ABDA-Präsident Schmidt

„Das können nur wir“

13.09.2017, 16:41 Uhr

Friedemann Schmidt stellte heraus, dass die persönliche Begegnung zwischen Apotheker und Patient alternativlos ist. (Foto:DAZ /Schelbert)

Friedemann Schmidt stellte heraus, dass die persönliche Begegnung zwischen Apotheker und Patient alternativlos ist. (Foto:DAZ /Schelbert)


Wie ein roter Faden zog sich das Menschliche, das Persönliche, der Wert des persönlichen Kontakts zwischen dem Apotheker und seinem Kunden durch den Lagebericht von ABDA-Präsident Friedemann Schmidt auf dem Deutschen Apothekertag. Er stellte heraus, dass es keine ernsthafte Alternative für die persönliche Begegnung mit Patienten gebe. Er sieht als Ziel: „beständiges, verantwortliches, glaubwürdiges Handeln bei der Gestaltung einer modernen, sicheren, vor allem aber menschlichen Gesundheitsversorgung“.

Die gesellschaftliche Wahrnehmung des Apothekerberufs hat sich nach Meinung von Schmidt zum Positiven verändert: keine Fundamentalkritik, sondern eine wertschätzende Haltung in Politik, in gesellschaftlichen Gruppen und in vielen Medien. Als Beispiel nannte er eine stabile Zahl der Bewerber für pharmazeutische Studienplätze. Wo es noch etwas klemmt, sei die notwendige Anpassung bestimmter Ausbildungsinhalte im Hochschulstudium. Man werde bei diesem Projekt aber nicht nachlassen, so der ABDA-Präsident.

Medikationsplan – entweder keiner oder nur mit Apothekern

Nicht so erfolgreich ist das Projekt Medikationsplan verlaufen, räumte Schmidt ein. Aber mittlerweile sei er froh, dass es so gekommen sei, denn: „Dadurch wird jetzt klar, der Medikationsplan wird nicht zum Erfolg, solange die Apotheken nicht als seine Fürsprecher und Sachwalter voll an Bord sind.“ Der Medikationsplan gehöre zum Arzneimittel dazu und damit in die Apotheke. Schmidt machte es deutlich: „Ein wirklich praktikabler Medikationsplan wird also mit Apotheken kommen oder er wird gar nicht kommen.“

Schmidt verknüpfte seine Forderung, dass auch Apotheker für ihre Leistungen rund um den Medikationsplan angemessen vergütet werden, mit dem Hinweis auf eine Neuordnung der apothekerlichen Vergütungssystematik. Allerdings – und das sagte er unter dem Beifall der Delegierten – „wollen wir eine Verbesserung für alle und keineswegs eine Verbesserung für die einen zu Lasten der anderen.“ Er sagte dies vor dem Hintergrund, dass es in den letzten Wochen ein paar abseitige Ideen gegeben habe. Die ABDA lasse sich von Planungssicherheit, Zukunftsfähigkeit und Leistungsgerechtigkeit leiten. Um dies zu erreichen, brauche man die Politik, so Schmidt in Richtung Bundesgesundheitsminister. Er hoffe, dass ein schneller Durchbruch beim Medikationsplan komme, bevor viele Insellösungen kommen. 

Da muss sich was ändern: Versorgungsengpässe

Die Politik brauche man auch bei der Lösung von Liefer- und Versorgungsengpässe. „So kann es nicht weitergehen“, entrüstete sich Schmidt. Er sprach sich für Meldepflichten, Einschaltung der Bundesoberbehörden und ein versorgungssicherndes Mindestmaß an pharmazeutischer Produktion in Europa aus. Zum Thema Kontingentierung von Arzneimitteln merkte der ABDA-Präsident an: Es sollte unbedingt aufhören, dass sich angeblich oder tatsächlich einige Apothekerinnen und Apotheker am Export von Arzneimitteln beteiligen. Das schade der Patientenversorgung. Es sei zwar legal, „aber ist es deshalb gut?“

Ein weiteres Beispiel für die Bedeutung des Apothekers: Das 60. Jubiläum der Etablierung der Wehrpharmazie, an dem er teilgenommen hatte, nahm Schmidt zum Anlass, auf die enorme Entwicklung der Wehrpharmazie hinzuweisen und auf das,  was die Apothekerinnen und Apotheker innerhalb des Sanitätsdienstes unter zum Teil schwierigen Bedingungen leisten. 

