Forderungskatalog der Apotheker

„Es gibt auch noch andere wichtige Themen“

Düsseldorf - 13.09.2017, 11:30 Uhr

DAV-Chef Fritz Becker eröffnete die Expopharm 2017 und machte gegenüber der Politik und den Krankenkassen einen umfassenden Forderungskatalog auf. (Foto: DAZ / Schelbert)

DAV-Chef Fritz Becker eröffnete die Expopharm 2017 und machte gegenüber der Politik und den Krankenkassen einen umfassenden Forderungskatalog auf. (Foto: DAZ / Schelbert)


Die Expopharm 2017 ist eröffnet! Traditionell hielt Fritz Becker als Chef des Deutschen Apothekerverbandes die Eröffnungsrede. Wie erwartet, kritisierte Becker das EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung aufs Schärfste. Becker machte aber auch deutlich: Das Leben geht weiter, die Apotheker haben noch viele andere, sehr wichtige Forderungen.

So wie viele andere Besucher der Expopharm-Eröffnung erinnerte sich auch Becker an die Messe und den Deutschen Apothekertag 2016 im vergangenen Jahr. Nur wenige Tage vor dem EuGH-Urteil traf sich damals die Apothekenbranche und blickte der Zukunft recht positiv entgegen. „Das wird schon nicht schief gehen“, hörte man immer wieder, wenn man sich mit den Apothekern auf der Expopharm 2016 unterhielt. Auch Becker erlebte den Oktober des vergangenen Jahres genau so: „Wir schauten voller Optimismus in die Zukunft – gerade war klar, dass wir höhere Honorare für Rezepturen und die BtM-Abgabe erhalten würden. Dem Urteil blickten wir mit Spannung, aber auch mit Zuversicht entgegen. Es war schwer vorzustellen, dass der EuGH dieses Urteil fällt.“

Doch es kam anders. Becker bezeichnete das Rx-Versandverbot als „die einzige Möglichkeit, die Gleichpreisigkeit bei Rx-Präparaten“ wiederherzustellen. Mit Blick auf die Politiker, die gegen ein Rx-Versandverbot sind, und die Kassenverbände, die gerne mit EU-Versendern kooperieren würden, erklärte Becker: „Wie kann man ignorieren, dass ausländische Versender durch das Gewähren von Rabatten auf Rx-Medikamente zentrale Steuerungsmechanismen wie Zuzahlungen und Festbeträge unterlaufen und so das Solidarsystem der GKV gefährden?“ Diese Menschen sollten „mal ganz nüchtern“ darüber nachdenken, was eine Fortführung der Politik in diesem Stil für sie selbst bedeuten wird.

Doch allzu lange hielt sich der DAV-Chef nicht mehr an dem Thema auf. Den Hauptteil Beckers Rede machten andere Forderungen an die Politik, die Krankenkassen, aber auch an das eigene Lager aus. Trotz des Widerstands sehe er „gute Chancen“, dass das Verbot in den Koalitionsverhandlungen als politisches Ziel festgelegt werde. Becker selbst signalisierte, dass es – obwohl man am Verbot festhalte – an der Zeit sei, sich auch wieder anderen Themen zu widmen. „Es gibt noch andere wichtige Themen, für die wir uns über lange Zeit vehement eingesetzt haben, und die in diesem Jahr endlich zu einem guten Ergebnis gekommen sind.“

Impfstoffe, Zyto-Versorgung, Cannabis

Im Nachfolgenden ein Überblick über den Forderungskatalog des DAV:

  • Impfstoffausschreibungen: Becker begrüßte es, dass es keine exklusiven Versorgungsverträge für Impfstoffe mehr gebe. Die Politik habe erkannt, dass diese Verträge „fatale Folgen“ haben könnten. Becker forderte, dass sich die noch junge Gesetzesänderung schon bald im Versorgungsalltag niederschlagen müsse. Und: „Wenn wir Apotheker jetzt noch stärker bei der Bestimmung des Impfstatus und der Aufklärung eingebunden werden, steht einer deutlichen Steigerung der Durchimpfungsrate nichts mehr im Wege.“
  • Zytostatika: Auch in diesem Bereich hat der Gesetzgeber kürzlich exklusive Ausschreibungen für Apotheken abgeschafft. Becker begrüßte dies, bewertete aber negativ, dass einige Kassen die Dreimonatsfrist vor der Abschaffung „schamlos“ ausnutzten, eine Fehlinterpretation des Gesetzes durchzusetzen. „Man bringt die Apotheker und ihre Arbeitsleistung und den teuren Wareneinsatz, nur um auf den letzten Metern noch ein paar Euro einzusparen“, so Becker.
  • Hilfstaxe: Apotheker und Kassen hatten in den vergangenen Monaten neue Preise für die Zyto-Hilfstaxe verhandelt. Der Gesetzgeber hatte beide Parteien nach der Abschaffung der Exklusiv-Verträge zu Verhandlungen aufgefordert. Doch die Verhandlungen waren kürzlich gescheitert. Erstmals erklärte Becker öffentlich, welche Forderungen der DAV in den Verhandlungen und dem nun anstehenden Schiedsverfahren stellt: „Wir erwarten aufwands- und qualitätsgerechte Arbeitspreise, zweitens: eine dreiprozentige Handling-Fee und drittens: 8,35 Euro für Abgabe und Beratung.“ Schon kurz nach dem Scheitern der Verhandlungen war bekannt geworden, dass der DAV ähnlich wie im Rezepturbereich ein neues Fixhonorar plus einer prozentualen Marge durchsetzen will.
  • Cannabis: Auch hier verhandeln Kassen und Apotheker über eine eventuelle Abgabegebühr. Zur Erinnerung: Apotheker dürfen seit März dieses Jahres Cannabis auf BtM-Rezept abgeben. Hierzu erklärte Becker nur, dass zu hoffen bleibe, dass für die Kassen „Verhandeln“ auch bedeute, dass man Kompromisse eingehen könne.

