Anita Peter am 20.09.2017 um 8:15 Uhr

Auch der OTC Versand lag irgendwann bei 1%. Gerade dieser Blick in die Vergangenheit sollte Frau Dittmar die Augen öffnen.

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Noch nicht - muss hier ergänzt werden

von Hummelmann am 20.09.2017 um 1:51 Uhr

"Es hat keine Marktverschiebungen gegeben" sagt Frau Sabine Dittmar. Das ist wie der Selbstmörder, der im zehnten Stock aus dem Fenster springt und im achten Stockwerk ruft "Bisher ist ja alles gut gegangen!"
Vielleicht sollte sich Frau Dittmar mal mit AOK-Chef Christopher Herrmann unterhalten. Er könnte ihr ja erklären, wie er sich Exklusiv-Verträge im ausländischen Versandhäusern und ein entsprechendes Preisportal im Internet für seine Versicherten vorstellt. Anschließend können sich die beiden vom selbsternannten SPD-Gesundheitsexperten Lauterbach gegenseitig erklären lassen, wie das auch in Zukunft zu keinen Verschiebungen im Markt der Arzneilieferanten führen wird. Wer dann diesen Dampfplauderern immer noch Glauben schenken mag, kann sein Kreuzchen ruhigen Gewissens bei SPD/FDP/Grünen/AfD machen.
Oder wie es die ABDA auszudrücken pflegt:
Es hätte ja noch schlimmer kommen können...

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Spd

von Frank ebert am 20.09.2017 um 0:23 Uhr

Es ist wirklich lachhaft was diese 22 Prozent Partei überhaupt noch zu sagen hat

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Leider nicht kompetent genug

von Ratatosk am 19.09.2017 um 18:50 Uhr

Leider ist die Frau nicht kompetent genug, die Fakten der Konzentration der Apothekenstruktur oder auch nur die sinkende Zahl irgendwie einzuordnen.
Der lächerliche Hinweis auf exotische Spezialrezepturen ist das schäbige Feigenblatt für jeden Unsinn. Genaus wie bei Ulla der gleiche verlogenen Trick, erst was vorsichtig einführen, warum Deckelung 2 Jahre, und dann - ja dann hat man Fakten und kann deshalb aus juristischen Gründen nichts mehr machen. Bei den Sozis offensichtlich immer die gleiche linke Masche. Wer die Gefahr für die öffentliche Apotheke nicht sieht, muß schon blind sein, oder die Augen sind durch etwas verdeckt worden. Aber erstaunlicherweise war in den letzten Jahrzehnten gerade die SPD der Schutzgott für Konzerne , Banken und Großkapital

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Ach Frau Dittmar....

von Hubert Kaps am 19.09.2017 um 17:29 Uhr

... ich mag es gerne konkret: Den Versendern wird es früher oder später locker gelingen, z.B. 10% der Rxer aus der öffentlichen Apotheke abzuziehen. Dies entzieht der Fläche rund 700Mio Euro Honorar, nicht Umsatz. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass jede wie auch immer ausgestaltete Honorarreform diese Dimensionen niemals auffangen wird. Sie wissen genau, wie lange der Kampf um die vergleichsweise läppischen 100 Mio. für die Rezeptur/BTM dauerte. Eine derartige Entwicklung kostet Arbeitsplätze (sozialversicherungspflichtig), bzw. Standorte (gewerbesteuerpflichtig) und schafft "Jobs" (Niedriglohnsektor) irgendwo bei Versendern. Bei welcher Partei waren Sie nochmal?
Und was nützt das alles dem Rentner/der jungen Mutter, die nicht mehr wohnortnah eine Apotheke aufsuchen kann?
Ich glaube weiterhin an die Vernunft, auch bei Ihnen.

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AW: Im Vergleich zum Honorarplus der Ärzte

von Andreas Grünebaum am 19.09.2017 um 19:22 Uhr

Sehr gut gekontert: Frau Dittmar sieht nur die Zahlen von einigen Wochen nach dem verhängnisvollen Urteil. Bereits sehr konservative 10% Rx Anteil für den Versandhandel durch EU-Boni entziehen den Präsenzapotheken, wie auch den Deutschen Versendern 700 Millionen Euro. Das entspricht immerhin 70% des Honorarplus für niedergelassene Ärzte, welches für 2018 vorgesehen ist.

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