Die Begegnung mit dem Menschen

Die Begegnung mit dem Menschen mache unseren Beruf so spannend, eine Begegnung von Angesicht zu Angesicht und nicht am Telefon, per Skype oder Facetime, so der ABDA-Präsident. Das sehe im Prinzip auch der Gesetzgeber so, denn das sei auch der Grund, warum Arzneimittel nur in der Apotheke abgegeben werden dürfen, auch wenn mittlerweile der Versandhandel dieses Prinzip durchbrochen habe. Schmidts Überzeugung: Wer seinen Patienten niemals persönlich sieht, könne nur Belieferung leisten, aber keine verantwortliche Versorgung.  

Bisher sehen das auch die Patienten so, die sich meist noch für die Apotheke vor Ort entscheiden. Aber das EuGH-Urteil bringt jetzt ein starkes Preissignal – und wenn sich deshalb immer mehr Patienten für den Versandhandel entscheiden, „dann steht das System bald auf dem Kopf“, so Schmidt. Und er fügte hinzu: „Eine Apotheke, die man kennt und in der man gekannt wird, ist ein Element von Lebensqualität und Sicherheit in einer Nachbarschaft.“  Schmidts Credo: „Eine gute Versorgungsstruktur muss atomistisch sein, kleinteilig genug aus der Patientensicht, gut erreichbar, konstant, verlässlich und persönlich.“ Der EuGH habe allerdings gezeigt, dass er dies anders sehe und die Bedeutung der Warenverkehrsfreiheit höher einschätze als das heutige funktionierende System, das nur wenige freiheitsbeschränkende Regeln habe. Sollte das EuGH-Urteil Bestand haben, öffne es die Tür in die mittelfristige Technisierung der Arzneimittelversorgung. Das Rx-Versandverbot sieht Schmidt daher als richtig an, als zeitgemäß und politisch vorbildhaft. Wer dagegen, wie SPD und Grüne, einen sanften Preiswettbewerb zulassen wolle, sei unglaubwürdig, wenn er gleichzeitig die Wichtigkeit der Apotheke vor Ort betone

Schmidt greift die FDP und Christian Lindner an

Kritisch ging Schmidt mit der sich breitmachenden Digitalisierungs-Euphorie um, der sichtlich auch die Bundeswirtschaftsministerin verfallen sei, wenn sie sage, das Geschäftsmodell von DocMorris geht mit der Zeit. Schmidt: „Es geht mit der Mode.“ Eine wirkliche Apotheke gehe nicht mit der Mode, sondern sei auf der Höhe der Zeit, angelegt auf Beständigkeit und Nachhaltigkeit. Der Apotheker lasse sich mit Leib und Seele auf seine Nachbarschaft ein. Beim Thema Digitalisierung fiel Schmidt das Wahlplakat der FDP mit dem Slogan „Digital first – Bedenken second“ ein. Ehrlicher wäre „Digital first – Nachdenken second“, denn der Slogan zeige, dass der Prozess der Digitalisierung um seiner selbst willen gestartet werden soll. „Wir betrachten den Prozess des digitalen Wandels heute mit einer seltsamen Mischung aus Euphorie und Angst“, gestand Schmidt ein, wobei beides keines guten Ratgeber seien. Zwar könne Telepharmazie eine nützliche Ergänzung zur persönlichen Versorgung sein, aber niemals eine ernsthafte Alternative.

„Beständiges, verantwortliches, glaubwürdiges Handeln“

Der ABDA-Präsident brachte es am Ende seines Berichts auf den Punkt: „Beständiges, verantwortliches, glaubwürdiges Handeln bei der Gestaltung einer modernen, sicheren, vor allem aber menschlichen Gesundheitsversorgung ist und bleibt unser Ziel.“ Zum Entwurf von Gröhe, den Versand von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verbieten zu wollen, gebe es keine wirksame Alternative. Die Apotheker wollen ihren Patienten weiterhin Sicherheit und das Gefühl geben, dass sie mit Krankheiten und Sorgen nicht allein gelassen werden: „Das können keine Chatbots, das können keine Avatare, das können nur Menschen, das können nur wir.“ 



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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