Honorar, Dienstleistungen, Hüffenhardt, Entlassmanagement

  • Fixhonorar: Hier erneuerte Becker seine Forderung, einen „verlässlichen Anpassungsmechanismus nach einer fairen Methodik“ zu schaffen. Schon seit Jahren drängt der DAV darauf, das Fixhonorar der Apotheker zu dynamisieren. Er freue sich auf die Veröffentlichung des BMWi-Gutachtens und die anfolgende politische Diskussion.
  • Pharmazeutische Dienstleistungen: Angesichts des demografischen Wandels sind Apotheker aus Beckers Sicht „prädestiniert“ dafür, heilberufliche Leistungen zu erbringen, die über die Arzneimittelabgabe hinausgehen. Nochmals forderte Becker den Gesetzgeber daher auf, das SGB V so zu ändern, dass pharmazeutische Dienstleistungen als möglicher Vertragsgegenstand zwischen Apothekern und Kassen erlaubt werden.
  • Hüffenhardt: Wohl der emotionalste Part von Beckers Rede. Rund um die Abgabe-Stelle des EU-Versenders DocMorris hatte es auch Apotheker-intern Streit gegeben. Dem Vernehmen nach warf der Apothekerverband Baden-Württemberg, in dem Becker Präsident ist, der Kammer des Landes vor, zu wenig gegen die Errichtung des Automaten unternommen zu haben. Erstmals mischte sich Becker als DAV-Chef in die Angelegenheit ein – bislang hatte sich die Bundesebene (ABDA, DAV, BAK) nicht zu Hüffenhardt geäußert. „“Es handelt sich nicht um ein flankierendes Angebot zur Apotheke, wie von einigen Politikern propagiert, sondern schlicht um ein Einfallstor für Kapitalgesellschaften. Wie kann man glauben, dass eine Land-Apotheke mit typischerweise hohem Rx-Anteil und Gemeinwohlaufgaben überleben kann, wenn sich Unternehmen, die all diese Leistungen nicht erbringen, die Rosinen herauspicken?“ Das Modell Hüffenhardt sei „brandgefährlich“.
  • Lieferengpässe: Becker stellte in diesem Bereich eine Verschlechterung der Situation seit 2016 fest. „Die Fälle häufen sich, in denen wir nicht mehr optimal versorgen können. Für ein reiches Industrieland ist das schon eine zutiefst unbefriedigende Situation!“ Becker appellierte an die gesamte Lieferkette – und auch an seine Kollegen: „Jeder Einzelne, sei er Großhändler, sei er Apotheker, muss sich aber auch fragen, ob er jedes kurzfristig lukrative Geschäft, das der legale Arzneimittelexport bietet, auch wirklich tätigen muss.“
  • Eine größere Baustelle ist aus Beckers Sicht das Thema Entlassmanagement. Zur Erinnerung: ab dem 1. Oktober können Klinikärzte ihren Patienten bei der Entlassung Entlassrezepte mitgeben. Grundsätzlich begrüße man, dass die Patienten nun direkt in die Apotheke kommen können. Bei der Ausgestaltung gebe es allerdings Probleme. Entlassrezepte für Hilfsmittel haben laut Becker eine siebentägige Gültigkeit – Arzneimittel-Entlassrezepte nur drei Tage. Diesen Unterschied bezeichnete Becker als unverständlich. Ebenso wenig Verständnis hat der DAV-Chef für die Regel, dass die Klinikärzte eventuelle Änderungen auf dem Rezept persönlich ergänzen müssen. Becker dazu: „Jemand, der gerade aus dem Krankenhaus entlassen wurde, eventuell viele Kilometer nach Hause gefahren ist, erfährt dann in der Apotheke, dass das Rezept nicht beliefert werden kann, weil es einer erneuten Unterschrift bedarf!?“ Die Apotheker fordern daher telefonische Rücksprach-Möglichkeiten mit der Klinik. Becker erklärte, dass auch einige Neuregelungen bezüglich der Packungsgrößen für Probleme im Versorgungsalltag sorgen könnten.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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1 Kommentar

Andere Themen ?

von Frank ebert am 13.09.2017 um 13:55 Uhr

Der nächste Hammer wird am 4.Oktober kommen : Skonti-Urteil----und tschüss viele Kollegen

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